Bereits vor zwei Jahren lief die dänische Vorlage mit gleichem Titel auf dem in mehreren deutschen Städten stattfindenen Fantasy Filmfest. Dieses Jahr eröffnet die amerikanische Version von „Speak No Evil” das Festival – das Remake von Regisseur James Watkins ist zwar nicht gut… aber spaßig.
Prämisse: Im Italien-Urlaub entfaltet sich eine Paar-Freundschaft zwischen dem draufgängerischen Paddy (James McAvoy), seiner auffallend jungen Frau Ciara (Aisling Franciosi) und den angepassten und harmoniebedachten Louise (Mackenzie Davis) und Ben Dalton (Scoot McNairy). Die Kinder verstehen sich, der Wein fließt und die Sonne scheint; besser wird es nicht. Um dem grauen London nach ihrer Rückkehr zu entfliehen und etwas Schwung in ihr Leben zu bringen, entschließen sich Ben und Louise, der Einladung nachzukommen, das nette Paar in ihrem abgeschotteten Haus zu besuchen. Doch je länger sie bleiben, desto seltsamer wird es…
Das Fantasy Filmfest unterstützt und zeigt eine Auswahl an kleinen und großen internationalen SciFi-, Horror- und Thriller-Starts des nächsten Jahres – mittlerweile schon in der 38. Auflage. Bei der Eröffnung spielten sie den am 19. September in den deutschen Kinos erscheinenden „Speak No Evil“. Machen wir uns nichts vor: Es ist kein besonders guter Film – ein psychologischer Horrorthriller, der ein Klischee nach dem anderen tot reitet und genau eine interessante Idee hat, die er dann auch noch seinem dänischen Original entwendet hat. Also wozu der ganze Spaß?
Zunächst muss das Offensichtliche hervorgehoben werden: James McAvoy scheint für die Rolle als Psycho-Paddy, den Familienvater und Hobby-Serienmörder, geboren zu sein. Wie flach unter der Oberfläche sein Wahnsinn lauert, der durch seine Augen und sein flackerndes Lächeln auszubrechen scheint, ist faszinierend anzusehen. In „Split” und „Glass” von Filmemacher M. Night Shyamalan konnte er das bereits beweisen. Fun Fact: McAvoy soll sich in seiner Performance an Kickboxer und Frauenfeind Andrew Tate orientiert haben, wie er dem „Empire” sagte. Diese aalige, schneidige Art passt wirklich ausgezeichnet. Man wünscht sich fast, der Film hätte zugelassen, dass er noch weiter aufdreht.
Aber damit kommen wir schon zu einem der größten Probleme: Es wird immer wieder sehr klar gemacht, dass die Daltons im Grunde selbst Schuld sind, an der Misere, in der sie sich in den letzten 20 Minuten wiederfinden. Wenn sie sich endlich mal wehren würden und einfach mal durchgreifen könnten, wäre das alles vorbei. Aber gleichzeitig gibt es, außer etwas unangenehmen Situationen, keinen wirklichen Anlass, abzufahren. Klar, sind Paddy und Ciara irgendwie „weird“, aber das bedeutet in 99 Prozent der Fälle nicht, dass man in Lebensgefahr schwebt, oder? Der Film hätte an beiden Seiten etwas aufdrehen sollen, um diesen moralischen Zeigefinger zu rechtfertigen. Mehr „People Pleasing” und mehr Thriller, bitte!
Wer also nach einem Horror-Schmankerl sucht, das zusätzlich zum Nachdenken anregt oder im Gedächtnis bleibt, ist hier an der falschen Adresse. Aber: Wer das Glück hatte und in den nächsten Tagen haben wird, auf dem 38. Fantasy Filmfest zu sein, wird trotzdessen einen fantastischen Abend gehabt haben. Denn: Wann kann man schon klatschen und johlen im Kino? Wann kann man schon so gemeinsam lachen und so gemeinsam vor „Cringe” verzweifeln? Ein filmliebendes und motiviertes Publikum macht aus jedem noch so flachen Filmerlebnis einen unvergesslichen Abend.
Bild: Universal Pictures