Alona Dmukhovska sitzt in ihrem Keller in Kiew fest. Sie ist eine von Hunderttausenden, denen es so ergeht. Die UnAuf hat sie vor vier Jahren auf einer Recherchereise in der Ukraine als Vertreterin einer hoffnungsvollen Generation kennengelernt, die sich für eine bessere Zukunft ihres Landes einsetzt. Wir konnten jetzt Kontakt zur ihr aufnehmen und mit ihr über ihre derzeitige Lage sprechen. 

Alona hat uns damals herzlich empfangen und durch ihre Heimatstadt geführt, war unsere „Fixerin“ vor Ort. Im Journalistensprech sind das Personen, die Kontakte vermitteln, orts- und sprachkundig sind. Kennengelernt hatten wir Alona über ein digitales Netzwerktreffen des Förderprogramms „MEET UP! Youth for Partnership“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ). Ziel von MEET UP ist es, die Beziehung zwischen jungen Europäer*innen und ihr Engagement für ein gemeinsames Europa zu stärken. Gemeinsam mit Alona planten wir einen Journalistenaustausch mit Redakteur*innen verschiedener Universitätszeitungen in Kiew im Rahmen einer Projektförderung der EVZ. Aus diesem Projekt wurde nichts, da wir die Förderung der EVZ schlussendlich doch nicht erhalten haben. Dennoch konnten wir mit anderen Fördergeldern für ein UnAuf-Sonderheft in die Ukraine reisen, mit neu gesetztem Themenschwerpunkt und anderer Förderung. Mit Alona aber sind wir über die erste Begegnung bei der EVZ in Kontakt geblieben. Sie wurde unsere Vertrauensperson in Kiew. Als Russland am vergangenen Donnerstag den Invasionskrieg auf die Ukraine begann, wollten wir wissen, ob sie in Sicherheit ist.

UnAuf: Alona, wir haben uns vor vier Jahren in Kiew kennengelernt, jetzt greift Russland die Ukraine an. Wo bist du gerade?

Alona: Ich bin immer noch in Kiew. Wir haben uns auf die Bombardierung vorbereitet, unseren Keller hergerichtet. Da wohne ich jetzt mit meinen Nachbarn: Im Keller unseres 24-stöckigen Hauses. Es ist nicht wirklich ein Luftschutzbunker, aber ziemlich stabil. Schon vor Tagen haben wir dafür gesorgt, zum Beispiel genug fließendes Wasser zu haben, ein paar Baumwollsachen zum Sitzen, und so weiter.

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Eine Szene aus dem Keller des Wohnhauses von Alona Dmukhovska am 26.02.2022. Foto: Alona Dmukhovska

Mit wem sitzt du in diesem Keller?

Also, im Grunde sind wir hier mit meinen Nachbarn und Leuten aus den umliegenden Häusern, die sich uns anschließen wollten. Wir haben nämlich ziemlich viel Platz, es reicht für alle. Lebensmittel hat jeder ein bisschen mitgebracht. Aktuell reicht unser Essen völlig aus, und die Supermärkte versuchen, die Lebensmittel mit einigen Einschränkungen zu verkaufen. Wir haben also noch eine konstante Versorgung.

Wie fühlst du dich jetzt?

Verzweifelt und schockiert. Jetzt ist es etwas einfacher, denn der erste Tag war der schwerste. Ich habe versucht, so lange wie möglich in Kiew zu bleiben, weil ich dachte, dass es dort ziemlich sicher ist. Aber die russischen Streitkräfte sind schon hier. Es gibt Kämpfe auf den Straßen. Wir erleben, wie unsere Hauptstadt bombardiert wird, und ich überlege, ob ich irgendwo anders hingehen soll oder kann, wenn ich ein Auto oder Kollegen habe, die mich abholen.

Vertraust du auf eure Armee?

Die Stärke der ukrainischen Armee ist groß, ich vertraue ihr. Es gibt jetzt auch diese Parolen, dass wir uns um unsere Aufgaben kümmern müssen, also einfach der Gefahr aus dem Weg gehen sollen. Es heißt „Versorgen Sie sich mit Lebensmitteln, schließen Sie sich den freiwilligen Streitkräften an“ und so weiter. Ich glaube, dass es am hilfreichsten ist, Geld an die ukrainische Armee zu spenden, denn die wissen am besten, was zu tun ist.

Ist dies das Ende des ukrainischen Kampfes für Frieden und Demokratie oder hast du die Hoffnung, dass ihr irgendwie gestärkt aus dieser Situation kommen könnt? 

Ich glaube nicht wirklich, dass dies das Ende des ukrainischen Kampfes für Frieden und Demokratie ist, denn solange man diesen super verrückten Nachbarn hat, ist es noch ein langer Weg bis dahin. Aber: Wir sind uns in unserer Gesellschaft dessen ziemlich bewusst. Wir sind stolz auf den Weg, den wir gewählt haben. Denn die lange Bedrohung und der Krieg jetzt haben die ganze Gesellschaft geeint. Auch wer kein Fan des Präsidenten ist, weiß jetzt: Das Hauptziel ist, zu überleben und aus den Problemen herauszukommen, die wir im Moment wegen des Krieges haben, und jeden zu unterstützen, egal wer der Oberbefehlshaber unserer Armee ist, egal wer der Präsident ist.

Was wünschst du dir von Deutschland?

Die Sanktionen zu unterstützen und vor allem das SWIFT-Bankensystem für Russland abzuschalten, denn das wird die Zahlungen für all die korrupten Geschäfte lahmlegen. Wir wollen auch NATO-Truppen in der Ukraine, die unseren Luftraum schützen. Und ich wünsche mir, dass die Deutschen nicht die Augen davor verschließen, was gerade in der Mitte Europas passiert, denn dann sind Polen und Deutschland die nächsten.


Anm.d.Red.: Zwei Tage nach diesem Interview (26.02.) beschlossen Deutschland, die USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien und die EU Kommission einen Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem SWIFT-System.

Foto: Alma Gretenkord; zeigt: Alona Dmukhovska in Kiew 2018