Höhere Sätze, mehr Flexibilität und weniger Bürokratie: Zum 01.08.2024 ist die BAföG-Reform der Ampel-Koalition in Kraft getreten. Kritiker sehen in dem Ergebnis trotz der Verbesserungen eine Verkennung der Lebensrealität von Studierenden.
Das 29. BAföG-Änderungsgesetz ist nach monatelangen Verhandlungen offiziell in Kraft getreten. Es zielt darauf ab, den Zugang zur Studienfinanzierung zu erleichtern und die finanzielle Unterstützung für Studierende zu verbessern, sowie an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen. Konkret soll dies vor allem durch höhere Fördersätze geschehen: So wurden die Bedarfssätze um 5,5 Prozent erhöht und die Wohnkostenpauschale von 360 auf 380 Euro angehoben. Insgesamt liegt der Förderungshöchstbetrag nun bei 992 Euro. Daneben wurde eine Studienstarthilfe eingeführt, die bei der Bewerkstelligung von finanziell aufwendigen Anschaffungen zu Beginn des Studiums helfen soll. Studierende aus einkommensschwachen Haushalten erhalten einmalig einen Zuschuss von 1000 Euro. Dieser muss nicht zurückgezahlt werden und kann unabhängig von einem späteren BAföG-Bezug beantragt werden.
Abbau von Bürokratie und mehr Flexibilität
Neben den materiellen Änderungen soll die Reform Bezieher*innen mehr Flexibilität im Studium ermöglichen und dem Abbau bürokratischer Hürden dienen. Es ist nun länger möglich, aus wichtigem Grund, wie beispielsweise einer mangelnden intellektuellen Eignung oder einem Neigungswechsel, den Studiengang zu wechseln, ohne deshalb die Förderung zu verlieren. Durch das „Flexibilitätssemester“ hat sich die Förderungsdauer außerdem insgesamt verlängert. Der Beantragungsprozess soll durch die App „BAföG Digital”, über die sämtliche Formulare eingereicht werden können, erleichtert und bürokratisch entschlackt werden. Außerdem soll die Reform durch Erhöhung der sogenannten Freibeträge dazu führen, dass mehr Studierende von der Förderung profitieren. Eine Erhöhung der Freibeträge bedeutet, dass die Bezieher*innen sowie deren Eltern nun mehr verdienen dürfen, ohne aus der Förderung zu fallen.
„Ich kann mich gerade so über Wasser halten“ – Die Realität von BAföG-Bezieher*innen
Wie notwendig eine Reform des BAföGs war, verdeutlichen die Missstände und Hürden, mit denen Lena (21, Name geändert), die letzten Jahre zu kämpfen hatte. Lena studiert in Berlin und bezieht seit dem Sommersemester 2022 BAföG. Trotz der Förderung arbeitet sie nebenbei, um Miete, Heizung und Einkäufe bezahlen zu können. Es sei dennoch jeden Monat ein Kampf, über die Runden zu kommen. „Die Doppelbelastung aus Arbeit und Studium führt zu enormen Stress, insbesondere in der Klausurenphase“, konstatiert sie. Auch habe sie das Gefühl, nicht ihr volles Potenzial im Studium ausschöpfen zu können: „Wenn man erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt, ist es schwer, noch dreißig Texte für die nächste Vorlesung zu lesen.“ Eine mentale Bürde sei außerdem der enorme Leistungsdruck, der dadurch entstehe, dass die Förderung entfalle, wenn bestimmte Leistungspunkte nicht erbracht werden. Strapaziös sei auch der Beantragungsprozess, der (bisher) jedes Mal mit vielen Formalitäten und einem hohen zeitlichen Aufwand gleichzusetzen sei. Im Prozess habe sie manchmal das Gefühl, wie eine Kriminelle behandelt zu werden. „Ich verstehe nicht, warum ich immer wieder nach Angaben zu meinem Vater gefragt werde, er gilt seit Jahren als vermisst“, erklärt Lena. Die Fragerei sei nicht schön und führe dazu, dass alte Wunden immer wieder neu aufgerissen werden. Insgesamt sei der Beantragungsprozess der größte Stressfaktor im Studium. Sie hoffe, dass insbesondere dieser durch die Reform real optimiert werde.
Genügen die Verbesserungen?
Fraglich ist, wie wirksam die Veränderungen im Angesicht der deutlich angestiegenen Lebenshaltungskosten sind und ob sie dem eigentlichen Zweck des BAföGs, Chancengleichheit herzustellen, gerecht werden. Während dies von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) unter Verweis auf die mehrfache Anpassung der Förderung in den letzten Jahren bejaht wird, äußern sich Studierendenvertreter sowie Gewerkschaftler skeptisch. Laut dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Studierendenwerkes, Matthias Anbuhl, ist die Erhöhung des Wohngelds zwar begrüßenswert, für das Wohnen in einer deutschen Großstadt wie München oder Berlin in der Höhe aber kaum ausreichend. Darüber hinaus seien immer noch deutlich zu wenige Schritte des Prozesses digitalisiert. Christian Schaft (Die Linke) spricht gar davon, dass die Reform an der Lebensrealität der Studierenden vorbeigehe und aufgrund der Preissteigerungen der letzten Jahre nicht einmal ausreiche, um das Existenzminimum zu garantieren.
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