Das SchwuZ ist seit Jahrzehnten der queere Club Berlins. Nun musste er Insolvenz anmelden. Was bedeutet das für die Berliner Club-Kultur und queere Menschen in Berlin? Ein Gespräch mit Katja Jäger, Geschäftsführerin des SchwuZ. 

UnAuf: Was macht das SchwuZ für dich zu einem Safe Space? 

Katja: Beim SchwuZ sprechen wir eher von einem Safer Space als von einem Safe Space, weil wir davon ausgehen, dass wir nie eine vollständige Sicherheit gewährleisten können. Für mich bedeutet Safer Space, dass das SchwuZ ein Ort ist, wo queere Menschen sich ausleben können, ohne Sorgen, von der Mehrheitsgesellschaft verurteilt zu werden. Für viele Leute sind wir seit Jahren, oder sogar Jahrzehnten, wie ein zweites Wohnzimmer. Ein düsterer Techno-Club hat zwar auch seine Vorzüge, gleichzeitig ist das SchwuZ ein sehr besonderer Ort. 

UnAuf: Vom Clubsterben sind in Berlin leider viele Clubs betroffen. Spielen queere Clubs dabei eine besondere Rolle? 

Katja: Das Clubsterben ist ein allgemeines Problem. Gerade durch die Mieterhöhungen in Berlin, den Fakt, dass Menschen durch die Inflation weniger Geld haben, und durch eine andere Sozialisierung durch Corona, verändert sich das Ausgehverhalten. Davon sind alle Clubs betroffen. Ich glaube trotzdem, dass das SchwuZ, als Safer Space für queere Menschen, einen besonderen Schutz genießen muss. Es ist schön, dass gerade viele junge Menschen das Gefühl haben, auch in anderen Clubs queer sein zu können. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass es allen so geht. 

UnAuf: Was bedeutet das Insolvenzverfahren, das im Oktober eingeleitet wird, für dich und den Rest des Teams? 

Katja: Insolvenz bedeutet nicht zwangsläufig Stilllegung. Es geht jetzt darum, zu gucken, wie es weitergehen kann, und auch, wie wir das SchwuZ in den Händen der Community behalten. Zwar wird es in Zukunft eine neue Rechtsform geben müssen, trotzdem wünschen wir uns, dass das SchwuZ das SchwuZ bleibt, einschließlich der Angestellten und Gäst*innen. Da liegt viel vor uns und es wird sehr bald nochmal ein Aufruf an die Community kommen. Wir haben einen klaren Fahrplan und den müssen wir jetzt umsetzen. 

UnAuf: Vor deiner Position als Geschäftsführerin des SchwuZ hast du in der Demokratieförderung gearbeitet. Nun hast du es dir zur Aufgabe gemacht, im SchwuZ auch gesellschaftlichen und politischen Themen einen Raum zu geben. Was heißt das?  

Katja: In meiner vorherigen Arbeit habe ich mich viel mit gesellschaftlichem Zusammenhalt beschäftigt. Eine spannende Erkenntnis war für mich, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozioökonomischer Hintergründe an alltäglichen Orten nicht mehr so viel zusammenkommen. Clubs sind für mich Orte, an denen gesellschaftlicher Austausch auf eine besondere Art stattfindet. Das SchwuZ selbst ist ein queerpolitischer Ort und ich denke, diese politische Identität, die das SchwuZ schon immer hatte, gilt es zu stärken. Für viele Menschen war es der erste Ort, an dem sie gesehen haben, dass man auch anders leben und sich frei fühlen kann. Das möchte ich bewahren.

UnAuf: Wie funktioniert es, sowohl den Wurzeln des SchwuZ treu zu bleiben, als auch seine Zukunftsfähigkeit zu fördern?

Katja: Bei einem Haus mit viel Historie ist das gar nicht so einfach zu sagen, jetzt machen wir mal etwas Neues. Ich glaube, dass so etwas nicht im Alleingang zu gestalten ist, weshalb ich mich immer mit den Menschen rückversichere, die schon eine Weile hier sind. Es geht um Zusammenarbeit im Team, aber auch um den Austausch mit der Community. In Umfragen versuchen wir herauszufinden, was den Menschen früher wichtig war und was ihnen vielleicht heute fehlt. Ich glaube aber auch, dass sich Dinge verändern dürfen, das aber nicht Knall auf Knall passieren sollte.

UnAuf: Wie schätzt du die Bereitschaft der Besucher*innen ein, das SchwuZ selber finanziell zu unterstützen?

Katja: Grundsätzlich ist die Bereitschaft sehr groß, uns zu helfen. Das merkt man auch in der Resonanz, gerade auf Social Media. Ich glaube auch, dass die Menschen, die Geld geben können, das tun werden. Das SchwuZ soll ein möglich barrierearmer Raum sein, was wir durch die Ticketpreise teilweise nicht immer ermöglichen können. Möglichkeiten, auch ohne viel Geld zu partizipieren, möchte ich beibehalten, natürlich muss man aber immer gucken, wie es sich ökonomisch trägt.

Jetzt aber glaube ich sehr stark daran, dass die Community uns unterstützen wird, was sie auch in der Corona-Zeit schon getan hat. Von der Resonanz, die wir bekommen, würde ich die Bereitschaft absolut gut einschätzen. 

UnAuf: Wurde mal in Betracht gezogen, die Ticketpreise allgemein zu senken? 

Katja: Grundsätzlich ist das immer eine Diskussion. In den letzten Monaten war es wegen der Insolvenz aber zu spät, dieses Experiment zu wagen und somit ein großes finanzielles Risiko einzugehen. Gerade jetzt müssen wir uns überlegen, wie der Club kostendeckend arbeitet und gleichzeitig offen für die Community bleibt. Ich finde die aktuelle Regelung des kostenlosen Eintritts zur Pepsi Boston Bar ist eine gute Möglichkeit. Tatsächlich kann man auch über ein Online-Ticket im Vorverkauf sparen. Wir haben außerdem das SchwuZ Unlimited Abo, das man monatlich kündigen kann. Für 29,90 Euro kann man unbegrenzt ins SchwuZ gehen und kriegt einen Rabatt an der Bar. Grundsätzlich schauen wir zukünftig weiter, was Menschen bereit sind zu zahlen und was sie sich leisten können.

UnAuf: Was ist deine Antwort auf die Kritiker*innen, die die Insolvenz mehr als ein hausgemachtes Problem sehen und sowohl dich, als auch die vorherige Geschäftsführung kritisieren? 

Katja: Ich glaube, diese Kritik ist ernst zu nehmen. Im letzten Jahr haben wir aber schon viele Dinge geändert und zum Beispiel Bereiche zusammen gelegt, die vorher getrennt waren. Wir haben auch neue Konzepte, wie ein Format, bei dem wir neue Künstler*innen einladen, die bei uns zum ersten Mal auflegen. Wir arbeiten auch viel mit Kollektiven, wie der Furiosa Party, der Revolver Party oder einer Gothic Party aus Mannheim zusammen. Insoweit würde ich den Menschen nicht absprechen, dass sie mit ihrer Kritik einen wichtigen Punkt ansprechen und gleichzeitig lade ich sie nochmal ein, vorbeizukommen. Ganz oft waren die Leute nämlich vor fünf Jahren das letzte Mal da und seitdem hat sich vieles verändert.

UnAuf: Wie ist es, die erste weibliche Führungsperson des SchwuZ zu sein?  

Katja: Grundsätzlich muss ich als weibliche Führungsperson gegen patriarchale Strukturen ankämpfen. Das ist auch als Geschäftsführung eines queeren Clubs der Fall. Ich finde, es war eine wichtige Entscheidung und ein Zeichen für die Weiterentwicklung des SchwuZ, eine Frau zur Geschäftsführerin zu ernennen. Früher war es ein schwuler Club, heute ein queerer. Gesamtgesellschaftlich haben wir beim Thema Frauen in Führungspositionen aber natürlich noch viel zu tun.

UnAuf: Denkst du, dass durch die Mainstream-Pop-Partys im SchwuZ subkulturelle Tiefe verloren gegangen ist? 

Katja: Ich glaube, dass Formate wie das Lana del Rave auf eine gewisse popkulturelle Veränderung eingehen. Und gerade bei einem Gäst*innenrückgang müssen wir natürlich schauen, wie wir vorgehen. Wir haben aber nach wie vor beides. Das schönste Modell ist, meiner Meinung nach, am Vorabend etwas subkulturelles, weniger bekanntes im Haus abzubilden und es später zu einer Party werden zu lassen, die mehr dem Mainstream entspricht.

UnAuf: Du hast schon erwähnt, dass sich gerade das Ausgehverhalten und auch das Konsumverhalten der jüngeren Generation verändert hat. Wie kommen die Sober Partys im SchwuZ an und wie wichtig findest du sie?

Katja: Ich finde sie aufgrund ihres Statements total wichtig. Es geht eben nicht nur um alkoholischen Konsum oder sonstige Drogen. Zugleich sind die Sober Partys aber auch ein gefördertes Projekt von einem Kollektiv, mit dem wir zusammenarbeiten, sie sind also bis jetzt nicht wirtschaftlich tragfähig. Wir als Club müssen uns natürlich an ein verändertes Ausgehverhalten anpassen und ein gutes Angebot schaffen und die Sober Partys waren auch eine Reaktion auf ein verändertes Konsumverhalten. Wirtschaftlich stellen sie aber noch keine Lösung für uns dar. Meine Vision ist, dass diese Dinge in Zukunft durch andere Partys querfinanziert werden.

UnAuf: Hast du Hoffnung auf neue queere Initiativen neben dem SchwuZ, die die queere Community in Berlin unterstützen, vielleicht auch aus studentischer Richtung? 

Katja: Ich glaube, gerade ist es eine schwere Zeit, neue queere Initiativen aus der Taufe zu heben, da es gesellschaftlich gerade schwieriger wird für queere Menschen und wir unsere Rechte verteidigen müssen. Außerdem ist es gar nicht so leicht, neue Initiativen zu starten. Ich glaube, dass es da aus studentischer Sicht viel Potenzial gibt, weil man gerade in der Zeit des Studiums gewisse Denkweisen herausfordert. Gerade das ist in queeren Lebensrealitäten leider immer noch sehr stark notwendig, weil man sich oft behaupten und erklären muss. Ich wünsche mir, dass das anders wird und glaube, dass gerade junge Menschen da eine wichtige Rolle spielen. 


Foto: Jackie Baier.