Die Abkürzung POC, also People of Color ist mittlerweile überall und wird von immer mehr größeren Medienportalen benutzt. Aber einige Probleme werden bei der Verwendung dieses Begriffes häufig vergessen.
Einst dem geisteswissenschaftlich und popkulturell aufgeklärten Publikum vorbehalten, breitet sich die Abkürzung POC immer weiter aus. Es ist das Wort, was als gesellschaftlich akzeptabel gilt, wenn man über Menschen mit globaler Herkunft reden möchte. Dennoch gibt es mehrere Gründe, warum es nicht universell einsetzbar ist.
Zunächst einmal suggeriert People of Color, dass es universelle Gemeinsamkeiten zwischen Menschen gibt, die nicht europäischer ,,Abstammung“ sind. Zur allgemeinen Erfahrung wird die der Diskriminierung erklärt, egal ob das zutrifft oder nicht. Außerdem wird eine Solidarität zwischen allen besagten People of Color vorausgesetzt, die in in der Realität oft nicht existiert. Es ist ein eurozentristischer Glaube, dass Rassismus und Diskriminierung nur in der euro-nordamerikanischen Welt existiert. Menschen mit dunklerer Hautfarbe werden in vielen asiatischen und arabischen Ländern genau so stark oder schlimmer diskriminiert wie in der ‚westlichen‘ Welt.
Und am wichtigsten: Es werden unterschiedliche Formen der Diskriminierung verneint. Denn wenn eine kopftuchtragende Frau, ein Geflüchteter aus dem Senegal oder eine ältere Vietnamesin in der U-Bahn beleidigt werden, hat die Diskriminierung unterschiedliche Gründe. Das kann Islamfeindlichkeit, Rassismus basierend auf der Hautfarbe oder Ausschluss wegen geringer Deutschkenntnisse sein. Es ist aber sicher, dass nicht alle vermeintlichen POC dieselben Erfahrungen damit machen werden.
Manche Menschen türkischer und arabischer Herkunft haben sehr helle Haut und sind sogar white passing, das heißt, sie werden häufig als weiß angesehen. Dennoch müssen sie aber pauschal People of Color sein? Dasselbe gilt für Latinos, die von Mittel -bis Südamerika eine sehr große ethnische Vielfalt aufweisen.
Identität ist nicht nur Hautfarbe
Genauso wenig wie man sich neuen Bekanntschaften als weiß vorstellt, würde man sich nicht als Person of Color vorstellen. Denn die eigene Identität definiert sich nicht über Hautfarbe, sondern vielmehr über kulturelle oder geographische Zugehörigkeiten. Deswegen ist es etwas anderes, wenn Schwarze Menschen beispielsweise in Ghana, Brasilien oder den USA leben. Sie teilen zwar dieselbe Hautfarbe, haben aber verschiedene kulturelle Erfahrungen gemacht und würden sich daher eher mit dem Land, indem sie aufgewachsen sind identifizieren und sich als Ghanaer*innen, Brasilianer*innen, Amerikaner*innen bezeichnen.
Es gibt Menschen, die die Selbstbezeichnung Person of Color wählen. Das möchte ich ihnen auch gar nicht absprechen. Mich interessiert nur, warum sie sich mit dieser Verallgemeinerung mehr identifizieren als mit nationaler oder ethnischer Herkunft.
Jetzt fragen sich wahrscheinlich viele, gut, aber was soll man stattdessen sagen? Meine Empfehlung ist, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, auf herkunftsbezeichnende Begriffe zu verzichten. Schließlich ist das keine qualitative Beschreibung einer Person, die nichts über den Charakter oder Lebenserfahrungen aussagt. Wenn es der Kontext erfordert, ist hingegen eine Spezifizierung meist hilfreicher. Denn POC kann so viel beinhalten, dass es schwammig ist, wer denn überhaupt gemeint ist. Besser ist es, konkret zu werden: Afrodeutsche, Latinos, Türken, Indigene etc. Das sind diskriminierungsfreie Begriffe, die die Lebenswelten der verschiedenen Gruppen reflektieren.
Die Zweiteilung der Menschheit in zwei große Kategorien, nämlich Weiße und People of Color, ist aus so vielen Gründen problematisch. Erstens, die Weltbevölkerung ist zu groß und divers, als dass man sie in irgendeiner Weise gänzlich erfassen könnte (wie Anthropolog*innen in den letzten Jahrzehnten gelernt haben). Außerdem werden jahrhundertelang bestehende nationale oder ethnische Verflechtungen negiert, weil sie nicht in das aufgeteilte Bild passen. Zweitens, werden so Kolonialschemata reproduziert, die aus Europa stammende Menschen in den Vordergrund rücken, während alle anderen pauschal zu benachteiligten und marginalisierten Gruppen erklärt werden, welche unterdrückt sind und denen man helfen müsse. Als handle es sich um eine vom Aussterben bedrohte Spezies, welche nach der Verallgemeinerung des Begriffes POC in der Realität aber die Mehrheit der Weltbevölkerung ausmacht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass People of Color bizarrerweise eine Reformulierung eines in die Jahre gekommenen und problematischen Begriffes ist: Colored People oder hierzulande Farbige. Ja richtig, das sagt man nicht mehr und zwar aus historischen Gründen, die anscheinend über die Jahrzehnte vergessen wurden. Colored People wurde in rassistischen Gesellschaftssystemen verwendet, um Menschen, die nicht-europäischer Herkunft waren, kategorisch soziale Teilhabe zu verwehren und sie auszuschließen. Erinnert ihr euch an die alten Schwarz-Weiß Bilder aus den 1940er Jahren im Süden der USA? Darauf steht oft so etwas wie: Colored Entrance, beispielsweise in Restaurants/Kinos/Bussen. In Südafrika, einem kulturell und ethnisch sehr vielfältigen Land, wurde Colored während der Apartheid verwendet, um die gemeinsamen Nachkommen der europäischen Kolonisierern und der lokalen Bevölkerung zu bezeichnen. Sie waren in der sozial stark hierachisierten Gesellschaft ‚über‘ der Schwarzen Bevölkerung klassifiziert, hatten aber auch nicht die Privilegien der Weißen.
Colored People wurde spätestens seit dem 21. Jahrhundert in der englischsprachigen Welt zum Tabuwort, welches weiße Rassisten jedoch gezielt weiter verwendeten. Und People of Color, also eine bloße Umformulierung dessen, ist nun gesellschaftlich akzeptiert und sogar wünschenswert? Colored/Farbige meint genau dasselbe – das undefinierbare Andere, welches man irgendwie zu kategorisieren versucht, um es einfacher erklärbar zu machen. Das ist Othering in Extremform und impliziert banal gesagt ,,Jaja, du bist aus Deutschland, aber das ist, wo du eigentlich herkommst. Nicht aus Europa, sieht man ja an der Haut.“
Ethnische und kulturelle Vielfalt ist viel zu wertvoll und interessant, um sie so derb zu verkürzen. Menschen sind komplex und das sollten wir schätzen anstatt es zu vereinfachen. Es muss bessere Lösungen geben, denn People of Color propagiert paradoxerweise genau das, was es zu vermeiden versucht: Schwarz-Weiß-Denken.
Mehr zum Thema im US-amerikanischen Kontext lest ihr hier:
https://slate.com/human-interest/2019/02/people-of-color-phrase-history-racism.html
https://www.wired.com/story/rethinking-phrase-people-of-color/