Gelächter auf dem Schulhof und fröhliche Kinderstimmen, was zunächst wie ein ganz gewöhnliches Schulfest erscheint, wird plötzlich von lauten Warnsirenen und anschließender Flucht in den Schutzbunker auf dem Schulgelände unterbrochen. Strichka Chasu, unter der Regie von Kateryna Gornostai, feier auf der 75. Berlinale Premiere und wird von tosendem Applaus begleitet, während im Kinosaal Menschen mit Ukraine-Fahnen ein bewegendes Zeichen der Unterstützung setzen.
Der Dokumentarfilm, der von März 2023 bis Juni 2024 gedreht wurde, gibt Einblicke in den Schulalltag in der Ukraine, der trotz Krieg versucht wird, so gut es geht aufrechtzuerhalten. Dabei zeigt der Film verschiedene Schulen, die unterschiedlich nah am Kriegsgeschehen liegen. Eins haben jedoch alle Schulen gemeinsam: Lehrkräfte geben ihr Bestes, um Kindern und Jugendlichen selbst unter den enormen Herausforderungen viel Stabilität zu ermöglichen. Die durch den Krieg entstandene neue Art von „Normalität“ und Routine wirkt inmitten der Ausnahmesituation fast surreal. Wenn wieder einmal der Luftalarm ertönt, gehen die Grundschulkinder gelassen und in gewohnter Weise in den Keller, um sich auf den kleinen Holzbänken niederzulassen und mit ihren Klassenkamerad*innen unbeschwert zu quatschen. Während in der Ferne das dumpfe Grollen von Bomben zu hören ist, albern sie mit Freund*innen herum oder lernen im Keller fleißig weiter. Es ist ein Alltag, der für uns Außenstehende absurd scheint, aber gleichzeitig zeigt, wie sehr sich selbst die Kleinsten an erschütternde Situationen gewöhnen können.
Doch hin und wieder bricht die traumatische Realität des Krieges durch, wie in dem Moment, als ein kleines Mädchen zu weinen beginnt, weil sie ein Bild ihres Vaters in seiner Kriegsmontur sieht oder wenn einer Grundschulklasse Fotos von Bomben und Granaten gezeigt wird, um sie vor möglichen Gefahren zu warnen.
In einer Stadt, nur 18 Kilometer von der Kriegsfront entfernt, ist der Großteil der Stadt bei einem Angriff zerstört worden, weshalb die Schüler*innen den Unterricht nicht wie gewohnt vor Ort durchführen können. Eine Schülerin muss sogar allein vor ihrem Computer an der Abschlusszeremonie teilnehmen. Etwas weiter entfernt vom Kriegsgeschehen feiern weitere Absolvent*innen ihren Schulabschluss, drehen TikToks und tanzen zur Musik – ein Moment der Freude inmitten der Unsicherheit. Die Direktorin beendet ihre Abschlussrede mit den eindringlichen Worten, dass es nun die Aufgabe der Absolvierenden sei, das Land wieder aufzubauen.
„Strichka Chasu“ ist ein eindrucksvoller Dokumentarfilm, der es selbst angesichts der äußeren Bedrohung schafft, Schule nicht als Ort der Angst, sondern als Ort des Lebens und der Hoffnung zu präsentieren. Ungeachtet des Krieges setzen Lehrende sowie Kinder und Jugendliche ihre Alltagsroutinen fort, lassen sich nicht von den äußeren Umständen erdrücken, sondern gehen ihren Weg und blicken ihrer Zukunft trotz all der Hindernisse entschlossen entgegen. Auch in den Momenten, in denen die Trauer und der Schmerz durchbrechen, bleibt der Film nicht nur auf das Trauma fokussiert, sondern zeigt auch die Resilienz und die Kraft der Menschen, weiterzumachen.
Foto: Oleksandr Roshchyn