Polizeigewalt und struktureller Rassismus sind für BIPOC eine Mischung, die auch in Deutschland regelmäßig tödlich endet. Es muss sich etwas ändern in einem System, in dem die Polizei ihr eigener Wächter ist.
Triggerwarnung / Content Note rassistisch motivierte Polizeigewalt
Während ich diesen Artikel verfasse, liegt der Tod von George Floyd fünf Jahre zurück. Sein Tod – oder besser gesagt: Mord – war für viele Schwarze Menschen in den USA, aber auch in Deutschland, nur die Spitze eines Eisbergs an strukturellem- und Alltagsrassismus, der sich durch unser gesamtes Leben zieht. Wie ein grauer Filter, ein mit Watte überzogenes Gefühl der Machtlosigkeit und Traurigkeit, aber auch Wut. An Tagen wie dem 26. Mai gipfelt es; präsent war das Gefühl die ganze Zeit.
Am 20. April. 2025 wurde in Oldenburg der 21-jährige Lorenz A. von der Polizei erschossen. Vier Schüsse, von hinten. Kein Warnschuss. Diverse Medien, darunter auch öffentlich-rechtliche wie der NDR, waren schnell darin, Lorenz als „Messerangreifer“ zu betiteln. Als die Ergebnisse der Obduktion öffentlich wurden, und sichergestellt wurde, dass Lorenz weder Beamten mit einem Messer bedroht hat, noch in sonstiger Weise auf die Beamten zuging, verkaufte der NDR die Richtigstellung der eigenen Falschmeldung als neue Information.
Vier Schüsse von hinten. Lorenz rannte. Er floh. Vor einer Institution, von der wohl jede Schwarze Person weiß, dass sie nur selten unser Freund und Helfer ist. Er rannte zurecht. Aber die Schüsse waren durch Hass und Rassismus getrieben. Vier Schüsse von hinten – in Kopf, Hüfte und Bein. Lorenz ist kein Einzelfall. Seit der Wiedervereinigung wurden mindestens 320 Menschen in Deutschland von der Polizei getötet. Die Zahlen sind eindeutig: Schwarze Menschen, Menschen mit psychischen Problemen und Schutzsuchende sind allzu oft unter den Todesopfern.
Bei der Polizei gibt es ein strukturelles Rassismusproblem. Das sagt auch Alex*, der auf einer Kundgebung seine Erfahrungen in der Polizeiausbildung teilt. Er habe als Schwarzer Mann die Intention gehabt, das System von innen heraus zu ändern. Nach einigen Jahren steigt er aus: „Es ist unmöglich.“ Schon in der ersten Woche wurden den Auszubildenden Videos von brutalen Polizeieinsätzen gezeigt, in denen die Polizist*innen mit voller Aggression auf Schwarze Männer losgehen, diese erschießen. Mehrere Videos. Immer das gleiche Szenario: weißer Polizist erschießt Schwarzen Mann. Diese Videos wurden den Neuankömmlingen als gelungene Polizeieinsätze verkauft, die Getöteten entmenschlicht.
Und was passiert nach solchen Gräueltaten wie der in Oldenburg? Wo durch die Obduktion doch so eindeutig ersichtlich ist, dass Lorenz ermordet und nicht aus Selbstverteidigung getötet wurde? Die befreundete Polizei Delmenhorst von nebenan kümmert sich um die „objektive“ Aufklärung der Tat – 2021 nahm diese den 19-jährige Qosay K. (ebenfalls eine Person of Color) unter Anwendung von körperlicher Gewalt fest, nachdem er in einem Park einen Joint mit einem Freund geraucht hatte. Bereits während der Festnahme sagte er, dass er schlecht Luft bekomme und ihm schwindlig sei. Anstatt ins Krankenhaus, brachte ihn die Polizei auf die Wache. Einen Tag später starb er. Damals „ermittelte“ die Polizei Oldenburg. Bis heute ist der Fall nicht abschließend aufgeklärt, einige Informationen wurden von der Polizei wohl bewusst zurückgehalten.
Wir haben keine Chance, Gerechtigkeit zu erfahren, wenn ein rassistisches System sich selbst überwacht. Initiativen wie Gerechtigkeit für Lorenz und initiative_ouryjalloh fordern die lückenlose und vor allem unabhängige Aufklärung der Tötungen von BIPOCs durch die Polizei.
*Name von der Redaktion geändert
Foto: Yohann Libot.