Ständig reden wir von Dingen, medical  die wir ausprobieren wollen. Viel zu oft bleibt es bei dem Gedankenspiel. In unserer Rubrik „Einmal im Leben“ ändern wir das.

Raaaatsch!
Sandy zieht die Zuckerpaste, die sie eben noch routiniert zwischen ihren Fingern dehnte, in einer schnellen Bewegung von meiner Haut und reißt meine Haare samt Wurzeln raus. Ich wimmere. Ich sitze auf einem weißen Kunstlederstuhl, in einem quadratischen Raum, irgendwo in Berlin Mitte. Die Wände sind orange. Ein bisschen Zahnarzt, ein bisschen Drogerie, ein bisschen Folterkammer. Wobei „sitzen“ das falsche Wort ist, ich kauere gekrümmt auf dem Stuhl, während Sandy mich fragt: „Ah, und was studierst du?“

Raaaaatsch!
Sugaring ist die sanfte Form des Waxing habe ich vorher gelesen, aber sanft ist hier nur die plätschernde Musik im Hintergrund. Sie wird gelegentlich von meinen Schreien unterbrochen, wenn Sandy mal wieder besonders überraschend die Zuckerpaste von meiner Haut zieht.

Raaaaatsch!
Bevor das alles hier begann, vor einer gefühlten Ewigkeit, als ich noch nicht wusste, was Schmerz bedeutet und vor dem Kosmetikstudio nervös auf und ab ging, da dachte ich noch, es könnte mir unangenehm sein. Ich dachte, halbnackt vor einer wildfremden Frau zu sitzen und mir die Haare mit Zuckerpaste ausreißen zu lassen, würde mir peinlich sein. Aber der Schmerz überstrahlt die Scham. Er überstrahlt Sandys routinierte Arbeit. Er überstrahlt, wie beschämend das hier eigentlich ist. Dass ich kauere und schwitze und wimmere. Ich frage mich, ob ich es wohl im Krieg aushielte oder ob ich einfach sofort draufgehen würde, weil ich ja nicht mal das hier ertragen kann. Ich versuche, durch den Schmerz eine Art transzendenten Zustand zu erreichen, in dem ich nichts mehr spüre, wie ein Mönch, der auf einem Nagelbrett meditiert. Ich scheitere.

Raaaaaatsch!
Meine Freundin und ich hatten vereinbart, dass wir Sugaring beide mal ausprobieren. Diese Form des Waxing verspricht glatte Haut, weil es die Haare mit der Wurzel herausreißt. Bis zu vier Wochen lang soll es sich anfühlen, als wäre da unten noch nie ein Haar gesprossen. 45€ kostet die Sitzung, sie dauert laut der Uhr an der Wand etwa 20 Minuten. Mein Körper sagt mir was anderes: länger und den Preis nicht wert. Raaaaaatsch!

 

Von Marc Zuckerberg

 

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen UnAufgefordert (Nr. 236, Juli 2016)