Betrug in der Ehe. Ein homosexuelles Geheimdienstlerpaar auf der Jagd nach einer psychotischen Mutter. Die körperliche und seelische Erfüllung in Form eines Tentakelmonsters, welches in einem verrotteten Kreuzberger Appartement herangezüchtet wird. Das alles ist Possession“. 

Der polnische Regisseur Andrzej Żuławski erzählt Geschichten wie kein Zweiter. Seine Charaktere sind stetig rastlos: es wird viel geschrien, geheult, abstrakt philosophiert und dabei pathetisch gestikuliert. Er treibt seine Schauspieler*innen zu derart übertrieben theatralischen Performances an, dass man sich nach jedem seiner Werke wie durch den Fleischwolf gedreht fühlt. Sie erschöpfen, und oftmals braucht es mehr als eine Sichtung, um auch nur ansatzweise zu verstehen, was man sich da eigentlich gerade angeschaut hat. 

Anfang dieses Jahres haben mehrere Kinos in ganz Deutschland sein wohl bekanntestes, und zugänglichstes, Werk „Possession“ wiederaufgeführt. Anlass ist eine 4K-Restaurierung sowie eine erstmalige deutsche Vertonung. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass „Possession“ komplett im geteilten Berlin der frühen 80er-Jahre gedreht wurde. Auch wenn der Film auf Englisch aufgenommen wurde, spielen einige namhafte deutsche Schauspieler mit, unter anderem Heinz Bennent, Johanna Hofer und Carl Duering. Dies macht den Umstand, dass erst jetzt, nach über 40 Jahren, eine deutsche Tonspur vorliegt umso eigenartiger. Aber naja, im gleichen Jahr, nämlich 1981, kamen schließlich auch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ sowie „Das Boot“ in die Kinos; da hatte der deutsche Cineast seine Aufmerksamkeit vermutlich einfach auf andere Werke gelenkt.

Der Film beginnt damit, dass der männliche Hauptcharakter, ein Familienvater, gespielt von Sam Neill, vermutet, dass seine Frau ihm fremdgeht; dies stellt sich als wahr heraus. Was folgt, ist der seelische Ausnahmezustand beider Parteien. Das Besondere ist allerdings nicht die Handlung an sich, sondern die Erzählweise. Jeder einzelne Charakter in diesem Film ist wahnsinnig. Wortwörtlich. Wie bereits kurz angerissen neigt Żuławski zur maßlosen Übertreibung, wenn es um die Darstellung von Konflikten geht; die weibliche Hauptdarstellerin Isabelle Adjani liefert eine Jahrhundertperformance als lustgetriebene, psychotische, eigenwillige Frau, welche ihren beiden Männern, dem Ehemann und Geliebten, den Verstand kostet. Die Erinnerung an die wahrscheinlich bekannteste Szene des Films, in welcher Adjani in der U-Bahnstation „Platz der Luftbrücke“ einen mentalen, spirituellen und physischen Zusammenbruch erleidet, lässt es mir jedes Mal kalt den Rücken runterlaufen, wenn ich an der Station vorbeifahre. 

Der Regisseur selbst hatte sich, kurz bevor er anfing zu drehen, inmitten einer äußerst aufwühlenden Trennung befunden. Dies merkt man in jeder Minute. „Possession“ zeigt eine zutiefst toxische Beziehung in einer Authentizität, die erschreckend ist. All der ausgeschüttete Schmerz, die Wut, die Ohnmacht, aber auch die „Lust am Verbotenen“ werden von einer schwindelerregenden, hyperaktiven Kamera eingefangen. Die surrealen Elemente stehen dem nicht im Weg, ganz im Gegenteil, sie verstärken die fesselnde Wirkung. 

Der Film ist momentan auf Amazon Prime zum Streaming verfügbar, allerdings wäre es ratsam, sich eine 4K- oder Blu-Ray-Disc des Films anzuschaffen. So unterstützt man einerseits die rapide aussterbende Welt der „physical media“ und hat andererseits das qualitativ hochwertigere Seherlebnis.


Foto: film-grab.com