Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron gilt als pro-europäisch eingestellter Hoffnungsträger. Das Forum Constitutionis Europae der Humboldt-Universität bot Interessierten die Möglichkeit, sich seine Vorschläge für die Zukunft Europas anzuhören. Daneben lieferten Daniel Cohn-Bendit und Wolfgang Merkel im Rahmen der Veranstaltung „How to save Europe“ weitere Ideen.

Wirtschaftskrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise und der zunehmende Erfolg rechtspopulistischer Parteien – um die EU scheint es nicht gut bestellt zu sein. Umso interessanter ist es, dass gerade jener französische Präsidentschaftskandidat große Chancen auf den Einzug in den Élysée-Palast besitzt, der die europäische Integration zu einem seiner zentralen Wahlkampfthemen gemacht hat. Der ehemalige Wirtschaftsminister unter der sozialistischen Regierung Hollandes, Emmanuel Macron,  tritt nun als unabhängiger Kandidat bei der Präsidentschaftswahl an. Im Januar hielt er an der Humboldt-Universität eine Rede zum Thema „The Franco-German relation and the future of the European Union“. Daneben organisierte der Berliner Ableger von Macrons Bewegung „En Marche“ im Februar eine Veranstaltung an der HU, im Rahmen derer der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament Daniel Cohn-Bendit und der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel über Probleme und Zukunftsperspektiven der EU debattierten. Moderiert wurde die Diskussion von Thomas Lehmann, HU-Student und Leiter der Berliner Jugendorganisation von „En Marche“.

„Europe is out of date“, so beschreibt Emmanuel Macron den derzeitigen Zustand der Europäischen Union. Die vergangenen Jahre seien ein verlorenes Jahrzehnt für Europa gewesen. Seit dem Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrags fehle vielen eine positive Vision für Europa. Zudem seien das Vertrauen und die Solidarität unter den Mitgliedsstaaten beschädigt.

Wolfgang Merkel sieht einen Konflikt zwischen den höher gebildeten, besser verdienenden und progressive Werte vertretenden „cosmopolitans“ sowie den sozial weniger gut gestellten und auf eine gemeinsame Kultur Wert legenden „communitarians“. Letztere seien die Zielgruppe rechtspopulistischer Bewegungen.

Um die EU aus der Krise zu führen, benötigt sie in den Augen Macrons vor allem zwei Dinge: mehr Souveränität und mehr Demokratie.

Unter Souveränität versteht er eine Ausweitung der Kompetenzen der EU in Form gestärkter Behörden und vertiefter Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander. Auch Cohn-Bendit schlägt eine Ausweitung der Befugnisse und damit  eine Schwächung der nationalstaatlichen Macht vor. Beinahe mechanisch immer neue Kompetenzen zu fordern, könne aber auch nach hinten losgehen, argumentiert Merkel. Erweiterte Zuständigkeiten gingen einher mit einer Schwächung der Demokratie.

In Bezug auf seine Forderung nach mehr Demokratie schwebt Macron die Idee von „democratic conventions“ vor, im Rahmen derer die Unionsbürger*innen über die Zukunft Europas debattieren. Die so gefundenen Reformvorschläge sollen anschließend in allen EU-Staaten den Einwohner*innen zur Abstimmung vorgelegt werden. Merkel warnt jedoch davor, dass dieses Experiment auch Gefahren mit sich bringe und die Gesellschaft durch Referenden polarisiert werden könne. Seiner Meinung nach müssten gesellschaftliche Bewegungen die Menschen wieder für das Projekt EU gewinnen. Die pro-europäisch eingestellten „cosmopolitans“ sollten den weniger Privilegierten zuhören und Argumente nicht vorschnell mithilfe moralischer Rechtfertigungen aus dem Diskurs ausschließen. Schließlich schlägt  Cohn-Bendit vor, die länderweise getrennte Wahl der EU-Abgeordneten durch länderübergreifende Listen zu ersetzen.

Bei allen Differenzen besteht unter den Dreien jedoch in einem Punkt Einigkeit: Ohne die Europäische Union sei nicht auszukommen und die Lösung der derzeitigen gesellschaftlichen Probleme erfordere eine europäische Zusammenarbeit. Emmanuel Macron richtet einen Appell an die junge Generation: Der Einsatz für eine starke EU sei jetzt erforderlicher denn je.