Der Valentinstag steht vor der Tür und mit ihm das vermeintlich beste Geschäft der Blumenindustrie. Blumen sind weit mehr als nur „Deko“. Sie tragen eine große Symbolkraft. Ihre schnelle Vergänglichkeit und Zweckfreiheit machen sie zu einem begehrten Luxusobjekt. Wer versorgt die Berliner*innen am Tag der Liebe mit genügend Rosen, und ist das Schenken von Blumen in unserer Generation überhaupt noch relevant? Ein kleiner Einblick und ein Wort zum Valentinstag.
Ich gehe in einen Blumenladen im Prenzlauer Berg und spreche mit Andrea und Carsten. Andrea leitet „Casaflora“ in zweiter Generation. Carsten ist seit 2017 Teil des eingespielten Teams an Florist*innen. „Mal ganz ehrlich, wir hassen den Valentinstag“, sagen mir beide, als ich sie auf den anstehenden Tag der Liebe anspreche. Durch die Preisexplosion sei es kaum möglich, die Blumen noch mit Gewinn
zu verkaufen. „Teilweise müssen wir einfach die Mehrwertsteuer dazurechnen und die Blumen verkaufen, ohne einen Cent dabei zu verdienen“, sagt Andrea. Und der Tag bringe sehr viel Arbeit mit sich. Die beiden seien schon eine Woche vorher dabei gewesen, Bestellungen zu bearbeiten und Anfragen zu beantworten. Der Valentinstag bedeute lange und stressige Arbeitszeiten. Das gesamte Personal sei eingespannt, was die Personalkosten zum Steigen bringe. „Das ist ein großes Missverständnis, dass die Blumenläden durch den Valentinstag reich werden“, erklärt Carsten. Ich frage die beiden, ob sie auch junge Kundschaft haben. „Auf jeden Fall. Wir sind auch eine junge Gegend hier, alte Leute gibt es kaum noch.“ sagen sie. Junge Leute würden nicht so viel investieren wie andere Altersgruppen, aber vor allem Geburtstage seien für sie ein Anlass, Blumen zu kaufen. Andrea und Carsten haben beide die Ausbildung zum Floristen gemacht. Andrea bildet selber nicht mehr in ihrem Laden aus. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) biete keine Unterstützung mehr im Betrieb und ein Azubi sei sehr teuer. „Aber es ist ein Traumjob“, sagt sie mir.
Die Berliner Blumenboten
Auch an der Ladenkette Blume2000 geht der Valentinstag natürlich nicht vorbei. In einer der Filialen mit dem rot-weißen Schriftzug spreche ich mit Jacqueline. Für sie sei der Valentinstag ein guter, aber arbeitsreicher Tag. Durch Angebot und Nachfrage seien die Preise „utopisch“. „Es ist eben weltweit Valentinstag und alle wollen rote Rosen. Das heißt aber nicht, dass es auf einmal mehr Rosenbüsche gibt“. Sie hat vor 40 Jahren die Ausbildung zur Floristin gemacht. Auch sie würde gern weitere Florist*innen ausbilden, finde aber keinen Nachwuchs. Sie bezieht das auf die Unbeliebtheit des Handwerks im Gegensatz zum Studium. „Hier ist es eben immer ein bisschen kalt und nass und im Büro ist es warm und trocken“, stellt sie etwas verbittert fest. Auch ihr Sohn hat sich für ein Studium entschieden. Jacqueline und ihre Kollegin bestätigen mir, dass seit drei Jahren keine Klasse an Florist*innen-Azubis in Berlin zustande gekommen sei. „Es ist leider auch nicht so, dass man von dem Geld drei Mal in den Urlaub fahren kann. Die Ladenmiete ist teuer und die Wasserrechnung will ich auch nicht zahlen. Wir sind hier wie ein Schwimmbad.“ Sie erzählt mir, dass es ein Problem sei, wenn die Supermärkte das Blumengeschäft immer mehr übernehmen. Von den Preisen, die Aldi und Co. zahlen, könne kein Blumenbauer leben. „Wir beziehen Blumen aus Europa und lassen nicht alles dreimal um die Welt fliegen.“ Trotz dieser Schwierigkeiten liebt Jacqueline ihren Job. „Es gibt nichts Schöneres als Blumen“, sagt sie und deutet mit einer Handbewegung auf ihre Umgebung. „Viele junge Männer und Frauen kaufen hier wöchentlich ihren Strauß fürs Büro oder für sich privat“. Die Tradition des Blumenschenkens bleibe in ihren Augen auf jeden Fall bestehen und das sollte sie ihrer Meinung nach auch.
Auch Tran Quoc Hoang hat viel zu tun. Hinter dem Tresen, in einer Ecke, sitzt sein Sohn und schaut Filme, während Tran Blumen sortiert und zusammenbindet. Er mag den Valentinstag. Sein Geschäft hat er schon entsprechend geschmückt. Vor zwei Jahren war er noch als DHL-Zusteller unterwegs und lieferte Pakete aus, bis er auf ein leerstehendes Geschäft aufmerksam wurde. Für ihn war es die Gelegenheit, seinen eigenen Blumenladen zu eröffnen, nicht zuletzt, weil es noch keinen anderen Blumenhändler in der Straße gab. Er sei ganz zufrieden mit dem Geschäft. Anfangs habe er mehr Schwierigkeiten gehabt, erzählt er. Doch dann habe er immer mehr Menschen aus der Umgebung kennengelernt, die inzwischen zu Stammkunden geworden seien. „Es hat auch viel geholfen, dass Leute mich weiterempfohlen haben“, sagt er. Mit der Zeit habe er das Vertrauen seiner Kund*innen gewonnen und er freue sich über jede Person, die bei ihm vorbeikomme. Bei der Frage, ob auch junge Menschen ihren Weg in seinen Laden finden, fängt er an zu lächeln und meint: „Ja, vor allem sonntags, nach dem Flohmarkt kommen viele vorbei.“ Er nickt eifrig, als ich ihn frage, ob er glaube, dass sich junge Menschen noch oft Blumen schenken. Tran kommt aus Vietnam und
hat keine Ausbildung zum Floristen gemacht. Er habe sich das Meiste zu Sträußen und Blumenpflege auf YouTube angeschaut und verfolge Floristik-Trends im Internet. Viel Kontakt zu anderen Blumenhändler*innen habe er nicht. Ab und zu treffe er welche auf dem Großmarkt und tausche sich mit ihnen aus.
Romantik ohne Regeln
In vielen Kulturen gelten Blumen als ein Zeichen für Fruchtbarkeit und Zartheit und werden deshalb häufig mit Weiblichkeit assoziiert. Kein Wunder, dass sie oft mit traditionellen, heteronormativen Dating-Ritualen verknüpft werden: Der Mann kauft und schenkt der Frau als Zeichen seiner Zuneigung Blumen. Die Geste wirkt fast so, als wolle er ihre Schönheit in seinem Geschenk widerspiegeln. Die Frau wird bei diesem Ritual in eine sich kümmernde Position gedrängt und tritt in die Rolle der Empfängerin und Behüterin, die sich um die zarten Schnittblumen kümmern muss.
Ein vor einiger Zeit auf Instagram viral gegangenes Video hat genau diese unausgesprochenen Geschlechterrollen aufgezeigt und zum Hinterfragen angeregt. In dem Video fragt eine junge Frau ihren Freund, was denn das männliche Äquivalent für Blumen als Geschenk sei. Dieser antwortet ihr nach kurzem Zögern und mit etwas unsicherer Stimme, dass Blumen doch toll seien und er sich eigentlich auch über einen Strauß freuen würde. Das Video zeigt auf subtile Weise, wie tief gesellschaftliche Normen in unseren Vorstellungen von Romantik und Schenkkultur verankert sind. Der Gedanke, dass auch Männer mit Blumen beschenkt werden können, scheint ungewohnt. Die Wahrnehmung, etwas sei „ein angemessenes Geschenk“, ist nicht nur das Ergebnis traditioneller Geschlechterrollen, sondern wird auch durch kommerzielle Trends verstärkt. Besonders rund um den Valentinstag dominieren standardisierte Geschenke wie Pralinen, Schmuck und Fotoalben die digitalen und analogen Schaufenster. Doch warum sollte Romantik standardisiert sein? Man könnte Romantik auch freier definieren, um sie individueller gestalten zu können. Im Mittelpunkt steht dabei der Ausdruck von Wertschätzung und Zuneigung als etwas, was nicht von gesellschaftlichen Normen oder Konsumtrends geleitet wird, sondern aus den Menschen selbst heraus entstehen kann.
Fotos: Karla Körner