Sonne hinterm Baum bedeutet Osten
Obwohl es so viele Chinesen auf dieser Erde gibt und ihre Zahl noch zunimmt, hat ihre Sprache hier in Europa kaum eine Bedeutung, abgesehen von den chinesischen Restaurants.
Bei der Größe Chinas ist nicht verwunderlich, daß die Dialekte sehr ausgeprägt sind. Etwa 70% der Bevölkerung verstehen die Hochsprache, doch oft ist eine Verständigung nur noch über die Schriftzeichen möglich, die ihrem Wesen nach Bedeutungen wiedergeben, ähnlich den ägyptischen Hieroglyphen. So läßt ein Text mit unbekannten Zeichen Rückschlüsse auf seinen Inhalt zu, obwohl es unmöglich ist, ihn laut zu lesen. Das Chinesische hat über 400 Silben, die in 4 Tonlagen vorkommen können. Spricht man die Töne falsch, kann es zu Mißverständnissen kommen, z.B. má =Hanf, aber mà=schimpfen!
Kommen wir zu dem wohl außergewöhnlichsten der chinesischen Sprache: den Schriftzeichen. Sie haben an die 400 Jahre auf dem Buckel. Die archaischen Formen findet man eingeritzt auf Tierknochen. Priester hielten sie übers Feuer und orakelten aus den entstandenen Rissen die Antwort auf die eingeschnitzte Frage. Diese alten Formen sehen dem, was sie darstellen sollen, noch ziemlich ähnlich. Als jedoch immer mehr geschrieben wurde (Gesetze, Briefe…), empfand man diese Schrift als hinderlich, die Strichzahl wurde verringert. Ein Trend, der bis heute anhält. Die danach entstandenen klassischen Formen werden noch heute in Korea und Hongkong verwendet. Nach der Gründung der VR China begann man mit der Schriftreform. Es wurden ca. 2000 Zeichen vereinfacht. Von den zahlreichen Zeichen, die es gibt, genügen heute gerade so viele, um Zeitung lesen zu können.
Studiert man die chinesische Sprache hier an der HUB, so gibt es verschiedene Richtungen: klassische Sinologie, moderne Sinologie, Dolmetscher. Es läßt sich als Haupt- und Nebenfach studieren. Mit Sinologie als HF benötigt man noch ein Nebenfach, um mit Magister abschließen zu können.
Die Wahl geeigneter Nebenfächer (Geographie, Betriebswirtschaft) hat entscheidenden Einfluß auf die Möglichkeiten nach dem Studium. Davon abgesehen erschließt die Sprache den kulturellen Reichtum (Religion, Sport, Medizin) dieses Landes. Wie lange es jedoch noch ein Sinologiestudium an der HUB gibt, weiß niemand. Es ist im Gespräch, die Sinologie an die FU zu verlegen. Da man dort das Chinesische allerdings nur in der lateinischen Umschrift lernt, die in China außer von ein paar Sprachwissenschaftlern von niemandem gelesen werden kann, würde dies zu einer extremen Verschlechterung der Studienbedingungen und des Ausbildungsniveaus führen. Ich hoffe, daß dies nicht passiert.
Reinhold Krenzer, UnAuf Nr. 33
Chinesisch an der HU: Zwischen Sprachbegeisterung und Fingerspitzengefühl
Politische Proteste, widersprüchliche Reformen und wirtschaftliches Chaos: Das China der frühen 1990er Jahre war ein Land im Umbruch. Zwar hatten nach Maos Tod die Reformen zur wirtschaftlichen Marktöffnung begonnen. An der politischen Unterdrückung und Kontrolle durch den Staat hatte sich jedoch nichts geändert. Die Weltöffentlichkeit war geschockt vom Tian’anmen-Massaker 1989, bei dem Tausende ums Leben kamen. Die chinesische Studierendenbewegung endete gewaltsam niedergeschlagen durch das Militär.
Nur wenige Studierende entschieden sich damals für das Studienfach Sinologie. Die HU überlegte sogar, das Sinologiestudium an die FU zu verlegen. Dort wurde Chinesisch nicht in Schriftzeichen gelehrt – sondern nur in lateinischer Umschrift.
An der Menschenrechtslage in China hat sich seitdem wenig geändert. Trotzdem ist das riesige Land nicht mehr abgeschottet von der Welt. China spielt als größte Volkswirtschaft und wichtiger Handelspartner mittlerweile eine große Rolle in der Welt. Und dementsprechend ist die Zahl der Sinologie-Studierenden gestiegen. Jedes Jahr beginnen 30 bis 40 Studienanfänger*innen mit Sinologie, mittlerweile integriert ins Institut für Afrika- und Asienwissenschaften (IAAW). Im Bachelorstudium wird vor allem die chinesische Sprache erlernt. Außerdem beschäftigen sich die Studierenden mit der Kultur und Geschichte Chinas. Durch den beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung Chinas haben sich Berufsaussichten stark verbessert. Sinologie-Studierende können nach der Uni zum Beispiel für NGOs, als Journalisten oder im wirtschaftlichen Bereich in China zu arbeiten. Prof. Dr. Klöter vom IAAW empfiehlt als Ergänzung zum Sinologiestudium einen anschließenden Studienaufenthalt in China. Mittlerweile gibt es einen regen Austausch mit chinesischen Studierenden.
Trotz dieser rasanten Veränderungen: Freie Meinungsäußerungen sind in China nicht erwünscht. Wer sich öffentlichkeitswirksam gegen das Regime äußert, lebt gefährlich. „Im Umgang mit der politischen Lage helfen gute Sprachkenntnisse, Fingerspitzengefühl – und im Austausch mit chinesischen Wissenschaftlern muss man Vertrauensverhältnisse aufbauen“, sagt Prof. Dr. Klöter vom IAAW dazu. Das Sinologie-Studium ist anspruchsvoll. Chinesisch zu sprechen und sich mit dem Land auszukennen, verschafft einem mittlerweile aber deutlich mehr Vorteile als früher. Und wer weiß, wie sich das Land in den nächsten 25 Jahren weiterentwickelt.
Von Clara Hellner, 19, Medizin