Das „StuPa“ diskutiert über Antisemitismus, die Boykottbewegung BDS und das eigene Verhältnis zum Krieg in Gaza. Während die einen damit beschäftigt scheinen die Arbeit des Parlaments zu verlangsamen, werfen andere dem versammelten Plenum Antisemitismus vor.

In der konstituierenden Sitzung des 33. Studierendenparlaments der Humboldt-Universität, welche am Montag, den 10.11. stattfand, machten die Listen das Parlament durch die Wahl eines neuen Präsidiums arbeitsfähig und trugen außerdem altbekannte Positionen vor.

Pikant: Äußerungen der Juso Hochschulgruppe vor Sitzungsbeginn und das türenknallende verlassen des Saals durch eine kleine, aber ambitionierte Fraktion.

Das 33. StuPa wurde am 03.07.2025 von nur vier Prozent der Studierenden gewählt und zwar mit folgenden Ergebnissen: Die Linke Liste (LiLi’s) sind mit einer nahezu absoluten Mehrheit von 43 Prozent mit 26 Sitzen in das Parlament eingezogen. Die Gruppe Grünboldt hat 18 Prozent geholt und damit elf Sitze. Die Offene Liste Kritischer Studierender (OLKS) ist mit sieben Sitzen vertreten, also mit elf Prozent der Stimmen gewählt. Darauf folgen die Juso’s (Junge Sozialisten, die Jugendorganisation der SPD) mit zehn Prozent und sechs Sitzen, Schlusslichter bilden „Die Normalen“ also der Ring Christlich Demokratischer Studierender (RCDS) und die die International Youth and Students for Social Equality beide jeweils mit drei Sitzen, beziehungsweise fünf Prozent.

Wer vor Sitzungsbeginn im Plenarsaal von der freien Platzwahl Gebrauch gemacht hat und sich in die Nähe der Jusos gesetzt hat konnte folgendes vernehmen: Die Jusos seien, so stellt es eine erfahrene Jungsozialistin dar, die „Rechtesten außer den Rechten selbst“. Außerdem seien sie die „Uncoolen“, alle würden sie hassen. Diese Ablehnung den Jusos gegenüber entlud sich bei der Abstimmung um eine sogenannte Beschlussbereinigung die darauf abzielte, einen früheren Beschluss aufzuheben. Dieser beinhaltete die vollumfängliche Verurteilung der BDS-Bewegung. Das Kürzel steht für Boycott, Deinvestment, Sanctions und richtet sich gegen jegliche Investitionen in die israelische Wirtschaft. Die Bewegung fordert den Boykott von Produkten, die in Israel produziert werden und setzt sich für weitreichende Sanktionen gegenüber dem israelischen Staat ein. Die Bewegung versucht so schon seit langem und den Krieg in Gaza zu stoppen.

2018 verurteilte das StuPa und auch die Linke Liste die BDS als antisemitisch und leitete aus seiner Israel-Solidrarität den Boykott der Boykott Bewegung ab. Konkret werden lassen wollte das StuPa diese Verurteilung im Entzug „jedweder Unterstützung“ solcher Gruppen, also „die Vergabe von Räumen, finanziellen Mitteln und anderen Ressourcen“. Dieser Beschluss bestand in der Form seit 2018, bekräftigt wurde er über die Jahre von diversen Anträgen der Jusos die die Unterstützung und Solidarisierung mit Israel unterstreichen wollten.

Die LiLi’s wollten dies nun durch die Verabschiedung eines entsprechenden Antrags ändern, also ihre eigene Position durch die „Beschlussbereinigung“ ganz offiziel umkehren. In ihrer Wortmeldung zum Antrag warf ein Juso Mitglied dem Parlament blanken Antisemitismus vor. Wer Gruppen unterstützen wolle, die BDS unterstützen, sei selbst antisemitisch. Ihre Wortmeldung eröffnete sie zudem mit dem Hinweis darauf, dass es schon 1933 Studierende, die auf dem Bebelplatz Bücher jüdischer Autor*innen verbrannt haben  und dass die NS-Dikatur und ihr Antisemitismus maßgeblich von Studierenden vorangetrieben wurde. Diese Haltung wurde von einem LiLi-Mitglied mit der Frage „Schämst du dich nicht?“ quittiert.

Die Juso trug außerdem vor, dass das BDS den Austausch mit liberalen Hochschulen in Israel unterbinde und somit offene Diskursräume verhindere. Dies wurde von einem Mitglied der OLKS als faktisch falsch kritisiert: Er erklärte, es gebe gar keine liberalen Hochschulen in Israel. Der Antrag der Linken Liste kam also mit großer Mehrheit durch; Gruppen, das BDS unterstützen, werden von Seiten des StuPa, zumindest aufgrund dieser Disposition, keine Ressourcen mehr entzogen. In den Augen der Jusos befördern die studentischen Parlamentarier*innen so Antisemtismus und stellen sich selbst in eine fragwürdige Kontinuität. Die größte Fraktion allerdings, die Linke Liste, sieht einen eigenen, Jahre alten Fehler korrigiert.

Spannend bleibt jetzt, welche und ob überhaupt neue Gruppen Unterstützung durch das StuPa zugesprochen bekommen.

Besonders konstituierende Sitzungen verlangen viele verschiedene Abstimmungen, oft handelt es sich auch um die Bestätigung verschiedenster Ämter im Referent*innenrat, so auch zum Beispiel jener Referent*innen die den Kinderladen „Die Humbolde“ aufgebaut haben und führen.

Der RCDS setzte durch, dass eine der Wahlen namentlich durchgeführt wurde. Namentliche Abstimmungen werden normalerweise bei politisch brisanten Abstimmungssachen gefordert, damit das Verfahren eine höhere politische Signalwirkung entfaltet und das Abstimmungsverhalten der einzelnen Abgeordneten transparent gemacht wird.

Einige Abgeordnete vermuteten scheinbar, dass die Forderungen des RCDS nur zur Behinderung der Arbeit des Parlaments diente; namentliche Abstimmungen nehmen sehr viel mehr Zeit in Anspruch als normale, jede*r Abgeordnete muss einzeln nach vorne kommen um seine Stimme abzugeben und jede Stimme muss einzeln unter Angabe des Namens und der Liste dokumentiert werden.

So forderte der RCDS unter Kopfschütteln auch bei der Abstimmung zum geänderten Nachtragshaushalt 2025 die Erfassung einzelner Abstimmender und deren Stimmverhalten. Die Annahme des Nachtragshaushalts galt allgemein als Formsache; es ging um die Auszahlung der Gehälter verschiedener Personalstellen der Studierendenschaft so wie Tontechniker*innen, Kinderbetreuende oder auch Stellen im Semesterticketbüro.

Nach der Abgabe der Stimmen verließ der RCDS frühzeitig den Senatssaal der konstituierenden 33. Sitzung des Studierendenparlaments.


Foto: Stefan Klenke

Korrekturhinweis vom 10.12.2025: In einer früheren Fassung hieß es fälschlicherweise, es habe „mehrere namentliche Abstimmungen“ gegeben. Dies wurde korrigiert.

Korrekturhinweis vom 12.12.2025: In einer früheren Fassung hieß es fälschlicherweise: „Mehrere solcher Wahlen wurden eifrig durch „Die Normalen“, also der Ring Christlich Demokratischer Studierender kontrolliert. Einerseits überwachten sie die Auszählung wahlloser Abstimmungen, andererseits setzten sie auch eine namentliche Abstimmungen durch.“  Diese Darstellung war eine subjektive Interpretation der Abläufe und entspricht nach der Überprüfung nicht den tatsächlichen Ereignissen.

Korrekturhinweis vom 12.12.2025: In einer früheren Fassung hieß es fälschlicherweise: „Für weiteres Kopfschütteln und hochgezogene Augenbrauen sorgte der geschlossene Abgang des RCDS: ohne auf die namentlichen Abstimmungsergebnisse zu warten verließ der RCDS unter lautem Knallen der schweren Türen den Senatssaals der konstituierenden 33. Sitzung des Studierendenparlaments.“ Die Darstellung des „geschlossenen Abgang[s] des RCDS […] unter lautem Knallen der schweren Türen,“ war eine subjektive Interpretation der Abläufe und entspricht nach der Überprüfung nicht den tatsächlichen Ereignissen.