Erst eine trumpige Wiederwahl und dann das Aus der Ampel. Bleibt noch die Flucht in eine einsame Holzhütte am Rande der Welt, oder nicht? Ein Kommentar.
Morgens, auf dem Weg zur Tram: Ich bin Unwissender. Ich habe mir versprochen, nach dem Aufstehen nicht sofort nachzuschauen. Kein Augenaufschlagen und Flugmodus raus. Kein Halbschlaf-Handy-Herumswipen. Nein. Ich laufe ein paar Meter und versuche an den Gesichtern abzulesen, wer gewählt wurde. Sind alle betrübter oder befreiter als sonst? Unmöglich zu sagen. Das Berliner Leben geht auf jeden Fall weiter, das Chaos und der Lärm auch. Es geht auch weiter, als ich dieser unerträglichen inneren Anspannung nachgebe und auf mein Handy schiele.
The order is rapidly fadin’…
Er ist wieder da. Plötzlich ist Wahl und die Wahl vorbei — nach so vielen Artikeln und Umfragen und Podcasts hatte ich trotzdem nicht das Gefühl, darauf vorbereitet zu sein. Ich wünschte, dieser Text wäre nur eine Zeitkapsel, über die ich in ein paar Jahren lächeln kann. Ein kurzer, intensiver Albtraum. Vielleicht überleben ja die demokratischen Hallen der USA, vielleicht wird die Ukraine weiter unterstützt, vielleicht bleibt die Nato handlungsfähig, vielleicht fällt der Klimaschutz nicht hinten runter, vielleicht, vielleicht. Vielleicht wäre die Politik eine andere, wenn sich nicht alle auf dieses „vielleicht” verlassen hätten. Fest steht: Das Ergebnis der US-Wahl ist eine weltpolitische Zäsur.
… and the first one now will later be last…
Dabei haben sich die Vereinigten Staaten lange als Leuchtturm der rechtlichen und tatsächlichen Freiheit betrachtet. Tja. Zuerst fiel wohl das Licht aus, und jetzt wird der Turm bald abgerissen. Da bleibt nicht viel vom Leuchten, wenn die greatest nation das Zepter an einen solchen Kandidaten weiterreicht — wohl eher die greatest stupidity. Dass es dafür schon frühe Anzeichen gab, lässt sich schlecht abstreiten. Ich will aber auf keinen Fall den Pessimist*innen aus meinem Umfeld zustimmen, die mir heute den ganzen Tag hinterherlaufen und mir sagen werden: “Hab ich dir doch gesagt.” Vergessen wir nicht all die Helfenden des Wahlkampfes, die sich auf demokratischer Seite engagiert haben. Vergessen wir nicht unsere eigene Mini-Handlungsfähigkeit. Vergessen wir nicht, dass Geschichte gemacht und nicht diktiert wird.
… for the times, they are a-changin‘
Was gilt für uns als Studis? Dafür dankbar zu sein, wie gut es uns geht. Schön, dass wir in Berlin sitzen und nicht in Kiew, wo der Wahlausgang unmittelbare Folgen für Staatsgewalt und Staatsgebiet haben wird. Gut, dass die politische Shit-Show in Deutschland nüchterner ausfällt. Respekt für dich, mit diesem Slogan wäre Trump in den USA nicht in das höchste Amt gekommen. Olaf Scholz hierzulande schon, wobei…
… ich da wieder schlafen gehen will, als das nächste Drama schon auf der Bühne steht: Die Ampel-Koalition hält nicht länger, und schon ist da die Frage nach Neuwahlen — nach dem Aus nicht mehr ob, sondern wann. Trotz weltpolitischer Finsternis dämmert da schon ein nächster parteipolitischer Streit. Nicht(s) für mich! Bevor ich viel zu viel lese, schnell wieder den Flugmodus rein. Durchatmen, Licht aus, hinlegen, Augen zu. Genau in der Reihenfolge. Schlafen kann ich trotzdem nicht. Aber damit bin ich wohl nicht alleine. —
Foto: Donald Trump speaking at CPAC 2011 in Washington, D.C. / fotografiert von Gage Skidmore / grafische Bearbeitung mit Pixabay-Elementen von Justin Geiger / CC BY-SA 2.0