Australischer ‘Western’ verhandelt Perspektiven von Aborigines und weißen Siedlern mit viel Gewalt und Emotionen. Die schwierige Thematik wird zum Spiel um Loyalität zwischen komplexen Protagonisten.
Aborigine-Gesang erklingt als ein Berg umgeben von tropischen Wald aus dem Nebel auftaucht. Ein Stammesdorf nahe eines Flusses wird sichtbar. Plötzlich ein Schuss, dann mehrere. Die Idylle wird gewaltvoll zerstört als weiße Missionare auftauchen und sich durch einen versehentlich ausgelösten Schuss bemerkbar machen. Aus dem Versehen wird ein Massaker, dem alle Dorfbewohner außer ein Junge zum Opfer fallen. Dieser wird verängstigt von einem weißen Mann mit in deren Camp genommen.
12 Jahre später, im Jahr 1929 im Norden Australiens versucht die Kolonialmacht des Vereinigten Königreichs noch immer die Einheimischen auszulöschen oder zum christlichen Glauben bekehren. Eine solche Mission zur Landerschließung hat ihr Lager aufgebaut mit einer mickrigen Kirche aus Stöckern und Aborigines in englischen Kleidern, die dort leben müssen. Wir treffen, den nun erwachsenen einst geretteten Jungen, Gutjuk (Jacob Nayinggul) wieder, der sich mit beiden Welten arrangieren muss. Hier trifft er erneut auf Travis (Simon Baker), der einst das Massaker verhindern wollte und den Jungen rettete. Travis stellt sich gegen seine Vorgesetzten und möchte weiteres Blutvergießen verhindern. Dennoch ist er ein Komplize in einer perfiden rassistischen Strategie.
Travis quittierte nach dem Massaker vor 12 Jahren den Dienst, wurde nun jedoch als Kopfgeldjäger wieder angeheuert. Ziel ist der Aborigine-Krieger Baywarra (Sean Mununggur), der in letzter Zeit englische Siedlungen angreift und verwüstet. Sein Neffe Gutjuk soll als Schlichter zwischen beiden Fronten dienen, seine Loyalität gilt jedoch vorrangig noch seinem Stamm. Gutjuk und Travis durchqueren gemeinsam das Land, beide mit dem Ziel Gewalt zu verhindern, gleichzeitig jedoch zu allem bereit.
Spiel der Loyalität
Travis, der Scharfschütze, bringt Gutjuk auf einem felsigen Plateau das Schießen bei und erläutert: „When you get the High Ground, you control everything.” – ein Satz den Gutjuk später selbst an jemand weitergeben wird und der sinnbildlich für das Ringen um Kontrolle beider Seiten steht. Die Siedler sind überzeugt, dass sie mit ihrer Technik überlegen seien, also den High Ground haben. Jedoch haben die Aborigines eine so tiefe Kenntnis ihrer Umwelt, dass dies ihre wahre Überlegenheit in diesem unmöglichen Kampf ist.
Da die Vorgesetzten Travis und Gutjuk nicht trauen, nicht doch zur anderen Seite überzulaufen oder zu desertieren, schicken sie ihnen weitere Männer hinterher und die Situation droht zum Ende des Films gefährlich zu eskalieren.
Ambivalente Beziehungen
Solch ein sensibles Thema würdevoll darzustellen und dabei auch noch einen Unterhaltungsanspruch für ein eher breiteres Publikum zu schaffen ist eine schwierige Aufgabe, die High Ground jedoch größtenteils meistert. Zwar ist das Narrativ nicht problemfrei, aber Travis wird nicht als ein white savior dargestellt, und er und Gutjuk sind kein Team aus einer buddy comedy. Vielmehr gibt es ein ständigen Wechsel von Zutrauen und Misstrauen, welches sich auch auf das Publikum überträgt. Diese Wechselseitigkeit ist näher am echten Leben als eine ständige Verbundenheit.
High Ground überzeugt auf technischer Seite mit visueller Fülle, die aus der beeindruckenden australischen Natur zehrt. Die Kamera fängt paradiesische, aber auch karge Landschaften ein und zeigt immer wieder Nahaufnahmen der tierischen Bevölkerung, seien es Insekten oder Kängurus. Generell ist die Kameraführung sehr fluid und hält die Zuschauenden mit vielen close-ups von Gesichtern nah am Geschehen.
Komplexe indigene Charaktere
Auch wenn in High Ground eindeutig männliche Charaktere dominieren, sind es die weiblichen Charaktere, besonders eine Aborigine-Frau, die einen besonders starken Eindruck hinterlassen. Sie ist eine Kriegerin, die die Sanftheit mancher Männer verurteilt und nicht zögert ihr Land zu verteidigen. Als sie beinahe von zwei weißen Männern vergewaltigt wird, ist ihre Rache brutal und konsequent. Sie ist eine Art von indigener Frau, die nur sehr selten auf der Leinwand gezeigt wird.
Auf Szenen von gewalttätiger Realität, folgen absurd wirkende Szenen, wie beispielsweise eine koloniale Fotografie erstellt wird. Der Kolonialherr gekleidet in weißer Uniform und um ihn herum platziert Aborigines in ihrer traditionellen Kleidung. Dieser Film kann immer nur einen Teil kolonialer Geschichte in Australien zeigen, er verdeutlicht diesen einen Kampf und ist keine umfassende Chronik der Unterdrückung.
High Ground ist ein starker, schockierender Film der mit sehr guten schauspielerischen Leistungen von Simon Baker und Jacob Nayinggul sowie einer wunderbaren Visualität glänzt. Ein Film, der uns an das andere Ende der Welt transportiert und vor Augen führt, dass die dortige Vergangenheit noch bis in die Gegenwart nachwirkt.
Regie: Stephen Maxwell Johnson
Produktionsland: Australien
Filmlänge: 104min
(Fotos: © Sarah Enticknap/High Ground Picture)