Illustration: Silke Müller
Ob Kreuzberg oder Neukölln, authentische Bars gibt es in den Berliner Szenekiezen zuhauf. Aber wie steht es um die Schankkultur in Mitte? Unser Redakteur hat mit seiner Freundin tief ins Glas geschaut.
„Ich kenne da diese tolle Bar in Mitte.“ – Mit diesem Satz hat für mich bislang noch nie eine durchzechte Nacht begonnen. Zeit, dass sich das ändert.
Es ist Samstagabend, das Handy zeigt zwei Stunden vor Mitternacht an. Der Bar-Check kann beginnen. Zum Glück sind wir nicht unvorbereitet. Mit einiger Mühe haben wir vier Lokale herausgesucht, die nicht das Wort „Cocktail“ im Namen tragen.
„Fire“ nennt sich das erste und soll sich angeblich in der Krausnickstraße 5 befinden. Laut Internet ein echter Geheimtipp. Die Bar stellt sich allerdings als so geheim heraus, dass wir sie nicht finden können. Eine kleine, mit Plastikflammen beklebte Laterne an der Hauswand ist alles, was auf die Existenz der „Fire”-Bar hinweist.
Durstig und frierend schleichen wir die Oranienburger Straße entlang, vorbei an der Neuen Synagoge und einer schier nicht enden wollenden Allee indischer Cocktailrestaurants, die uns mit Sparpreisen und brennenden Fackeln locken wollen.
In der Tucholskystraße biegen wir nach rechts ab und erreichen das „Flow“. Wir stehen in einer Gruppe von Engländern, die ebenfalls erfolglos das „Fire” suchte und sich nicht mit brennenden Fackeln zufriedengeben wollte.
Wir folgen unseren neuen Leidensgenossen sechs Stufen hinab in den Keller. Hinter einer Massivholztür versteckt sich auf nicht einmal 50 Quadratmetern ein Club mit lila ausgeleuchteter Tanzfläche, Schwarzlicht und lauter Elektromusik. Wir zwängen uns durch den mit Studenten gefüllten Raum und setzen uns auf eine schwarz ausgepolsterte Bank neben einen Kamin, in dem ein paar Holzscheite knistern.
Das Bier kostet drei Euro. Wir schmeißen abwechselnd eine Runde und lassen die Innenausstattung auf uns wirken: kleine Kronleuchter und kunstvoller Schmuck hängen von der mit silbernen Kacheln ausgekleideten Decke. Zusammen mit den spacigen Lautsprechern vermitteln sie das Gefühl, in einem Raumschiff zu sitzen. Der Barkeeper ist entspannt und wirkt ein wenig stolz, als wir die reichhalte Spirituosensammlung hinter ihm in Augenschein nehmen. Hier ließe sich noch etwas verweilen, doch wir müssen weiter.
Nur zwei Straßen entfernt befindet sich das „Sophieneck“, eine typisch berlinerische Eckkneipe mit wohnlicher Holzvertäfelung im Innern und einer liebenswürdigen Bedienung. Bei der Frage, ob sie auch Mexikaner verkaufen würden, erklärt uns die Dame hinter dem Tresen, wir müssten ihr nur sagen, welche Zutaten die Shots benötigen, sie würde uns dann welche zusammenmixen.
Auch hier kostet das Bier im Schnitt drei Euro. Wir sind fast die einzigen Gäste in der Kneipe. Eine ältere Dame sitzt an der Theke und wirft meiner Freundin anzügliche Blicke zu. Das „Sophieneck“ ist zwar ein gemütliches Lokal, aber definitiv keine Feierkneipe. Deshalb leeren wir unser Bier und ziehen weiter.
Direkt an der Friedrichstraße, ein paar Schritte vom U-Bahnhof Oranienburger Tor entfernt, liegt „The Oscar Wilde Irish Pub“. Die Bedienung spricht Englisch, es gibt bekannte irische Bierspezialitäten: Guiness, Kilkenny, Oscar´s Traditional Red. Trotzdem scheinen die meisten Iren um uns herum das Bitburger Pils zu bevorzugen.
Jeden Freitag und Samstag gibt es hier Karaoke oder Livemusik. Heute spielt eine Liveband. Wir versuchen – inzwischen schon leicht angeschickert – den Barmann zu überzeugen, stattdessen lieber eine Karaokerunde zu starten. Mit einem Augenzwinkern erklärt er, er würde eine Ausnahme machen – aber nur wenn wir noch 50 weitere Leute motiviert bekämen.
Leider gelingt es uns nicht und so enden wir schunkelnd, mit einem Iren alte Volkslieder von der grünen Insel singend. Dementsprechend spät ist es, als wir den Pub verlassen und in die U6 steigen, um nach Kreuzberg zu fahren und den Abend bei einem letzten Bier vom Späti ausklingen zu lassen. Denn das geht wirklich nur abseits von Berlin-Mitte authentisch.
Lukas Weinmann