Das Känguru ist für sein zweites Kinoabenteuer auf die große Leinwand zurückgehüpft. Dieses Mal geht es um alternative Fakten, Fake-News und die ganz große Verschwörungserzählung: dass Kängurus seit Jahrhunderten im Hintergrund die Strippen ziehen.
Ein kommunistisches Känguru und ein gemäßigt-anarchistischer Kleinkünstler wohnen zusammen in einer WG. Was wie der Beginn eines Witzes klingt, ist inzwischen zum Berliner Kulturgut geworden. Die Känguru-Geschichten, in denen der Autor, Kabarettist und neuerdings auch Filmemacher Marc-Uwe Kling sein fiktives Alter Ego gemeinsam mit einem vorlauten Beuteltier ganz alltägliche bis aberwitzige Szenarien durchleben lässt, wurden inzwischen vielfach ausgezeichnet. Vier Bücher und Hörbücher sind bereits erschienen, es gibt diverse Spiele, auf ZEIT Online erscheint seit fast zwei Jahren täglich ein neuer, kurzer Comic-Strip – und im März 2020 ist sogar der erste Kinofilm erschienen. „Die Känguru-Chroniken“ kommen kurz vor dem ersten Lockdown und damit zu einem unglücklichen Zeitpunkt raus. Dennoch war dieser Film eine der erfolgreichsten Veröffentlichungen des Kinojahres 2020 in Deutschland. Kein Wunder also, dass nun mit „Die Känguru-Verschwörung“ ein zweiter Teil in die Kinos gekommen ist.
Fans der Vorlage werden bei dem Titel gleich hellhörig. Denn anders als „Die Känguru-Chroniken“ ist „Die Känguru-Verschwörung“ nach keinem der bisher erschienenen Bücher benannt. Das bedeutet: Die filmischen Känguru-Eskapaden stehen zunehmend für sich allein. Und: Neben dem bereits existierenden Buch- und Hörbuch- sowie Comic-Universum, entsteht daneben ein eigenes Film-Universum – ein Känguru-Multiversum, sozusagen.
Allerdings ist seit der Veröffentlichung des ersten Films einiges passiert. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Gesellschaftlich hat sich einiges verändert, was sich wiederum thematisch im Film niederschlägt. In „Die Känguru-Chroniken“ bekamen es die beiden Protagonist*innen noch mit stumpfen, sich als „Patrioten“ bezeichnenden Neonazis zu tun und mussten sich darüber hinaus gegen die Gentrifizierung ihres Stadtteils zur Wehr setzen. Im Sequel „Die Känguru-Verschwörung“ geht es dem Titel und dem Zeitgeist entsprechend um Verschwörungsideologien sowie um die Spaltung der Gesellschaft.
„Komm mit mir ins Abenteuerland, der Eintritt kostet den Verstand“
Nach einem verpatzten Date im Dunkelrestaurant möchte Marc-Uwe Kling dessen Nachbarin und Schwarm, Maria, davon überzeugen, ihm noch eine zweite Chance zu geben. Dafür lassen er und das Känguru sich auf eine Wette ein: Sollten sie es schaffen, Marias Mutter aus dem Kaninchenbau der Verschwörungen herauszuholen, bekommt Marc-Uwe noch eine zweite Chance. Sollten sie jedoch versagen, müssen sie ihre Wohnung mit Maria tauschen – die gemütlich-muffige WG gegen ein viel kleineres Apartment.
Schnell müssen Kleinkünstler und Beuteltier jedoch feststellen, dass Marias Mutter nicht einfach nur eine verirrte Seele ist, die einmal aus Versehen im Internet den falschen Abzweig genommen hat. Unter dem Spitznamen „Diesel-Liesel“ veröffentlicht Marias Mutter auf YouTube nämlich Videos, in denen sie den Klimawandel leugnet. Damit hat sie bereits einige Follower*innen erreichen können und hält sogar Vorträge auf kleineren Veranstaltungen.
Für Fakten und Argumente scheint Diesel-Liesel kein offenes Ohr mehr zu haben. Doch Aufgeben kommt für Marc-Uwe und das Känguru nicht in Frage. Um Diesel-Liesel aus ihrer Parallelwelt zurückzuholen, ihre WG zu retten sowie mit der Aussicht auf ein zweites Date mit Maria, begeben sich die beiden auf eine völlig abgedrehte Reise quer durch das Abenteuerland der Verschwörungserzählungen. Dabei bekommen sie es jedoch nicht nur mit uneinsichtigen Schwurbler*innen zu tun, das Känguru wird nämlich bald selbst zur Zielscheibe einer Verschwörung – der „Känguruh-Verschwörung“.
Jokes over Substance?
Thematisch ist „Die Känguru-Verschwörung“ damit hoch aktuell. Und vermutlich dürften viele die eine oder andere Person aus dem Freundes-, Bekannten- oder Verwandtenkreis kennen, welche spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie zu viel Zeit auf dubiosen Internetseiten verbracht und sich immer tiefer in den sogenannten „Kaninchenbau“ hineingescrollt hat.
Allerdings ist die filmische Umsetzung zu großen Teilen etwas platt geraten. Das macht sich vor allen Dingen bei den klischeehaft gezeichneten Nebenfiguren bemerkbar. Die meisten Figuren, die sich als Verschwörungsgläubige entpuppen, sind völlig fanatisch und überzeichnet. Einzig Diesel-Liesel, gespielt von Petra Kleinert, und Adam Krieger, Kopf der Verschwörungsbewegung und gespielt von Benno Fürmann, stechen da ein wenig hervor. Eine ernsthafte Antwort auf die Frage, wie eine Person, die an Verschwörungen glaubt, vom Gegenteil überzeugt werden kann sowie eine sonderlich tiefgreifende Auseinandersetzung mit dieser Problematik, sollte jedoch nicht erwartet werden.
Stattdessen ist „Die Känguru-Verschwörung“ eine genussvolle Verballhornung diverser Verschwörungsideologien. Hier punktet der Film mit reichlich Wortwitz und Slapstick, einem guten Timing für Comedy sowie einer überbordenden Kreativität in der filmischen Umsetzung. Im Vergleich zum ersten Teil sind die Dialoge bissiger geschrieben und der Humor ist generell anarchischer. Dadurch ist der zweite Teil tonal etwas näher an der Buchvorlage, obwohl sich im Gegensatz dazu der Plot weiter davon entfernt hat.
Prädikat „WITZIG“
Aber auch an anderer Stelle besinnt sich der Film auf seine Vorlage zurück. Wirkte Dimitrij Schaads Version des Marc-Uwe Kling im ersten Teil noch zu nett und treudoof, erscheint sie nun um einiges schlagfertiger und sarkastischer, wodurch sie mehr der gelesenen Interpretation aus den Hörbüchern gleicht. Zudem ist die Erzählstruktur des Films mehr an dem episodenhaften Charakter der Bücher orientiert. Letzteres geht zwar auf Kosten der Dramaturgie, trotzdem erweist sich das Ganze als unglaublich kurzweilige Angelegenheit.
Im Großen und Ganzen ist „Die Känguru-Verschwörung“ eine gelungene Fortsetzung, die ihren Vorgänger sogar in einigen Punkten übertrifft. Darüber hinaus beweist der Film, trotz des fehlenden Tiefgangs, einiger Plattitüden und plumper Kalauer, dass sich deutsche Komödien auch mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen können. Wer zwar schon mit dem ersten Teil nicht warm wurde, dürfte vermutlich auch hiermit nicht glücklich werden. Alle anderen, insbesondere Fans des Kängurus, können getrost “eventuell, möglicherweise, vielleicht, unter Umständen” einen Blick riskieren.
Deutschland 2022 · 1 h 36 min · FSK 6
Regie: Marc-Uwe Kling
Drehbuch: Marc-Uwe Kling und Jan Cronauer
Darsteller*innen: Das Känguru, Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Petra Kleinert, Michael Ostrowski, Benno Fürmann u.a.
Foto: X Filme/X Verleih_DIE KÄNGURU-VERSCHWÖRUNG