In Gesprächen mit Studierenden und mehreren Expertinnen haben wir reflektiert, was Hass ist, wo er sich versteckt und wohin er uns führt. Nicht jede*r kann Hass zum Ausdruck bringen – andere können ihm nicht entfliehen.

Wenn ich darüber nachdenke, was Hass ist, tauchen Ereignisse meiner Vergangenheit in meinem Kopf auf. – Luisa, Psychologiestudentin. 

Einige Studierende bezeichnen Hass als einen Zustand, andere als ein Gefühl. Hass als Emotion entflamme innerlich schnell, aber sei immer von Dauer wie andere Gefühle, zum Beispiel die Liebe, meint Anna, Informatikstudentin.

Hass ist für mich Frustration, schmerzhafte Frustration. Bei mir ist das so, weil ich jemanden hasse, den ich einmal geliebt habe. Aber es ist kein reiner Hass, sondern er ist gemischt mit Traurigkeit und Groll, mit einem gewissen Grad an Abscheu.” – Emily, Slawistikstudentin. 

Obwohl Hass und Liebe scheinbar Gegensätze sind, neigen sie dazu, sich anzuziehen, wohl wie alle Gegensätze. Der Hass scheint aber auch die Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Ekel, Angst und vor allem Wut anzuziehen.       Oder umgekehrt?  

…Und meine Wut mag vergehen, aber der Hass bleibt.” – Anna.

Menschen hassen, weil sie Angst haben – vor dem, was passiert ist oder vor dem, was noch passieren kann.” – Oleg, Lehramtsstudent. 

Hass, egal aus welchem Grund und in welcher Form, ist für Oleg immer mit Schmerz und Zerstörung verknüpft. Manchmal richte er sich nach außen und manchmal gegen einen selbst. 

Für mich ist Hass ein Zeichen von Hilflosigkeit und mangelnder Reflexion oder Selbstreflexion. Wenn du nichts tun kannst, bleibt dir manchmal nichts anderes übrig als zu hassen. Und es ist lähmend.” – Joseph, Skandinavistikstudent. 

Anhaltender Hass ist in der Tat ein Sumpf, der sich immer weiter ausdehnt und aus dem es schwierig ist, zu entkommen.

Ich habe ein Problem damit, negative Gefühle auszudrücken. Man könnte sagen, dass ich Hass eher aus Büchern und Zeitungen kenne.” – Jana, Informatikstudentin. 

Hass zwischen den Zeilen

Für die Literaturwissenschaftlerin Kazalarska-Zhivkova des Slawistikinstituts der Humboldt-Universität zu Berlin gehört Hass zum semantischen Feld der Liebe. Die Liebe sei ein gemischtes Gefühl, besonders in literarischen Darstellungen, und trete zusammen mit Hass, Trauer, Angst oder Zorn auf.

Hass gelte als Affekt – eine kurzfristige, intensive, schwer kontrollierbare, emotional negative Regung, die auch körperlich spürbar sein kann. Damit gehöre er zu den »reaktiven Gefühlen«, die in der Regel auf äußere Auslöser ausgerichtet seien. Wenn eine Person über längere Zeit Hass fühlt, sei dies ein psychischer Zustand oder eine Disposition. 

Der Unterschied zwischen Hass und Wut besteht laut Kazalarska-Zhivkova in der Übersetzung einer bloßen Emotion in konkrete Handlung. Während Wut eine Person zu einer Tat motiviere, sei das bei Hass nicht zwangsläufig der Fall.

In der Literatur komme Hass am häufigsten in Gewalt- und Kriegsdarstellungen vor, zum Beispiel in Form von hasserfüllten und destruktiven Visionen, oftmals gegen einen Feind. Dabei sei die Verflechtung des Hasses mit anderen negativen Gefühlen erkennbar. 

Eine Welt, in der Hass nur in der Literatur auftaucht, ist utopisch. Hass ist Teil unseres Lebens, deshalb ist es wichtig, das Wesen und die Folgen dieses sozialen Phänomens zu verstehen.

Hass in geballten Fäusten

Ich arbeite mit Geflüchteten und weiß ganz genau, was Hass ist und vor allem, zu was er führt. Diese Menschen fliehen vor Krieg, aber wenn sie an einem scheinbar sicheren Ort ankommen, treffen sie oft wieder auf Gewalt und Diskriminierung”, erklärt Oleg. 

Die Migrationsrechtlerin Pauline Endres de Oliveira teilt diese Beobachtung. „Teilweise werden asylsuchende Personen angegriffen, weil Hass gegen die Gruppe der Asylsuchenden besteht, aber nicht unbedingt gegen die einzelne Person, die es dann aber letztendlich trifft. Solche Taten können kriminologisch dann als “Hassverbrechen” qualifiziert werden.” 

Sie erzählt uns, inwiefern das Gefühl „Hass” als Motiv für Straftaten dient. Eine Legaldefinition des Begriffs „Hass” gebe es nicht, allerdings trete das Hassmotiv in Rechtsprechungen vermehrt auf. Hassmotivierte Straftaten sind Folgen von Vorurteilen gegenüber Angehörigen einer sozialen Gruppe, die aufgrund religiöser, nationaler oder politischer Zugehörigkeit marginalisiert werden.

Es fällt mir schwer, zwischen Hass und Wut zu unterscheiden. Mein Exfreund hat fünf Jahre meines Lebens mit Erniedrigung und Missbrauch ruiniert. Nach mehreren Sitzungen mit einer Psychologin, durch die ich meine rosarote Brille abgenommen habe, war ich so wütend auf ihn! Hätte ich ihn getroffen, hätte ich ihn erwürgt!” – Luisa.

Wut kann ebenfalls zu Straftaten verleiten, wird jedoch nicht strafschärfend behandelt. Strafschärfend bedeutet, dass die Strafe am Ende höher ist, weil die Motivation beim Strafmaß mitberücksichtigt wird. In Fällen, in denen ein Partner oder Expartner wütend auf eine Frau ist, wäre eine Beleidigung strafrechtlich relevant – jedoch nicht die Motivation für die Tat. Handelt es sich um Misogynie, ist es ein Ausdruck von Hass, der sich häufig im Alltag wiederfindet. 

Gemeinsam gegen Hass

Diverse Organisationen versuchen, gesellschaftlichem Hass durch Jugend- und Bildungsarbeit entgegenzuwirken. Diskriminierende Vorurteile werden offengelegt und somit die Wirkweise und Ursachen von Hass bekämpft.

Auf der anderen Seite bieten soziale Medien Anonymität, die die Grundlage für hate speech” bildet. Plattformen wie X (ehemals Twitter) konstruieren und unterstützen Räume für diskriminierende Inhalte. 

Ich habe in meinem Leben ziemlich oft mit gemeinen Kommentaren und Fettphobie zu tun, vor allem auf Instagram. Ich bin Bloggerin und habe schon viele Dinge über mich in den Kommentaren gelesen! Die meisten würden bestimmt so etwas im realen Leben nicht zu mir sagen. Aber im Internet fühlen sie sich anonym und daher ungestraft.” – Nora, Lehramtstudentin. 

Hass, der öffentlich geäußert wird, gilt als Straftat, so Oliviera. Dabei wird die Gesetzgebung herausgefordert, da die Online-Identität die Verfasser*innen der Aussagen verschleiert. Häufig weisen die Straftäter*innen die Verantwortung von sich und entgehen so einer Verurteilung.

Organisationen wie HateAid setzen sich gegen Diskriminierung in digitalen Räumen ein: Sie bieten Beratungen und rechtliche Unterstützung für Opfer von digitaler Gewalt an. Die Antidiskriminierungsstelle bietet Beratung bei Vorfällen im Alltag. Weitere Institutionen wie z.B. Cura bringen das Thema Hassgewalt an die Öffentlichkeit und unterstützen die Opfer finanziell.

Viele Studierende nehmen, auf Grund der Kriege und wirtschaftlichen Probleme, eine Zunahme von Hass auf der Welt wahr. Die neue Realität impliziert eine neue Moral, in der Gewalt und Hass leichter zu rechtfertigen sind.

Hass ist komplex. Er ruht auf Buchseiten, flammt in den Köpfen der Menschen auf und bricht immer öfter nach außen. Ihn als Problem anzuerkennen ist der erste Schritt zu einem bewussteren Umgang mit Hass. Ganz gleich, ob es um die gemeinsame Vergangenheit zweier Menschen oder die Zukunft zweier Länder geht.


Foto: Oliviera Endres