Als Professor an der Stanford University ist Adrian Daub zumindest geographisch nah dran am Silicon Valley, dem Epizentrum der Zukunftsproduktion. In seinem im Suhrkamp-Verlag erschienenen Sachbuch möchte der Literaturwissenschaftler dann allerdings eher doch auf kritische Distanz gehen. In Was das Valley Denken nennt unternimmt er den Versuch, das Tal der Träume auf sein philosophisches Fundament hin zu untersuchen. In welcher Welt leben die Macher von Paypal, Uber und Co?

Geschichtslosigkeit und das Silicon Valley, das passt gut zusammen. Logisch eigentlich, wo Fortschritt gelebt wird, ist das Gestern kaum mehr als Sand im Getriebe. Praktischerweise kommt hinzu, dass sich damit auch gleich der Anspruch auf einen besonderen Status untermauern lässt: Wenn alles radikal neu ist, dann laufen althergebrachte Kategorien zwangsläufig ins Leere. Man kann das 21. Jahrhundert nicht mit dem 20. Jahrhundert beschreiben – und schon gar nicht kritisieren. Adrian Daub aber will sich genau dagegen wehren, sein Buch soll dafür sensibilisieren. Es geht um die kritische Betrachtung einer Industrie, die sich nach Kräften jeglicher Kritik entziehen will.

Doch schon wenn von dem Valley gesprochen werden soll, ergeben sich einige Probleme, schließlich präsentiert man sich dort sehr bewusst als vielschichtig und hochdynamisch. Seine bekanntesten Akteure, so Daub, spiegeln daher auch nicht unbedingt das Selbstverständnis des Techsektors insgesamt wider. Was Zuckerberg, Jobs und Co. allerdings dennoch verkörpern, ist dessen mediale Vermittlung und Selbstdarstellung. Und diese wiederum verweise auf eine gewisse Art des Denkens, die in der Branche weite Kreise zieht.

Im Zentrum dabei immer: der Mythos Silicon Valley. Genauer betrachtet, so Daubs Kernaussage, sei der allerdings geradezu albern: Schlagwörter wie “Disruption” oder auch die Erfahrung des Scheiterns sind zum inhaltsleeren Fetisch geworden, der Bruch mit Konventionen zum Selbstzweck. Dazu kämen pseudo-philosophischen Plattitüden, die sich üblicherweise in, man könnte sagen, recht typisch amerikanischen Erfolgserzählungen ergießen. Entsprechend groß sind die Gesten, der Gehalt dagegen überschaubar. Daub spürt den intellektuellen Grundlagen nach, zeigt den Kontext auf und versucht darzulegen, wie flach das vermeintlich visionäre Denken oftmals ist. Wer einen Vorgeschmack möchte, sollte vorab einige Ted-Talks am Stück genießen.

Nun ist Daub Literaturprofessor und all das hört sich sehr nach standesgemäßer Trauer an: Verlust des humanistischen Bildungsideals etc. Wenn ein paar business dudes ihre Halbbildung aufplustern, ist das aber doch weder neu noch sonderlich schlimm, könnte man entgegnen. Daub sieht die eigentliche Gefahr allerdings vielmehr in einem daraus folgenden “schlechten Denken”, das über die inneren Zirkel des Techsektors hinauswirke und Unterschiede verwischt, deren Sichtbarkeit wichtig wäre. An Macht- und Verteilungsfragen sollen hier andere Standards angelegt werden, auch, um fragliche Geschäftspraktiken zu kaschieren, die etwa Mitarbeiterrechte auszuhebeln versuchen. Und wenn all das legitimiert ist durch Innovationen und Visionen, die gar keine sind, dann kann sogar die Gig-Economy als ein Mehr an Freiheit verkauft werden – und nicht als Verschärfung der Abhängigkeitsverhältnisse.

Das bedeutet nun keineswegs, ließe sich hinzufügen, dass die Technologien des Silicon Valley niemals Gutes hervorbringen können. Problematisch ist eher, dass Empathie oder Moral, die auf so etwas wie das Gemeinwohl – das heißt, tatsächliches utopisches Denken – ausgerichtet wären, bestenfalls Nebenschauplätze bilden. Eine kritische Betrachtung, die sich auf darauf beziehen könnte, wird systematisch an den Rand gedrängt. Denn am Ende des Tages – und das ist dann eben nur konsequent – dreht sich im Silicon Valley alles immer um das Selbst.

Unter “Denken”, das zeigt Daub, verstehen dessen schillerndste Protagonisten daher auch vor allem das Rechtfertigen des eigenen Erfolges. Genau wie die Produkte und Dienstleistungen sollen auch ihre Schöpfer als außergewöhnlich gelten. Musk, Thiel, Zuckerberg, sie alle kultivieren den Typus des brillanten Außenseiters, nicht selten bis ins Groteske hinein. Dem zugrunde liegt eine gigantische Egomanie, die sich selbst als genial-revolutionär begreift und das durch den eigenen Erfolg bestätigt sieht. Wer da nicht applaudiert, ist wahlweise pädophil, mindestens aber dumm.

Mit ein wenig Abstand betrachtet: Ist das eher amüsant, oder doch problematisch? Womöglich ist ja der Unterschied zu der Geschäftswelt vor den Tech-Start-ups gar nicht so groß, einzig die mediale Inszenierung auf allen Kanälen macht die Hybris der Erfolgsmenschen heute überdeutlich und permanent sichtbar.

Wie auch immer, eine weitere vertane Chance ist es in jedem Fall. Mit Was das Valley Denken nennt kann Adrian Daub helfen, zu verstehen warum.