Selbstbestimmungsrechte, Abtreibungsrechte und Schutz vor Anti-Gender-Politik: Die Entwicklung des Internationalen Frauentags zu einem intersektionalen queer-feministischen Kampftag und wie FLINTA*-Personen in Deutschland gegen patriarchale Unterdrückung kämpfen.

Der internationale feministische Kampftag am 8. März 2025 vereinigt auch dieses Jahr wieder weltweit FLINTA*-Personen im Widerstand gegen patriarchale Strukturen und oppressive Systeme. Angesichts der globalen Krisen und Kriegszustände, erstarkender autoritärer Regime, anhaltender geschlechtsspezifischer Gewalt und der Bedrohung hart erkämpfter Rechte für FLINTA*-Personen, ist der feministische Kampftag diesjährig wichtiger denn je. In vielen Ländern werden Abtreibungsrechte wieder eingeschränkt, Femizide nehmen zu und häusliche Gewalt vervielfacht sich. Dabei tragen auch die zunehmende Misogynie und Transmisogynie dazu bei, dass FLINTA*-Personen weltweit um ihre Selbstbestimmung und systematische Anerkennung kämpfen müssen.

Die Entwicklung des queer-intersektionalen feministischen Kampftags

„Gender is not something that one is, it is something one does, an act… a ‘doing’ rather than a ‘being’.“ Judith Butler

Was einst den Ursprung in teils sozialistischen Frauenrechtsbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts trägt, entwickelt sich heute zu einer Schnittstelle zwischen feministischer Erinnerungskultur und weltweiten zukunftsgerichteten feministischen Bewegungen von FLINTA*-Personen. Die Entwicklung des 8. März zu einer queer-intersektionalen Perspektive nahm ab den 1990er Jahren verstärkt zu. Die ersten queer-feministischen Kollektive ließen sich mitunter durch Judith Butlers Theorie Gender Trouble (von 1990) inspirieren, in welcher Butler die feministischen Theorien revolutionierte, indem they Geschlecht als sozial konstruiert und performativ definierte. Butler stellte die klassischen heteronormativen Genderkategorien, wie die „Frau“, als politische Identität in Frage. Dabei öffneten sich Denkansätze um die Fragen, wen feministische Bewegungen betreffen und inkludieren sollten und welche Körper und Identitäten von patriarchalen Strukturen ausgeschlossen werden. Die queer-feministischen Bewegungen in den 90ern trugen mit dazu bei, dass der feministische Kampftag heute überwiegend queer-inklusiv betrachtet wird.

„If feminism is not intersectional, it will be exclusionary and reinforce the very structures it claims to oppose.“ – Kimberlé Williams Crenshaw

Der Begriff „Intersektionalität“, der von der amerikanischen Feministin Kimberlé Williams Crenshaw in den späten 1980er Jahren geprägt wurde, verdeutlicht, dass sich verschiedene Diskriminierungsformen, etwa aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Sexualität, Behinderung oder sozialer Klasse, überschneiden und dadurch verstärken können. Der Begriff inkludiert marginalisierte Menschengruppen, die von verschiedenen Diskriminierungsformen betroffen sind und bildet somit die „queer-intersektionale Perspektive“ auf den feministischen Kampftag. Ein intersektionaler Feminismus erkennt dabei an, dass nicht alle FLINTA*-Personen die gleichen patriarchalen Unterdrückungen erleben und dass ein inklusiver Feminismus auch queere und anderweitig marginalisierte Identitäten aktiv mit einbeziehen sollte. Ein cis-heteronormativer Feminismus würde dabei nicht ausreichen und könnte der Repräsentation und den Herausforderungen von FLINTA*-Personen in patriarchalen Strukturen nicht gerecht werden. Für den 8. März bedeutet ein queer-feministischer und intersektionaler Feminismus, dass der Kampf um FLINTA*-Rechte die Überschneidung von Patriarchat mit Rassismus, Ableismus und anderen Machtstrukturen mit einbeziehen sollte.

Der 8. März aus globaler Sicht

Das diesjährige Motto des Kampftages betont die Schlüsselrolle von FLINTA*-Personen im feministischen Wandel. Im Mittelpunkt steht dabei die „Stärkung der nächsten Generation“ als Grundlage für nachhaltigen, intersektionalen Fortschritt. Der 30. Jahrestag der Pekinger Erklärung, die auf der vierten Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen 1995 angenommen wurde, bietet eine historische Referenz, um sowohl erzielte Fortschritte feministischer Bewegungen zu würdigen als auch auf weiter bestehende Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Themen wie reproduktive Rechte, wirtschaftliche Gleichstellung und Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt stehen dabei unter besonderem Fokus. Das Dokument von 1995 legt einen umfassenden Aktionsplan fest, um die Gleichstellung der Geschlechter in zwölf zentralen Aktionsbereichen zu fördern und wird alle fünf Jahre überarbeitet. Obwohl der ursprüngliche Beschluss von 1995 nicht explizit FLINTA*-Personen einschließt, wird er heute oft als queer-feministisch interpretiert und weiterentwickelt.

Der 8. März 2025 öffnet den Raum für weltweite Proteste und Kampfbewegungen. Wo in Lateinamerika vermehrt Massenproteste gegen Femizide und für reproduktive Rechte geplant sind, rücken bei den Protesten in Europa dieses Jahr vermehrt Themen wie der Gender Pay Gap, (unbezahlte) Care-Arbeit und der Schutz vor rechter Anti-Gender-Politik in den Mittelpunkt. In einigen Ländern Afrikas, wie beispielsweise der Côte d’Ivoire, wird der Fokus der diesjährigen Frauenrechtsbewegungen des 8. März auf dem Zugang zu Bildung und der ausgeglichenen Teilhabe von FLINTA*-Personen am Wirtschaftsmarkt liegen. 

Die intersektionalen queer-feministischen Schwerpunkte der Bewegungen in Deutschland

In Deutschland sind aufgrund der aktuellen politischen Lage einige FLINTA*-Rechte gefährdet, was viele intersektionale queer-feministische Organisationen, wie beispielsweise den LSVD+ – Verband Queere Vielfalt, dazu bringen am 8. März Widerstand zu leisten. So steht etwa das Selbstbestimmungsrecht (SBGG) auf dem Spiel, das seit dem 1. November 2024 eine vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ermöglicht – dies ohne die zuvor erforderlichen medizinischen Gutachten oder gerichtlichen Verfahren. Das Gesetz löste das veraltete Transsexuellengesetz (TSG) von 1981 ab. Seit den Bundestagswahlen steht die neue Gesetzgebung jedoch unter starkem Druck. Sowohl die CDU/CSU als auch die AfD schrieb in ihren Wahlprogrammen, dass sie das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel-Koalition wieder vollumfänglich abschaffen wolle. Der LSVD+ – Verband Queere Vielfalt fordert aufgrund dessen, dass das SBGG ohne diskriminierende Einschränkungen angewendet wird, um die Rechte von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen vollständig zu gewährleisten. Der Verband betont die Notwendigkeit, das SBGG gegen politische Angriffe zu verteidigen und schaut, wo es ausgebaut werden sollte.

Jeden zweiten Tag stirbt eine Frau durch Partnerschaftsgewalt – Bundesfamilienministerin Lisa Paus  

Die häusliche Gewalt und der Gewaltschutz für FLINTA*-Personen ist ebenfalls ein zentrales Themenfeld bei den Aufständen am 8. März. Das deutsche Gewaltschutzgesetz (GSG) hat zwar zugestimmt, FLINTA*-Personen Schutz vor häuslicher Gewalt zu bieten, allerdings wird immer wieder hervorgehoben, dass es nicht ausreichend auf die spezifischen Herausforderungen eingeht, mit denen insbesondere geflüchtete FLINTA*-Personen aufgrund von intersektionaler Diskriminierung konfrontiert sind. So setzt sich beispielsweise die Organisation Women in Exile für die Rechte von geflüchteten FLINTA*-Personen ein und fordert, dass das Gewaltschutzgesetz sowie die Umsetzung der Istanbul-Konvention so gestaltet werden, dass sie inklusiv sind und Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus oder mit spezifischen Fluchterfahrungen mitberücksichtigt werden. Sie fordern einen intersektionalen Ansatz im Gewaltschutzgesetz.

Eine weitere Basis der Forderungen bildet die ethnographische Studie zur trans- und nicht-binären Sorgearbeit, „Care trans_formieren“, von Francis Seeck. Sie beleuchtet, wie Care-Strukturen zugleich von Prekarität, klassistischen und ableistischen Ausschlüssen geprägt werden, und dass die intersektionale Betrachtung der feministischen Care-Debatte notwendig für eine inklusiver gestaltete Gesellschaft ist.

Während der Feminismus in seiner Vielfalt wächst, wird der 8. März zugleich immer häufiger kommerzialisiert. Diese Kommerzialisierung führt dazu, dass die Dringlichkeit des Tages und die feministischen Kämpfe oft in den Hintergrund rücken und die strukturellen Veränderungen – sei es im Arbeitsmarkt, in der Politik oder im Rechtssystem – durch die Vermarktung des Tages verblassen. Ein einzelner Tag reicht zwar nicht, um tief verwurzelte und systemische Ungleichheiten zu bekämpfen, jedoch kann er Diskussionen über Gleichstellung auf politischer Ebene anregen. Dieser andauernde Widerstand der FLINTA*-Personen inkludiert dabei nicht nur den Protest auf der Straße, sondern im Großteil den Widerstand im Alltag. Der 8. März ist demzufolge kein „Feiertag“, sondern ein sich immer weiter entwickelnder intersektionaler queer-feministischer Kampftag. Es ist sowohl ein Tag der Erinnerung als auch ein Tag der Hoffnung, dass der Kampf um die Gleichberechtigung inklusiv und progressiv gestaltet weitergeht.

Foto: Hannah Isabella Schlünder