Durch die geplanten Kürzungen des Berliner Kulturfonds drohen der kulturellen Berliner Szene verheerende Folgen. So soll es zumindest kommen, wenn man diesen ganzen gierigen Künstler*innen glaubt, die doch einfach nur keinen Bock haben, ihren „Sparmuskel“ mal ordentlich zu flexen. Eine kurze Einschätzung zur sich stets entwickelnden Lage und eine einfache Erklärung, warum doch nicht alles ganz so einfach ist.
Künstler*innen haben ja schon einen Hang zur Dramatik, oder? Kaum will man 130 Millionen Euro einsparen, schon versammeln sie sich zu einem Trauermarsch für die Berliner Kulturszene. Worüber regen die sich alle eigentlich so auf? Schließlich soll der Kulturfonds für den kommenden Jahreshaushalt ja immer noch über eine Milliarde Euro betragen.
Nur gut, dass ich erstmal ein paar Tage gewartet habe, bis ich mich weiter mit der Frage beschäftigt habe. Scheint ja nun doch alles nicht so schlimm zu werden wie befürchtet: Die Theater müssen weniger kürzen und auf einmal können Zuschüsse an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz von etwa sechs Millionen Euro eingespart werden, die in den ersten Kürzungslisten nirgendwo zu sehen waren.
Damit kann die Antwort auf die Frage bezüglich der „Aufregung“ gut mit einem Wort beantwortet werden: „Dummheit“. Entschuldigung, ich meinte natürlich die diplomatische Variante „Unüberlegtheit“. Dass auf einmal Geld irgendwo auftaucht oder man durch Dialoge (!) mit den betroffenen Personen und Institutionen zu einer praktikableren Lösung gekommen ist, hätte ja auch wirklich keiner von den Regierungsbeauftragten ahnen können…
Aber für mich persönlich bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die Kulturraum Berlin gGmbH, die seit 2020 bezahlbare Arbeitsräume für die Freie Szene vermittelt, soll weiterhin komplett abgeschafft werden. So war es ja auch verkündet worden. Nur scheint es jetzt so, dass doch noch geprüft werden muss, wie mit längeren Mietverträgen umzugehen ist, die natürlich auf einer gewissen Vertrauensbasis zwischen Subventionsgeber, sprich dem Land Berlin, und den Subventionsnehmern, sprich der Freien Szene und deren Vermietergesellschaften, geschaffen wurde. Eventuell ergeben sich durch die Rechnung des Senats sogar Regressforderungen, die die eingesparten Mittel übersteigen könnten. Konnte ja auch keiner ahnen, es sei denn, man hätte vorher mal……
Gemeinsam mit meinen drei Bandmitgliedern bezog ich im Februar dieses Jahres einen subventionierten Proberaum an der Grenze zwischen Marzahn und Lichtenberg. Ein Proberaum, der uns bereits im Dezember 2021 zugesagt worden war. Mit einem anvisierten Einzugsdatum im Januar/Februar 2022. Mangels einer Baugenehmigung der zuständigen Baubehörde verzögerte sich der Umzug um ganze zwei Jahre. Letztlich kam man in der Behörde nach zwei Jahren doch zu der überraschenden Erkenntnis, dass ein Gebäude, das bereits vorher von Musiker*innen genutzt wurde, keine Wohngebiete in der Nähe hat und nur von Gewerbe und Industrie umgeben ist, vielleicht doch für die Nutzung durch Musiker*innen geeignet sei. Hätte ja auch keiner ahnen können.
Jetzt ist man kaum ein Jahr drin, hat für geplante vier Jahre Mietdauer Investitionen getätigt und dann entscheidet der Senat, dass es bei einer Lücke im Haushalt am sinnvollsten wäre, das Projekt komplett zu streichen. Irgendwo habe ich gelesen, dass man Betroffenen riet, „wirtschaftlicher“ zu denken und einfach mehr Einnahmen zu generieren. Jeder weiß ja, dass die freie kulturelle Szene nur so vor Möglichkeiten wimmelt, überall und jederzeit die Einnahmen erhöhen zu können. Kein Problem, denn wir leben ja auch in (k)einer Welt, in welcher der Durchschnittsmensch bereit ist, maximal zehn Euro im Monat für eine unbegrenzte Menge an Musik zu zahlen, in der man als Veranstalter*in ab 22 Uhr an den meisten Veranstaltungsorten mit einer Anzeige rechnen muss, sollte man auch nur etwas länger arbeiten wollen, oder in der man damit rechnen muss, dass durch generative Künstliche Intelligenz die Einnahmen der Musikindustrie um ca. 25% sinken werden bis 2028.
Vergangenen Sommer hatten wir versucht, im Rahmen der Fête de la Musique im Görlitzer Park umsonst und draußen ein kleines Konzert zu geben, nur um dann vom Grünflächenamt verscheucht zu werden. Da hatten wir offenbar, wie ich jetzt erkennen muss, wohl das falsche Fazit aus dem Ganzen gezogen: Wir hätten einfach nur ‚wirtschaftlicher‘ denken müssen! Wer ist schon so dumm und bietet Musik umsonst an?!
Ich bin nicht naiv und will auch nicht den Anschein vermitteln, dass nicht jede*r das Recht hätte, mit allem Geld zu verdienen, auf das man gerade Bock hat und wofür sich ein zahlungswilliges Publikum finden lässt. Alles was ich sagen möchte ist, dass wenn man schon dabei ist, Künstler*innen den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, die sich jeden Tag damit befassen müssen, wie sie über die Runden kommen, sollte man nicht so zynisch sein, zu Einnahmeerhöhungen als Lösung des Problems zu raten. Sinnvoller wäre es, auch für die Planbarkeit von Investitionen, die Betroffenen von Anfang an in die Überlegungen miteinzubeziehen. Denn gerade die Künstler*innen und die kulturellen Institutionen sind ein maßgeblicher Grund dafür, warum Berlin als „sexy“ bezeichnet wird. Sie sind ein unverzichtbarer Teil dieser Gesellschaft und bereit, ihren Anteil beizutragen, auch finanziell. Leider scheinen die Entscheidungsträger*innen bei ihren „Novellierungen“ der Sparvorhaben die Kommunikation zu meiden und den Betroffenen lieber gute Ratschläge zur Gewinnmaximierung und zum Aufbau eines soliden finanziellen Standbeins zu geben. Während man ungerührt Kahlschlag im Kulturbereich betreibt und damit Existenzen vernichtet. Vielleicht ist ja gewollt, oder wird zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Kulturszene sich in die Schlangen vor den Sozialämtern einreiht anstatt mit geringen Förderungen wie günstigen Proberäumen unterstützt zu werden.
Christiane Peitz vom Tagesspiegel hatte die Situation zuletzt so zusammengefasst: „der Schaden durch das chaotische Hü und Hott ist da. (…) Die Politik ist für die Kultur kein verlässlicher Partner.“ Ich würde dies nur marginal ergänzen wollen: Politik, die den Wert von Kultur für die Gesellschaft verkennt und deren Wert auf Geld zu reduzieren versucht, ist für die Kultur nicht nur kein verlässlicher Partner – sie ist einfach nur zum Kotzen.
Foto © Noah.