Ich, ich, ich. Was hat das noch mit Journalismus zu tun, wenn alle über sich selbst schreiben?

Dies ist eine der Fragen, die vergangene Woche zum Abschluss des Inlandsprojekts besprochen wurde. Moderator des Abends, Wolf-Christian Ulrich, bekannt aus dem ZDF und ehemaliger UnAufler, sprach mit vier Experten auf diesem Gebiet über die zunehmende Selbstdarstellung von Journalisten und Journalistinnen.

Für den erfahrenen Journalisten und Spiegel-Redakteur Michael Sontheimer ist die sogenannte Ich-isierung ein Graus. Er wurde noch Journalist, um die Welt zu verändern. Doch mit Texten, in denen sich das Subjekt selber wichtiger nimmt als den Inhalt, kann das nicht funktionieren. Marlen Hobrack, Bloggerin und Autorin für den Freitag, blickt optimistischer auf die Entwicklung. Sie sieht darin eine Ausdifferenzierung des journalistischen Angebots. Zahlen und Fakten werden viel deutlicher, wenn sie persönlich erfahren und so den Lesenden authentisch mitgeteilt werden. Anja Kretschmer, Journalistin und Dozentin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der FU Berlin, macht deutlich, dass ein Autor bzw. eine Autorin auch mutig ist, wenn er oder sie über sich selber schreibt. Die eigenen Gefühle und Wahrnehmungen werden so der Welt preisgegeben und man selbst zur Disposition gestellt.

Ein weiterer Diskussionspunkt an diesem Abend behandelt den Druck, besonders auf junge JournalistInnen, eine Marke zu werden. Ob auffälliger Schreibstil oder schrilles Foto, ein Wiedererkennungsmerkmal ist nötig. Solange es die Leser bindet, ist es ein Gewinn für das jeweilige Medium. Doch der persönlichere Einblick in das Beschriebene ermöglicht den Lesenden auch ein Gefühl der Teilhabe, so Hobrack. Frédéric Schwilden, Autor für die WELT, sieht diese Problematik gar nicht. Er ist der Meinung, dass jungen Journalisten nur eingeredet wird, dass sie eine Marke – ein gut zu verkaufendes Produkt – sein müssen, um erfolgreich zu sein. Für den taz-Mitbegründer Sontheimer spielt das alles keine Rolle, denn Journalismus ist wichtiger als der Markt. Viel Angst hat er jedoch nicht vor den vielen individuellen Ichs. Denn sobald die Medienwelt nur noch von Marken geprägt wird, fällt die Langeweile der eigentlichen Texte auf.

 

Mehr zu dem Thema in der nächsten UnAuf.