Das C/O Berlin versammelt in der Ausstellung Love einen umfangreichen Nachlass des chinesischen Künstlers Reng Hang. Die provokanten, surreal, aber auch träumerischen Fotografien erzählen von einer Rebellion gegen das chinesische Regime.

Eine entblößte asiatische Frau schaut direkt in die Kamera des Betrachters. Sie hält zwei Beine mit ihren beiden Händen, die ohne viel Erklärung und etwas surreal unten aus dem Boden kommen und sich mit ihren Beinen zusammenkreuzen. Der Hintergrund ist weiß und bietet einen großen Kontrast zu den schwarzen Haaren, Schamhaaren und den knallroten Lippen. Das Merkwürdige bei der Arbeit: Es ist ein Aktbild, das viel Haut zeigt und trotzdem viel Raum zur Vorstellungskraft lässt.

Die Aufnahme kommt bis zu dem Punkt der Grenzüberschreitung, spielt damit und lässt einen Raum zu einem Dialog offen, aus dem eher ein poetisches Bild entsteht. In der großen Galerie sind an roten, blauen und grauen Wänden mehrere Fotos von Menschen, die meistens ohne Klamotten miteinander in besonderen Stellungen interagieren. Handelt es sich um ein politisches Statement? Oder gibt es vielleicht eine Erzählung, in der dieses abstrakte körperliche Arrangement erklärt wird?

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Untitled 2012 © Ren Hang, Courtesy Estate of Ren Hang and Stieglitz, 19 Antwerpen

Die Bedeutung der menschlichen Beziehungen, die Kunst- und Fotogeschichte, sowie eine aufklärerische Einstellung zur Sexualität sind zentrale Themen in der Ausstellung des C/O Berlin. Love zeigt einen großen Teil der Arbeiten des 2017 verstorbenen Künstlers Ren Hang, der sich in seinen Werken mit der Körperlichkeit auseinandersetzte.

Aufgrund seiner künstlerischen Arbeit stand Ren Hang unter Beobachtung von der chinesischen Regierung. Seine Ausstellungen wurden kurz nach ihrer Eröffnung geschlossen und es war nicht leicht, jemanden zu finden, der seine Fotos drucken wollte. Die Regierung warf ihm Pornographie vor. Um weniger Aufmerksamkeit von der Regierung auf sich zu ziehen, begann er sich als Fotograf und nicht als Künstler zu bezeichnen. Laut ihm war das Künstler-Dasein etwas, das die Behörden mit Provokation assoziierten und unerwünscht war.

I usually shoot my friends, because strangers make me nervous

Zum Medium der Fotografie kam er während seines Marketing Studiums, um die Langeweile zu kämpfen. Die Personen auf den Fotos sind fast immer Freunde, die für ihn Modell standen. Der dazu anknüpfende Satz: „I usually shoot my friends, because strangers make me nervous” steht an einer der Wänden von C/O Berlin geschrieben. Einige seiner Bilder spielen mit der Täuschung und lassen auf den ersten Blick nicht direkt erkennen, was überhaupt zu sehen ist. Körperteile, Tiere, Natur und Licht verbinden sich zu einer ästhetischen Komposition. Es ist eine gegenwärtige Sprache, die aber auch eine direkte ikonographische Verbindung mit Werken der Kunstgeschichte hat, wie die Darstellung von der sterbenden Ophelia im Blumenteich und die griechischen Königstochter Leda mit dem Schwan.

Die Ausstellung erschöpft sich nicht darin nur Hang fotografisches Corpus zu betonen, sondern bietet auch einen Einblick in seine Lyrik. Die Gedichte begleiten die Bilder der Ausstellung und laden sie mit verschiedenen Assoziationen auf:

The party will end. The girl will grow old. We will wake up. To bury our youth

Die Gedichte zeigen einen Menschen, der eine tiefe und nachdenkliche Auseinandersetzung mit Verlust, Einsamkeit und Liebe hatte. Bedenkt man, dass Ren Hangs fotografische Arbeit in einer relativ kurzen kreativen Schaffensphase entstanden ist (2008-2017), und dass dies erst die zweite Ausstellung in Deutschland seit dem tragischen Tod des Künstler ist, lohnt es sich auf jeden Fall einen Besuch bei C/O Berlin zu planen, um sich von diesem kreativen Blick erstaunen zu lassen.

Die Ausstellung Love von Ren Hang ist noch bis zum 29.02.2020 im C/O Berlin zu sehen.