Benjamin Alten studiert Economics an der University of Warwick und hat an einem “Jailbreak“ teilgenommen, der ihn bis nach Düsseldorf führte. „Bevor ich angefangen habe, zu studieren, hatte ich ein eher behütetes Leben. Aber ich konnte es kaum erwarten, das hinter mir zu lassen“, sagt der 21-Jährige und fügt hinzu: „‘Jailbreak‘ hat mir und den anderen Studierenden ein Abenteuer ermöglicht, zu dem wir sonst nicht die Chance bekommen hätten.“ Ohne einen Penny seines eigenen Geldes auszugeben, schlug er sich mit dem Zug und per Anhalter erst nach London, dann nach Dover und schließlich auf der Rückbank im Auto deutscher Studenten bis nach Düsseldorf durch. „Natürlich trifft man während der Reise auch merkwürdige Persönlichkeiten, aber gerade das macht es so interessant und unterhaltsam. Denn sonst hätte man doch einfach einen Bus buchen und die Fahrt über durchschlafen können.“
Besonders passionierte “Jailbreaker“ schafften es bereits, von England aus bis nach San Diego, Buenos Aires oder Perth zu reisen.
Jailbreak hat mir und den anderen Studierenden ein Abenteuer ermöglicht, zu dem wir sonst nicht die Chance bekommen hätten.
Der studentische Wohltätigkeitsverband der University of Warwick nahm im Jahr 2012 mehr als 300.000 Pfund an Spenden für nationale wie internationale Zwecke ein, unter anderem durch Veranstaltungen wie dem “Jailbreak“.
Die Hilfsbereitschaft der Menschen zu erleben, denen er auf dem Weg begegnet ist, gehört zu den ganz besonderen Erfahrungen, die Alten auf seiner Reise gemacht hat. „Aus reiner Großzügigkeit haben uns fremde Leute geholfen, zum Beispiel, indem sie uns zu Essen und zu Trinken gegeben oder ein Stück auf ihrem Weg mitgenommen haben“, erzählt der Student und fügt hinzu: „In den Medien wird oft das Bild einer zerrütteten und egozentrischen Gesellschaft gezeichnet, aber das ist in Wahrheit maßlos übertrieben. Hilfsbereitschaft und Solidarität unter den Leuten gibt es nach wie vor – man muss nur bereit sein, genau hinzuschauen.“
Jedoch zog auch er einen ganz pragmatischen Nutzen aus der Sache: Der Ausbruch aus seinem ehemals behüteten Leben hat ihn eigenständiger und selbstbewusster gemacht. „Irgendwo im Nichts ohne Geld gestrandet zu sein – diese Vorstellung hat für mich nach meinem “Jailbreak“-Trip viel von ihrem früheren Schrecken verloren.“
Auch Malte Dode weiß um die Bedeutung des Trampens, die über eine reine Zweckmäßigkeit weit hinausgehe. „Beim Trampen beginnt die Reise schon vor der Haustür. So etwas wie Wartezeiten für das ‘Eigentliche‘ gibt es nicht. Denn ab Minute eins der Reise kann etwas Unerwartetes passieren“, beschreibt er seine Faszination und führt weiter aus: „Es ist nicht bloß ein Transport für lau von A nach B, sondern viel, viel mehr – nämlich eine Schule für all das, was man an keiner Universität und an keinem Arbeitsplatz lernen kann.“
Wartezeiten für das Eigentliche gibt es nicht. Ab Minute eins der Reisezeit kann etwas Unerwartetes passieren.
Jürgen Kagelmann ist Dozent für Tourismuspsychologie und -soziologie an der Dualen Hochschule Ravensburg sowie für Gesundheits- und Welnesstourismus an der Hochschule Bremen. Ihm zufolge stellen Menschen wie Dode eher die Ausnahme dar. Seiner Erfahrung nach spiele das Trampen bei jungen Menschen eigentlich keine Rolle mehr. Im Gegenteil: „ Ich sehe eine interessante Trendwende zu früher. Früher war das Reisen ein ganz wesentlicher Faktor der jugendlichen Subkultur. Wenn man sich von der älteren Generation absetzen wollte, dann spielte es eine große Rolle, wie man reiste“, erklärt Kagelmann und führt weiter aus: „Das ist aktuell sehr viel weniger der Fall. Das Reiseverhalten unterschiedet sich nur wenig von dem der ‚Erwachsenen‘.“ Zu den genauen Reisezielen von Studierenden könne er zwar keine gesicherten Aussagen machen. Die unsystematische Befragung seiner Studierenden schien ihm allerdings zu zeigen, dass die Fernreise sehr wichtig geworden sei.
Zwischendurch landen alle für ein paar Tage zum Entspannen am Strand.
Dies kann Nancy Maasch vom Reiseunternehmen STA Travel bestätigen. Das Unternehmen, dessen Vorläufer 1971 von australischen Studierenden gegründet wurde, unterstützt heute vor allem jungen Menschen bei der Planung ihrer Reisen. Maasch gibt an: „In diesem Jahr sind vor allem Australien und Neuseeland die Renner – wie eigentlich jedes Jahr.“ Aber auch Asien und Südamerika seien beliebte Regionen. „Viele Studierenden wollen einfach neue Länder sehen, andere Kulturen und Menschen kennenlernen und raus kommen aus dem Alltag“, beschreibt sie die Motivation ihrer Kunden. Dabei wollten die meisten tendenziell möglichst viele Orte und Gegenden bereisen. Doch Maasch resümiert: „Aber zwischendurch landen auch alle mal für ein paar Tage zum Entspannen am Strand.“