Eine zynische Liebeskomödie zwischen zwei älteren Menschen im Gazastreifen? So ungewöhnlich, dass eine solche Geschichte wahrscheinlich fehlschlagen würde. Und doch überzeugt. Aktuell in den Kinos zu sehen.

Filme aus Palästina und besonders aus dem Gazastreifen sind rar. Jahrzehnte des Krieges bringen zahlreiche politische und soziale Probleme mit sich, die oft keinen Raum für Kunst lassen. Größtes Problem sind dabei natürlich die fehlenden finanziellen und technischen Mittel. So müssen Regisseur*innen oft auf ausländische Unterstützung hoffen, wie auch die Zwillingsbrüder Arab und Tarzan Nasser, die Kooperationen mit Frankreich, Deutschland und Portugal hatten, um den Film Gaza mon Amour zu realisieren.

Dieser kann sich sehen lassen: Begeistertes Publikum bei der Premiere 2020 bei den Filmfestspielen in Venedig und später auch in Toronto. Und nun endlich auch in den deutschen Kinos. Interessant auch deswegen, da es sich nicht um ein Kriegsdrama oder eine persönliche Leidensgeschichte handelt, wie man vielleicht erwarten könnte. Sondern eine Alltagsgeschichte um der Welt zu zeigen, wie es sich in Gaza lebt.

Für einen arabischen Film ist Sexualität sehr präsent

Der 60-jährige Issa führt ein einsames Leben als Fischer im Hafen von Gaza und ist heimlich in die Witwe Siham verliebt, die als Schneiderin arbeitet. Bei einer illegalen Nacht-und-Nebel-Aktion fischt er in verbotenen Gewässern eine antike Statue aus dem Wasser, die eine Besonderheit aufweist: Sie hat einen obszön großen Penis. Kurzerhand nimmt er die Statur mit nach Hause und versteckt sie in seinem Schrank, wo ihm der Penis durch einen Unfall abbricht.

Überraschend für einen arabischen Film ist Sexualität sehr präsent und wird offen oder auch versteckt diskutiert. Die Regisseure selbst sagen, der abgebrochene Penis sei eine Metapher dafür, dass Liebe und Sex dort unterdrückte Fantasien bleiben. Die Statue bringt Issa jedenfalls eine Menge Probleme ein, da sie von der Sittenpolizei konfisziert wird und er selbst kurzzeitig im Gefängnis landet. Und dann ist da auch noch seine Schwester, die ihn endlich verheiraten will, aber nicht weiß, dass er schon eine Auserwählte hat.

Die älteren Herrschaften beim subtilen Flirten zu beobachten ist unterhaltsamer als gedacht und Meilen weit weg vom ZDF und Rosamunde Pilcher. Auch die Einblicke in den arabischen Alltag sind wertvoll – war das Kino doch immer gut geeignet für das Lernen von anderen Kulturen: Jemand betet während im Fernsehen eine Telenovela läuft, Frauen beim Kaffeeklatsch, ein Markttag im Regen.

Ein Film zwischen schwarzer Komödie und melancholischem Realismus

Es macht Spaß die Irrungen und Wirrungen der einzelnen Figuren mitzuerleben, tonal bewegt sich der Film zwischen schwarzer Komödie und melancholischem Realismus. Es gibt einige dramatische Momente, doch der Film driftet nicht in ein Melodram über.

Die politische Situation und beinahe tägliche Gefahr, die das Leben in Gaza prägt, sind nur selten zu sehen. Eher werden die Zuschauer*innen mit dem Anblick von zerstörten Häusern dezent an den Handlungsort erinnert. Manchmal platzt auch ein lauter Schuss in die Szene, der die Charaktere kurz aufschrecken lässt, dann gehen sie jedoch weiter ihren Tätigkeiten nach. Normalität in Gaza. Auch die Flucht nach Europa wird thematisiert und offenbart einen Generationenkonflikt: Die Jungen wollen gehen, die Alten bleiben. Das Land aufbauen oder sich selbst in Sicherheit bringen? Es gibt keine einfachen Antworten auf alle diese Fragen.

Deshalb sind Filme wie Gaza mon Amour so wichtig für das globale Kino. Sie zeigen, auch wir haben das Recht auf Leichtigkeit. Gerade wir, die so viel Leid erfahren, möchten im Kino für zwei Stunden unsere Probleme vergessen. Und so viel sei gesagt: In dieser Fantasie gibt es ein Happy End.


Gaza mon Amour

Regie: Arab Nasser und Tarzan Nasser

2020, 90 Minuten

Seit dem 22. Juli im Kino

Foto: © Alamode Film