Unter dem diesjährigen Motto „BELIEVE“ lud die Afrikamera an verschiedenen Orten in Berlin mit einer vielseitigen Auswahl an Kurzfilmen, Dokumentationen sowie Kinofilmen aus Afrika dazu ein, globale Narrative zu hinterfragen. 

Los ging es für uns im City Kino Wedding zur “AFRIKAMERA SHORTS – DIRECTOR’S CHOICE”, bei der fünf ausgewählte Kurzfilme gezeigt wurden. Zwischen warmer Vintageatmosphäre und gut gefülltem Saal kam direkt Vorfreude auf. Schnell noch eine Rhabarberschorle von der Bar und schon ging es los!

Präsentiert wurden hier fünf Kurzfilme von Filmemacher*innen des afrikanischen Kontinents und der afrikanischen Diaspora, die von dem Festivalleiter Alex Moussa Sawadogo zusammengestellt wurden.

Unsere Favoriten wollen wir natürlich nicht vorenthalten:

„BEUTSET (L’AURORE)“, einer der gezeigten Kurzfilme, folgt Alioune, einem jungen Mann aus Dakar. In der Hauptstadt Senegals ist das Trinkwasser durch einen Parasiten verseucht. Die Regierung informiert in den Nachrichten über die tödliche Gefahr, die von ihmausgeht und wirbt ununterbrochen für das entwickelte Gegenmittel: mysteriöse schwarze Pillen, die das Wasser wieder trinkbar machen sollen. Doch diese Pillen haben eine Nebenwirkung: Sie unterdrücken das Träumen.

Alioune kann sich die Tabletten nicht mehr leisten, wodurch er der Gefahr schutzlos ausgeliefert ist. Was zunächst wie ein Todesurteil erscheint, entwickelt sich jedoch zu einer unerwarteten Befreiung. Ohne die Pillen kehren seine Träume zurück, und mit ihnen ein neues Bewusstsein. Schnell scheint alles zwischen Realität und Traum, Fantasie und Wirklichkeit zu verschwimmen. Was ist wahr? Was ist Illusion? Für Alioune und die Zuschauer*innen wird dies zunehmend schwerer zu beantworten.

Die Vielschichtigkeit des Films lässt Raum für Interpretationen und regt dazu an, über die verschiedenen Ebenen nachzudenken, die sich hier entfalten. Was bedeutet es, Träume zu verlieren – nicht nur im nächtlichen Sinne, sondern als Metapher für Ambitionen, Hoffnungen und Visionen? Die schwarzen Pillen nehmen den Menschen nicht nur die Fähigkeit, nachts zu träumen, sondern auch die Kraft, sich tagsüber ein besseres Leben auszumalen und es aktiv zu verfolgen. Sie unterdrücken die Fantasie.

Mit eindrucksvollen Bildern und intensiven Tanzszenen begleiten wir Alioune auf seiner Reise zu einem politischen und spirituellen Erwachen. Dabei wird insbesondere Tanz im Film zu einem bedeutenden Akt des Widerstands, zu einer Ausdrucksform von Freiheit und Identität.

Die 24-jährige Alicia Mendy, Tochter einer italienischen Mutter und eines senegalesischen Vaters, ist die Regisseurin des 30-minütigen Films. Für ihren Kurzfilm wurde sie beim Curta Cinema Festival in Rio de Janeiro für die beste Regie ausgezeichnet.

„Suddenly TV“ ist ein Film, der wachrüttelt. Die Zuschauer*innen tauchen direkt in die Proteste im Sudan im Mai 2019 ein. Nach dem Sturz des Präsidenten Omar al-Bashir kamen zahlreiche Bürger*innen nach Khartum, um für eine zivile Regierung zu protestieren. Die Demonstrant*innen besetzten das Gelände des Militär-Hauptquartiers und der Protest entwickelte sich innerhalb weniger Wochen zu einer utopischen Siedlung. Bibliothekszelte, Gemeinschaftsküchen, Konzerte und Krankenstationen prägten das Bild eines Ortes, der von Solidarität und Hoffnung getragen wurde.

Inmitten dieser Gemeinschaft gründet eine Gruppe junger Revolutionär*innen einenimaginären Fernsehsender, den sie „Suddenly TV“ nennen. Sie basteln eine Kamera-Nachbildung aus Pappe. Daraufhin begleiten die Zuschauer*innen sie in dem 30-minütigen Kurzfilm durch die Straßen und sind dabei, während die Gruppe jugendlicher Mit-demonstrierende mit einer Plastikflasche als Mikrofon interviewt. Die in Paris lebende Regisseurin Roopa Gogineni fängt erfolgreich ein, wie sich die jungen Aktivisten auf einem dünnen Pfad zwischen jugendlicher Heiterkeit und schmerzend-ernsten Realitäten bewegen.

Der Film thematisiert auf zunächst heiter anmutende Weise die beeindruckende Resilienz und den Zusammenhalt, den die angespannte politische Lage der Bevölkerung abverlangt. Schnell wird aber klar, wie viel vorangegangene Grausamkeit es braucht, um solch eine revolutionäre Bewegung auszulösen. Vor allem mit dem Wissen, dass seit April 2023 ein verheerender Bürgerkrieg im Sudan herrscht, war es an dem Abend für uns der belastendste, aber auch der wichtigste Film. Der Krieg schafft es selten in die westlichen Medien – und das, obwohl etwa 18 Millionen Menschen von akuter, menschengemachter Ernährungsunsicherheit betroffen sind.

Selten konnten wir so viele Informationenen, tiefgehende Denkanstöße und leichte Unterhaltung mitnehmen, wie an diesem Abend. Damit waren wir wohl nicht allein, denn die Eröffnungsveranstaltung der Afrikamera war bereits restlos ausverkauft. Den Abend der „Director’s Choice” verbuchten wir als vollen Erfolg und stiegen mit vollem Kopf und einem geweckten Informationsdurst in unsere Bahn nach Hause.

Auch in den folgenden Jahren wird es das Afrikamera-Festival geben. Die geplanten Schwerpunkte sind „CHANGE“, „REFLECT“ sowie „CREATE“.

Von Anne Marie Patzke und Kristin Ngozi Okafor