In der Schaubude sind es zwei Teufel, die die Stadt in Schutt und Asche legen. Christine Zeides spielt in einer eindrucksvollen Performance mit ihren selbstgebauten Puppen eine eigene Adaption des Dramas Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch. Am Ende des Stückes bleibt ein Wow, aber auch ein Gähn.

Für alle, die denken, Puppentheater sei nur für Kinder, ist diese Inszenierung ein Lehrstück. Auf einer kleinen Bühne steht Christine Zeides und hantiert gezielt ruckartig mit kleinen Figuren aus Draht herum. In dieser Manier erzählt sie die Geschichte von Gottlieb Biedermann, einem Haarwasser-Unternehmer mit zu großer Klappe.

Brandstifter seien in der Stadt – so die Zeitung auf Biedermanns Frühstückstisch. Die drahtige Figur in Zeides Hand gestikuliert wichtigtuerisch, während sie empört auf dem kleinen Tisch vor ihr umher stolziert. Die Brandstifter würden sich als harmlose Hausierer ausgeben, die mit demütiger Miene an der Tür um Obdach bitten.

Biedermann weiß natürlich genau, was da zu tun ist: Einsperren sollte man sie alle. Doch als Josef Schmitz, ein Ex-Ringer und Hausierer, vor der Tür steht, lässt er sich um den Finger wickeln. Ein bisschen Vertrauen müsse man heutzutage doch haben. An diesem Motto hält er auch dann noch fest, als Schmitz Benzinkanister in den Dachboden räumt. Er sei einfach zu gutmütig, das werde ihn eines Tages noch teuer zu stehen bekommen.

Es ist bewundernswert, wie Christine Zeides Figuren hin und her bewegt, ihre Stimme im Sekundentakt mal aufgeblasen unternehmerisch, mal unterwürfig gerissen klingen lässt und dabei das ganze Publikum in ihren Bann zieht. Die drahtigen Figuren unterstreichen dabei nur die aufgesetzte Hilfsbereitschaft Biedermanns, der in dieser Inszenierung übrigens ausdrücklich in Deutschland lebt. Mit steifem Rücken gewährt er auch einem zweiten Hausierer Obdach, der ihm ohne Not von geklauter Zündwolle erzählt.

Dem Publikum ist klar, wie es enden muss. Das Haus steht in Flammen, Biedermann hat den Hausierern das Streichholz in die Hand gedrückt. Man müsse schließlich ein bisschen Vertrauen haben. Aus der zerstörten Stadt kommt Biedermann im Jenseits an. Selbstverständlich hält er sich für den Himmel würdig, bemerkt aber schnell die tobenden Flammen und den Dampf, den Zeides aus einer Nebelmaschine hinter dem Tisch hervorkriechen lässt.

In der Hölle begegnet er seinen beiden Brandstiftern. Nur, dass es keine Brandstifter mehr sind, sondern zwei Teufel. Und das ist angesichts des mephistophelischen Charakters der beiden Hausierer sehr gelungen. So weit so gut. Doch hier driftet die Inszenierung leider in das Gähn ab. Denn die Teufel erzählen, dass sie immer mal wieder auf die Erde kommen würden, um alles niederzureißen. Und immer wieder hätten die Menschen vergessen, was gegen sie zu tun sei. Das letzte Mal liegt nicht mal 100 Jahre zurück.

Und hier zeigt sich genau der Grund, warum selbst Max Frisch Fans mittlerweile in ein ahnungsvolles Seufzen verfallen, wenn Biedermann und die Brandstifter mal wieder auf dem Programm steht. Denn ja, das Drama erzählt mit Sicherheit von der Machtergreifung der Nazis, die symbolisch für die Brandstifter stehen. Und ja, dieses Schema kann man auch auf heutige Zeiten übertragen, in denen die CDU kurz davor steht, den Brandstiftern das Streichholz in die Hand zu drücken. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Drama mehr ist als nur eine Warnung vor bösen Nazis. Denn was macht es mit einem Menschen, der sich unbedingt für den Guten halten muss? Warum muss er das überhaupt? Was hat es mit seinem Unternehmertum auf sich? Anstatt auf diese Fragen (oder zahlreiche andere) einzugehen, macht die Inszenierung das Hauptthema noch expliziter. So hätte man gleich ein Schild aufstellen können, auf dem steht: „Habt ihr verstanden? Vor 100 Jahren? Da waren die Nazis in Deutschland.”

Die Inszenierung Christine Zeides scheitert an dem eigentlich sehr facettenreichen Stück. Aber dennoch: Dank viel Witz und beeindruckendem Geschick bleibt der Abend unterhaltsam und kurzweilig. Eine Empfehlung für alle, die das Puppen-Theater unterschätzen.


Foto: Julia Litvin