Auf Instagram inszenieren sie sich als brave Ehefrau. Sie kochen für ihren Mann, gehen in die Kirche und verdienen nur hinter der Kamera Geld. Auf dem 25. Internationalen Literaturfestival in Berlin haben die iranische Autorin Aliyeh Ataei, die Journalistin Shila Behjat und die Pfarrerin Theresa Brückner über Tradwifes diskutiert. 

Frauenbewegungen sind meist demokratische und progressive Bewegungen. Das sehen wir im Sudan, in Belarus und im Iran. Neuerdings wendet sich eine Frauenbewegung traditionellen Werten zu: Kochen, Kinder, Kirche.

Auf der Bühne des 25. Internationalen Literaturfestivals schaut das Publikum einer Frau dabei zu, wie sie einen Hefezopf backt. Es sei schließlich Ostern und man müsse dem Wunsch des Mannes folgen. Gebannt sitzt die sogenannte Tradwife vor dem Ofen und wartet darauf, den Ehegatten überraschen zu können. 

Schönes Kleid, findet die Autorin Aliyeh Ataei. Sie ist nach Berlin gereist, um auf der Bühne des internationalen Literaturfestivals mit der evangelischen Pfarrerin Theresa Brückner und der Journalistin Shila Behjat über Tradwifes zu sprechen. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Dolmetscherin. Ataei ist in einer Grenzregion zwischen dem Iran und Afghanistan aufgewachsen. In ihren Büchern schreibt sie von Krieg und dessen Folgen für Frauen. 2025 wurde ihre Sammlung von Essays mit dem Namen Kursorkhi erstmals ins Deutsche übersetzt: Im Land der Vergessenen

Ataei versteht die Diskussion nicht. Da stehen doch wirklich Frauen in freien Demokratien und wollen wieder zurück. Dahin, wo die Frauen im Iran gerade sind? Und das soll ein Social-Media-Trend sein? 

Im Iran sind die Frauen Tradwifes und gleichzeitig Feministinnen. Weil sie müssen, erzählt sie. Diesen Lebensstil als Trend zu vermarkten, sei dermaßen weit weg von ihrer Realität, dass ihr außer der lobenden Worte für das Kleid zunächst nicht viel einfällt. 

Nur auf dem Boden der Demokratie könne die Frau vor dem Ofen hocken, auf den Hefezopf warten und das als wünschenswerten Lebensstil bewerben. 

Das Christentum spielt dabei meist eine wichtige Rolle. Denn direkt neben der Beziehung zum Mann steht die Beziehung zu Gott. Hier wäre der Zeitpunkt gekommen, an dem die Pfarrerin Theresa Brückner dem Publikum von dem Frauenbild in der Bibel hätte erzählen können. Wie aktuell ist die Jungfrau Maria? Wenn Eva aus einer Rippe Adams geschaffen wurde: Steht die Frau nach christlichem Vorbild dann unter dem Mann? 

Doch die Fragen bleiben unbeantwortet. Brückner berichtet stattdessen von ihren Diskriminierungserfahrungen im Beruf. So kann das Publikum Diskriminierung zwar sehen, aber nicht verstehen. Denn wenn patriarchale Strukturen so tief in der Kirche verankert sind, was zeichnet dann eine feministische Pfarrerin aus? 

Im Unklaren darüber wendete sich die Diskussion einem anderen Thema zu: Männer im Feminismus. Shila Behjat veröffentlichte letztes Jahr das Buch Söhne großziehen als Feministin. Sie findet, Feminismus gehe nicht ohne Männer. Abgesehen davon, dass das Patriarchat auch Männern schade, sitzen diese am oberen Ende des Machtgefälles. Das Selbstverständnis der Frau hat sich geändert, das Selbstverständnis des Mannes nicht. 

Ataei hat dazu eine klare Haltung: Mein Sohn kocht, während ich schreibe. Alle Rollenbilder müssen aufgebrochen werden, eine Zukunft ohne Männer wird es schließlich nicht geben. 

Trotz offener Fragen bietet der Abend neue Perspektiven. Allein durch ihre scharfe und bildliche Art zu sprechen, bleibt der Name Aliyeh Ataei nach diesem Auftritt im Kopf. Diversen Tradwifes dürfte sie allerdings ein Dorn im Auge sein. 

Foto: internationales literaturfestival berlin 2025, PWS e.V., Charlotte Kunstmann.