Eine Woche digitaler Abstinenz: Unsere Autorin führt sieben Tag lang ein Leben ohne  Handy, ohne WhatsApp und ohne Facebook, Instagram und Co. 

Zurzeit befinde ich mich auf Kriegsfuß mit meiner Komfortzone und da passte mir dieses Experiment ganz wunderbar in den Kram. Das ständige zum Handy Greifen, nur damit man nicht den nächsten Absatz Sekundärliteratur lesen muss. Dieser Automatismus, jede wartende Sekunde auf Facebook zu verbringen, der ständige Zwang zur Erreichbarkeit. „Wo bist du?“, „Was machst du?“ – Vielleicht ist es ja vollkommen egal, wo ich bin und was ich mache. Vielleicht muss ich gar keine Instagram-Story mit meinem Essen posten. Vielleicht. Ich beschloss mich zu testen. Bin ich süchtig nach meinem Smartphone?

Die Vorbereitung auf das einwöchige Experiment war denkbar simpel: Die zu Unrecht verschmähte Armbanduhr wurde abgestaubt, ein kreativer Klingelton für das Festnetztelefon ausgewählt und eine Rund-Nachricht mit Nummer und E-Mail-Adresse an Freunde und Familie verschickt. Als kleine empirische Studie habe ich meine Instagram-Follower gefragt, ob sie es sich zutrauen würden, eine Woche auf Handy und Social Media zu verzichten. Das Ergebnis: 56 Prozent für „YES“ und 44 Prozent für „NEVER!“. Wollen wir doch mal sehen.

Ich war bestens vorbereitet. Und scheiterte schon am ersten Morgen. Ich habe keinen Wecker. Hat irgendjemand noch einen Wecker? Zum Glück wohne ich nicht alleine und stand einfach immer zusammen mit meinem Freund auf. Übrigens wesentlich schneller als sonst. Meine erste Tat am Tag war bisher der Blick aufs Handy: Uhrzeit und E-Mails checken, „Hmm, ich will nicht aufstehen“, kurz mal die letzten 345 Instagram-Posts runterscrollen, die Tagesschau-App zum Frühstück. Jetzt, da ich nichts zu tun hatte, stand ich einfach auf, machte Tee und blätterte in der ZEIT. Und kam mir schrecklich erwachsen vor.

Die nächste bemerkbare Veränderung im Alltag war das Taschepacken. Die imaginäre Checkliste lautete nun nicht mehr: „Handy, Schlüssel, Portemonnaie“ sondern „Portemonnaie, Schlüssel, Taschenkalender mit wichtigen Telefonnummern und ein Buch“. Lesen in der Bahn ist super. Ich weiß nicht, wann und warum ich es mir abgewöhnt habe. Sieht auch netter aus, als wenn alle Fahrgäste Stöpsel in den Ohren und die Augen auf den Displays haben.

Als kleine Extra-Challenge verabredete ich mich mit dem unpünktlichsten Freund, den ich habe. Wir hatten per E-Mail Zeit und Ort bestimmt und ich war wirklich besorgt, dass man sich nicht finden würde im Getümmel vor dem Theater oder dass er nicht auftauchen würde. Aber als ich ankam, war er schon da. Er war zu früh! Das gab es noch nie.

Tatsächlich waren alle Leute, mit denen ich in dieser Woche verabredet war, ungewohnt pünktlich und kurzfristige Ortswechsel oder „Sorry, Bahn verpasst, fünf Minuten“-Nachrichten fielen einfach weg. Die Woche verging schnell und fiel mir überraschend leicht. Das Einzige, was mir fehlte, war tatsächlich die Shazam-App und dass ich nicht Bescheid sagen konnte, als ich einmal selbst zu spät dran war. Ich fühlte mich entspannter und konnte besser schlafen. Auch arbeitete ich merklich produktiver in dieser Woche. Wichtig war mir nun vor allem, nicht wieder sofort in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.

Ich lege mein Handy jetzt nicht mehr auf den Nachttisch und lasse es auch tagsüber bewusst nicht immer direkt bei mir. Vor allem nicht beim Arbeiten. Da ich nicht komplett auf die sozialen Medien verzichten möchte, habe ich mir bestimmte Zeiten dafür festgelegt. Damit umgehe ich das „Zwischendurch“ immer dann, wenn man eigentlich gerade etwas Sinnvolles zu tun hätte. Apps mit Suchtfaktor in Ordner zu verschieben, verhindert das unbewusste Draufklicken. Es gibt auch verschiedene Apps, die helfen sollen, fokussiert zu bleiben. Zum Beispiel die Forest-App, die einen mit virtuellem Bäumepflanzen von den bösen Zeitfressern fernhalten will. Ob das funktioniert oder nicht, sei dahingestellt. Die einfachste Lösung ist immer noch: Das Handy einfach ab und zu mal ausschalten.

 

 

1 KOMMENTAR

  1. Gratulation zum Experiment! Schön zu lesen, dass es Menschen gibt, die sich zumindest zeitweise noch trauen, das „Königreich des Bullshits“ (Mr. Robot) zu verlassen.

    Einen ähnlichen Effekt, sich der (ja beabsichtigen) suggestiven Macht von „Facebook, Instagram und Co“ zu entledigen, besteht übrigens darin, auf freiheitliche Äquivalente umzusteigen. Die nerven einen sowas von gar nicht mit „Deine Freunde vermissen dich“-Nötigungen, dass man glatt vergisst, sich dort mal wieder einzuloggen. Also: Diaspora/Friendica statt Facebook, MediaGoblin statt Instagram, https://prism-break.org/en/all/ statt „Co“ – und, auch als Empfehlung für unauf.de, „Mastodon“ statt Twitter. Sind natürlich alles unbequeme, weil nicht gemachte Nester, dafür ist man dort „user“ statt „usance“.

    Gruß
    Irgendjemand, der tatsächlich einen Wecker hat, der auch nur *das* kann (wecken)

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