Ständig reden wir von Dingen, die wir ausprobieren wollen. Viel zu oft bleibt es bei dem Gedanken. In unserer Rubrik „Einmal im Leben“ ändern wir das. Diesmal: in der U-Bahn sitzenbleiben.
Friedlich schaukele ich in der U-Bahn durch die Dunkelheit, Kopfhörer in den Ohren. Ein wichtiger Chat auf dem Handy nimmt meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Ab und zu blicke ich auf und wundere mich über die finster dreinblickende Oma gegenüber. Fahren, Bremsen, Türen öffnen, Türen schließen. Der normale U-Bahn-Ablauf eben. Nach einer Weile schaue ich mich aber doch um. Ich gucke nach links und dann nach rechts, mehrere Male. Mich erfasst Panik, als ich begreife: Ich bin ganz alleine in dem riesigen Waggon! Über die wichtigen Nachrichten habe ich den freundlichen Hinweis zum Fahrtende überhört – und bin im Gegensatz zu allen anderen nicht ausgestiegen. Mitreisende können zwar echt nervig sein, aber ganz ohne erfasst mich eine Welle der Verzweiflung.
Das erste Mal in meinem Leben höre ich, wie die gelben Neonlichter in der U-Bahn in der Stille sirren. Doch auf einmal vernehme ich schwere Schritte, die mit langsamem „Bom. Bom. Bom“ auf mich zukommen. Aus dem kleinen Fauxpas wird ein großer Alptraum. Von meiner Fantasie beflügelt, mischen sich Szenen jeglicher Horrorfilme und Krimis, die ich je geguckt habe, in meinem Kopf und malen ein schauriges Bild: mein einsames Ende, blutig in der U-Bahn. „Na, sind se sitzen jeblieben?“, fragt mich die Stimme, die zu den Schritten gehört, und beendet damit mein Kopfkino. „Ja“, piepse ich verlegen. Der Schaffner lacht und ist kurz davor, seinen Weg fortzusetzen. „Was passiert denn jetzt?“, bringe ich aufgeregt hervor, nicht sicher, was geschieht, hat man erst einmal die Endstation verpasst. „Na ick schlag mal vor, dass se anner Endstation mit aussteigen.“
Etwas verloren bleibe ich sitzen und warte. Und warte. Nach einer gefühlten Ewigkeit beginnt die U-Bahn ihre neue Fahrt. An der ersten Station angekommen, verlasse ich die Bahn und blicke in die Dunkelheit. Allein in Neu-Westend.