„Denn Wissen und Aufklärung sind oft Mangelware in einer Gesellschaft, die diese Themen als als feministische Luxusforderung, als Nischenthema. Da gibt es ganz, ganz viel aufzuholen.“

Feminismus. Das ist ein Sammelbegriff für soziale Bewegungen, die gegen die Diskriminierung von Frauen* in der Gesellschaft kämpfen. Ein Kampf gegen Sexualisierung und das Patriarchat, ein Kampf für Gleichstellung und die Menschenrechte aller. Anlässlich des am 8. März stattfindenden Internationalen Frauen*tages, ein feministischer Kampftag, haben wir mit drei Frauen gesprochen, die sich unterschiedlich für ein Ende anhaltender Diskriminierungen gegen Frauen* einsetzen. ‚Unladylike‘ erheben sie ihre Stimme und definieren geschlechterstereotypische Vorstellungen vom ‚Ladylike-Sein‘ um.

Die Buchautorin, Podcasterin und Menstrutionsaktivistin Franka Frei fühlt den Dingen hinter dem Tabu auf den Zahn. Seit die gebürtige Kölnerin ihre Bachelorarbeit über die gesellschaftliche Tabuisierung der Menstruation geschrieben hat, bereist sie die Länder dieser Welt, um mehr über die Lebenssituation und reproduktiven Rechte von Frauen herauszufinden – und zieht Bilanz: Verhütung sei ungerecht zwischen Männern und Frauen aufgeteilt, dass Frauen menstruieren tabuisiert. 

„Mit meiner Bachelorarbeit habe ich auch erst richtig so, mind-blow-mäßig, gesehen, wie viele Forschungslücken eigentlich bestehen und wie viele Probleme daran liegen, dass das Thema eben nicht als wissenschaftlich betrachtet wird.“ Turns out: Weniger sichtbar, weniger wirtschaftsrelevant, weniger wichtig – so stehe es um Themen, die den weiblichen Körper betreffen. Note Mangelhaft. Das hat Franka Frei am eigenen Leib zu spüren bekommen, als ihr durch die Prüfenden ihrer Hochschule eindrücklich signalisiert wurde, das Thema ‚Menstruation‘ sei zu tabu und sie solle lieber ein anderes wählen. „Ich war total überfordert und ich habe mich auch geschämt. Ich dachte ‚Oh Gott, wie kann man es denn wagen, eine wissenschaftliche Arbeit über Menstruation schreiben zu wollen?‘“ Der Zuspruch ihres sozialen Umfelds bestärkte Franka Frei jedoch in ihrem Vorhaben. Ihre gewonnene Lehre: Zum ‘Tabu-Nein’ auch mal ein ‘Doch’ sagen. „Wenn es heißt, das ist nicht relevant, das ist nicht wichtig, dann geht es gerade darum, dran zu bleiben.“ 

Aus vermeintlicher Unrelevanz resultierende Wissenslücken bestünden beispielsweise darin, dass die Behandlung frauen*spezifische Krankheiten chronisch unterfinanziert seien. Das sei etwa bei der Unterleibs-Erkrankung ‚Endometriose‘ der Fall gewesen, bei der sich gebärmutterähnliches Gewebe im Bauchraum ansammelt, welches starke Schmerzen verursacht und die Fruchtbarkeit lindert. Die Krankheit sei zwar mittlerweile vielen ein Begriff, die Schmerzen der Betroffenen aber lange nicht ernst genommen worden. „Dieses Abtun, das hat auch was mit einer systematischen, kulturellen Tabuisierung zu tun. Dass man sagt, ‚Das ist nicht wichtig‘, ‚Das ist kein reales Problem.’“


Das von Frauen performte Tabu: Kleinreden, Schämen, Verstecken – Allesamt Verhaltensweisen, die Frauen während ihrer Regelblutung offenbar an den Tag legen. Abgesehen von spärlicher Forschung, sowie fehlendem Zugang zu Medikamenten und Therapien zu und gegen Menstruationsbeschwerden, beschäftigen Menstruierende auch Sorgen wie, „Ich habe Angst, dass jemand sieht, dass ich blute. Ich habe Angst, keine Toilette zu finden, wo ich meine Menstruationsprodukt wechseln kann. Ich kann mir kein Menstruationsprodukt leisten.“ Die seien ganz klar  Probleme von weltweitem Ausmaß. Durch ihre ländervergleichende Forschung wird klar, dass das Selbstbild Deutschlands einer fortschrittlichen, aufgeklärten Gesellschaft nicht haltbar zu sein scheint.. Mangelnde Aufmerksamkeit für die weibliche Menstruation sei auch hierzulande ein ernst zu nehmendes Problem, nicht Sache eines vermeintlich ‚rückständigen’ Globalen Süden‘. In diesem postkolonialen Ablenkungsmanöver sieht sie selbst die Ursache für die Lücken in Forschung, Medizin und Gesellschaft. „Das zeugt ja auch von einer Arroganz, von einer Ignoranz, die dazu führt, dass das Problem klein geredet wird.“

Ein reales Problem stellt auch die gängige Art zu verhüten dar. Bedenklich sei nicht nur die nach wie vor boomende Antibabypille, eins der beliebtesten Verhütungsmittel. Denn die schwangerschaftsvermeidende Tablette greife stark in das hauseigene Hormonsystem der Frau ein, und in Begleitung einer langen Liste mit Nebenwirkungen für Haut, Hirn und Knochen, auf den gesamten Körper der Frau. Die verfügbaren Verhütungsmittel seien vor allem äußerst ungleich auf die Geschlechter aufgeteilt. Während alle mit Gebärmutter aus einer breiten Palette an Pillen, Spiralen, Spritzen, Stäbchen und Implantaten auswählen können, sieht das Verhütungsangebot für Spermienproduzierende dagegen mager aus. Obwohl die Verantwortung für Schwangerschaft für Franka Frei auch eindeutig bei Cis-Männern liege.

 

In Verantwortung setzt Franka diejenigen, die an den längeren staatlichen Hebeln sitzen. “Da stößt die Forschung immer wieder an ihre Grenzen, weil es einfach ein chronisch unterfinanzierter Bereich ist. Es könnte längst dutzende Mittel geben, dutzende! Aber es fehlt eben das Geld.” Denn warum solle ein Verhütungsmittelindustrie, die sich am “Million-Dollar-Baby” Antibabypille eine goldene Nase verdient, umsatteln?

Verhütung solle also gerecht verteilt werden. Das meint, das Ungleichgewicht zwischen Methoden, die auf Frauen und Männer zugeschnitten sind, zu stabilisieren. Franka Frei denkt in ihren Forderungen aber noch einen Schritt weiter, noch größer. Denn es gehe darum, den Zugang zu Methoden der Verhütung allen Frauen in jedem Land zu ermöglichen. Und, ganz wichtig: Dass nur dann verhütet werde, wenn sich Frauen auch selbstbestimmt dafür entschieden haben. „Verhütung ist eine tolle Sache, aber sie muss gerechter verteilt werden. Sie muss mehr mit eigentlicher Selbstbestimmung zu tun haben.“

In diesem Vorhaben sieht sich Franka Frei auch selbst in der Verantwortung. „Das hat damit zu tun, dass ich einfach aus einem europäischen Kontext komme, dass ich eine weiße Cis-Frau bin, dass ich unzählige Privilegien habe und dass ich deswegen meine Aufgabe auch darin sehe, einen Teil dazu beizutragen, Kämpfe für reproduktive Gerechtigkeit zu verbinden, indem ich Brücken baue.“ Es gehe darum zuzuhören, voneinander zu lernen, um der Frage nachzugehen, wie sich feministische Bewegungen verbinden lassen. „Das hört sich immer so ein bisschen nach Pfefferkörner, Wilde-Hühner-Bande an, aber gemeinsam sind wir stärker. Das ist wirklich so.“

 

All ihre Erkenntnisse zur weiblichen Menstruation und zu unserer Welt der Verhütung hat Franka Frei ausführlich in zwei Büchern festgehalten, denen voraussichtlich noch weitere folgen werden. „Denn Wissen und Aufklärung sind oft Mangelware in einer Gesellschaft, die diese Themen als unwichtig abtut, als feministische Luxusforderung, als Nischenthema. Da gibt es ganz, ganz, ganz viel aufzuholen.“

 


Foto: Linda Rosa Saal