
Doppelgänger, vertuschte Geheimnisse und Traumata, welche tief in die Vergangenheit hineinreichen. Narrative Zutaten des Thrillers, an denen sich bereits Genre-Größen wie Brian De Palma oder Roman Polanski abgearbeitet haben. Böse Zungen könnten meinen, der „psychological thriller“ sei auserzählt. Glücklicherweise kommt ab und an ein Film wie „The Things You Kill“ um die Ecke.
Das Fantasy-Filmfest ist in vollem Gange. Auf dem jährlich stattfindenden Festival werden besonders häufig Werke aus den Genres Horror, Science-Fiction und – wie der Name schon vermuten lässt – Fantasy gezeigt. Teilweise feiern ausgewählte Filme hier obendrein ihre Welt-, Europa- oder Deutschlandpremiere. Umso überraschter war ich, den türkischen Thriller „The Things You Kill“ im diesjährigen Line-Up zu entdecken. Ein Film, welcher laut vorab von mir gelesenen Kommentaren mit reißerischen Momenten geize, keinerlei fantastische Elemente enthalte und durchaus langatmig sei. Eine Verbindung zu den Werken David Lynchs, insbesondere „Lost Highway“, wird auch häufig hergestellt. Da dies alles fast zu gut um wahr zu sein klingt, halte ich meine Erwartungen bewusst gering.
Zwei Stunden später, nach dem Verlassen des Saals, sehe ich mich korrigiert: Der Film ist unmissverständlich von Lynch inspiriert. Und noch besser, er kann ihm das Wasser reichen.
Die Geschichte erzählt vom jungen Uni-Professor Ali, der in einer nicht weiter spezifizierten türkischen Stadt arbeitet und sich um seine altersschwache Mutter kümmert. Eines Abends erreicht ihn die Nachricht, dass diese plötzlich gestorben ist; aufgefunden von seinem verachteten Vater. Seine jahrelang andauernde tyrannische Herrschaft über die Mutter, verheimlichte Gewalteskapaden sowie die nicht vollständig logische Todesursache bewegen Ali dazu, seinen Vater aus der Welt schaffen zu wollen. Assistieren soll ihn dabei der neue Gartenhelfer Reza.
Der Regisseur heißt übrigens Alireza mit Vornamen. Lynch-Fans können sich eventuell vorstellen, wohin die Reise geht.
Auch nachdem einige Tage ins Land gezogen sind, fühle ich mich immer noch zermürbt, nicht alle Plotdetails mitgenommen zu haben. „The Things You Kill“ ist ein Film vollgepackt mit nicht zu Ende geführten Anspielungen, verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten und einer äußerst subtilen Erzählweise, die es beinahe unmöglich gestaltet, bei der ersten Sichtung direkt alles einordnen zu können. Die Zuschauer*innen werden bewusst nicht an die Hand genommen, „Exposition Dumps“ am Ende à la Hollywood-Thriller bleiben komplett aus. Das mag erstmal frustrierend klingen, allerdings ist es das nur, wenn man eine vollkommen auserzählte Geschichte ohne jegliche Unklarheiten benötigt, um seinen Seelenfrieden zu bewahren. Klar, dem verlorenen Schlaf in jener Nacht mag man nachtrauern, aber wofür überhaupt ins Kino gehen, wenn nicht einer aufrüttelnden Erfahrung wegen?
Um es kurz zu machen: absolute Empfehlung meinerseits. Das scheint sich auch das kanadische Oscar-Selektionskomitee gedacht zu haben; dieses hat den Film als Beitrag zum „Besten Internationalen Film 2026“ eingereicht (möglich gemacht, da der Film von einer kanadischen Firma co-produziert wurde). Ein regulärer deutscher Kinostart steht bislang bedauerlicherweise noch nicht fest.
Foto: Band With Pictures, DESMAR, Fulgurance.