Mit der Neuwahl des Präsidiums und der Referate hatte das 32. StuPa bei seiner konstituierenden Sitzung eigentlich schon alle Hände voll zu tun. Dazu kommen unvermittelt Antisemitismusvorwürfe gegen den RefRat – aus den eigenen Reihen.

Zur konstituierenden Sitzung des 32. Studierendenparlaments am 11. November wurde ausnahmsweise im Senatssaal getagt. Auf die Wahl des neuen Präsidiums und der Referate durfte trotzdem nur auf dem Flur angestoßen werden – zu viele Rotweinflecken waren in der Vergangenheit schon auf den Sitzpolstern gelandet. Ohnehin verlief die Sitzung nicht mehr besonders feierlich, als während der Abstimmung für die Referate ein Schreiben mit dem Titel „Finanzrefrat tritt wegen Antisemitismus im RefRat zurück“ durch die Reihen wanderte.

Das neu gewählte Präsidium, bestehend aus Mitgliedern der Linken Liste (Benni, Sanni), Grünboldt (Lili, Dario) und der Offenen Liste kritischer Studis OLKS (Alena), traf der Rücktritt unvorbereitet. Der RefRat habe dazu beigetragen, dass jüdische Studierende sich an der HU nicht mehr sicher fühlen, heißt es in dem Statement des Finanzreferats. Er arbeite mit Gruppen zusammen, die den Terrorangriff der Hamas glorifizieren, erlaube keinen Raum für antisemitismuskritische Veranstaltungen und habe Einstellungsgespräche mit Bewerber*innen auf eine Beratungsstelle für Antisemitismus abgesagt. „Der Referent*innenRat hat ein massives Antisemitismusproblem und das liegt nicht nur an Einzelpersonen, sondern ist in der Struktur inzwischen gefestigt“, schreibt das nun ehemalige Finanzreferat in einem ausführlichen Schreiben, das online veröffentlicht wurde.

„Diese Zustände sind nicht tragbar“

Aus den Reihen der JuSos gab es Beistand. „Es ist offenkundig, dass das hier kein sicherer Ort ist für Jüdinnen und Juden!“, rügte Thekla. „Schämt euch!“ Ihr Nachredner Ludger forderte eine strukturelle Aufarbeitung der letzten Jahre: „Diese Zustände sind nicht tragbar für mich.“ Von Bengt (LiLi) wurde der RefRat hingegen verteidigt: Den Vorwurf, dass einige Referent*innen an der Besetzung des ISW im Mai beteiligt waren, dementierte er.

Auch der neu gewählte Sprecher des RefRats Eske (Grünboldt) bezog Stellung zu den Vorwürfen. Die Bewerbungsgespräche für die Beratungsstelle würden in den nächsten Tagen stattfinden, erklärte er. Zu der Verzögerung kam es, weil das Finanzreferat sich nicht wie sonst im Plenum mit dem RefRat abgesprochen und stattdessen das Verfahren selbst in die Hand genommen habe. Erst kurz vor Beginn der Gespräche hätte man kommuniziert, wer überhaupt zur Einstellungskommission gehört. Zu diesem Zeitpunkt habe man „keinen anderen Weg gesehen, als die Bewerbungsgespräche zu verschieben und unter Einbeziehung des gesamten RefRats nochmal neu zu terminieren“, heißt es in einem Statement, das einige Tage nach der Sitzung veröffentlicht wurde. Die Bewerber*innen seien die gleichen geblieben, für die Verschiebung bat der RefRat um Verzeihung. Die öffentliche Austragung des internen Konflikts bedauerte Eske: „Das ist ein Armutszeugnis für diese Struktur.“

Das Finanzreferat hätte an diesem Abend eigentlich neu besetzt werden sollen. Gemeldet hatte sich für die Position niemand. Dafür wurde der Großteil der restlichen Referate zwischen wortreichen und emotionalen Dankesreden und Verabschiedungen neu gewählt. Der Haushaltsausschuss ging per Losverfahren an die Listen ewig und 3Tage (eu3T), Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und (voraussichtlich) Zeit für gute Uni (ZfgU).

Nextbike: Weniger Fahrzeit, weniger Kosten

Fast genauso ausschweifend diskutiert wurde der Vertrag mit Nextbike. Das Angebot hat bereits viele Studierende angesprochen: rund 7000 haben sich schon über die HU registriert, allein im Sommersemester wurden über 200.000 Fahrten unternommen. Es sei das „meistgenutzte Angebot, das die Studierendenschaft für Studierende geschaffen hat“, so RefRat-Sprecher Eske. Bis Ende November läuft der Vertrag noch unter den aktuellen Konditionen weiter, für den Zeitraum ab Dezember wurde ein neues Angebot ausgehandelt: Nextbike geht mit dem Preis runter auf einen Euro pro Student*in. Runter geht aber auch das Zeitlimit für die kostenlose Ausleihe von 60 auf 30 Minuten. Länger als eine halbe Stunde würden die Fahrräder jedoch ohnehin selten ausgeliehen.

Das Angebot kam nicht beim gesamten StuPa gut an. Immerhin sei jedes fünfte Fahrrad defekt, das Angebot sei nicht barrierefrei und werde von deutlich weniger Studis genutzt als das Semesterticket, kritisiert Vincent (eu3T), Bedenken gab es auch vonseiten der LiLi. Die Einwände trafen jedoch auf wenig Zustimmung, barrierefrei sei immerhin auch der ÖPNV an vielen Stellen nicht, hielt Aeri (LiLi) dagegen. Und auch Radfahren könne Barrieren abbauen, wenn es etwa um sexuelle Belästigung in der Bahn, Viren oder Klaustrophobie gehe. Der Antrag zur Weiterführung wurde angenommen – mit nur einer einzigen Gegenstimme.

Mehr Geschlechtergerechtigkeit im StuPa

Auch die Geschäftsordnung des StuPa wurde auf Antrag des Ex-Präsidiums ergänzt. Beim letzten Versuch scheiterte die Änderung an der Zweidrittelmehrheit, dieses Mal fanden sich ausreichend Stimmen, um unter anderem das Rederecht auf Antrag für nicht-Student*innen auf den Weg zu bringen und den vorzeitigen Abbruch von kontroversen Sitzungen vorzubeugen.

Angenommen wurde auch ein Antrag von Grünboldt zur Balancierung der Redeliste im StuPa sowie ein Antrag zur Änderung der Wahlordnung der Studierendenschaft, die seit 2007 kaum aktualisiert wurde. Die Änderungen sehen unter anderem vor, dass Wahlvorschläge für die StuPa-Wahl mindestens zu einem Drittel FLINTA beinhalten, Trans*-Personen bei der Namensverwendung gleichgestellt werden, geschlechtergerechte Sprache verwendet wird und FSR-Wahlen künftig vom studentischen Wahlvorstand betreut werden.

Übrig blieb in der Tagesordnung nur die Forderung von Grünboldt und LiLi nach einer Eichhörnchen-Kolonie im Innenhof des Hauptgebäudes. Nach dreieinhalb Stunden Debatte und der ersten Mahnung vom Wachschutz, das Gebäude zu verlassen, schien aber auch darüber niemand mehr reden zu wollen. Der Punkt wurde zurückgezogen, die Eichhörnchen müssen wohl noch eine Weile warten.