Welchen Ort bietet die Uni für queere Menschen und wie kann daraus ein Raum entstehen, der Mut zur eigenen Identität fördert? Marie und Lea engagieren sich aktiv in der Queer Action Group (Quag), die 2022 gegründet wurde. Sie will einen offenen Raum für queere Student*innen schaffen, in dem Austausch, Vernetzung und Empowerment im Mittelpunkt stehen.

UnAuf: Wie habt ihr die Anfangszeit der Queer Action Group erlebt? 

Marie: Ganz am Anfang waren wir noch eine ziemlich große Gruppe. Aber es hat sich schnell gezeigt, dass wir erst einmal eine gemeinsame Struktur und Identität finden müssen. Die ersten zwei Jahre standen daher stark im Zeichen der Orientierung: Wie wollen wir unsere Plena gestalten? Was ist uns wichtig? Wir haben uns dann auch schnell als Initiative vom Studierendenparlament anerkennen lassen. Das war wichtig, um Räume und Gelder beantragen zu können und generell im Unialltag präsent zu sein.

Lea: Wir haben lange für ganz grundlegende Dinge gekämpft, zum Beispiel, dass wir überhaupt eine eigene E-Mail-Adresse bekommen. Inzwischen haben wir auch einen Moodlekurs, über den wir alles koordinieren, und sind jetzt im Kern so vier bis fünf Leute. Das klappt richtig gut.

UnAuf: Was für Veranstaltungen plant und organisiert ihr?

Lea: Viele verschiedene. Wir hatten schon Kleidertauschaktionen, Filmabende oder Picknicks im Park und es gibt auch eine hochschulpolitische Seite. Wir waren zum Beispiel bei der Kritischen Orientierungswoche dabei und haben dort einen Vortrag gehalten, den wir Queer Compass genannt haben, und der queeren Menschen an der HU einen Überblick geben sollte, welche Anlaufstellen es gibt. Wir vernetzen uns gerade auch viel mit anderen linken Hochschulgruppen, denn wir möchten auch intersektionale Perspektiven mitdenken und mit anderen marginalisierten Gruppen in den Dialog treten. 

Marie: Was wir regelmäßig machen, sind Netzwerktreffen, bei denen wir einen offenen Raum schaffen für alle, die sich mit dem Label queer identifizieren oder sich einfach von unseren Angeboten angesprochen fühlen, wie bei Queers and Friends zum Beispiel. Es geht darum, einen Ort zu bieten, vielleicht auch einen Safer Space, an dem man andere Leute kennenlernen kann.

UnAuf: Habt ihr bisher auch schon diskriminierende Erfahrungen erlebt?

Marie: Ehrlich gesagt ist uns bisher nichts passiert, weder beim Plakate aufhängen noch bei Vernetzungstreffen. Aber uns ist auch bewusst, dass wir uns in einer bestimmten Bubble bewegen, in der die meisten Leute sehr links und offen sind. 

Lea: Trotzdem sind wir vorsichtig. Wir posten zum Beispiel nie die Raumnummern unserer Plena und auch auf Social Media zeigen wir unsere Gesichter nicht. 

UnAuf: Was bedeutet Mut für euch persönlich, gerade im queeren Kontext?

Marie: Auf einer persönlichen Ebene bedeutet Mut für mich zum Beispiel die klassische Coming-Out-Situation, denn gerade als queerer Mensch muss man diesen Mut immer wieder aufbringen. 

Lea: Absolut. Coming-Out-Situationen passieren ständig und verlangen die Kraft, gängige Erwartungen und Annahmen über Identitäten zu durchbrechen.

Marie: Auf gesellschaftlicher Ebene erfordert es Mut, sich gegen abfällige oder kritische Äußerungen zu queeren Menschen zu stellen und für Aufklärung zu sorgen. Das ist nicht immer leicht, besonders, wenn man eher introvertiert ist. Auch etwas aufzubauen, das es vorher so nicht gab, braucht Mut. Eine neue Gruppe zu gründen heißt auch, in Kauf zu nehmen, dass es Phasen gibt, in denen wenig passiert oder nur wenige Leute aktiv sind. 

UnAuf: Gibt es Hürden, die euch in eurem Engagement begegnen?

Lea: Ja, aktuell vor allem die Raumsituation. Eine Zeit lang konnten wir recht unkompliziert Räume anfragen, manchmal sogar spontan einen Tag vorher. Das lief direkt über eine zuständige Person, mit der wir im Austausch waren. Seit diesem Semester geht das nicht mehr. Räume müssen jetzt mindestens 15 Tage vorher beantragt werden, das verkompliziert alles extrem. Einen festen Raum haben wir nicht. Das heißt, wir müssen unsere ganzen Materialien privat einlagern. Ein Gruppenmitglied hat zum Beispiel gerade 40 Jutebeutel im Keller stehen, ich habe eine Palette Bastelsachen bei mir rumliegen, jemand anderes hat Acrylfarben und wieder jemand anderes hat Knöpfe.

Marie: Uns wird wortwörtlich einfach kein Raum gegeben.

UnAuf: Gibt es etwas, das ihr Leuten mitgeben möchtet, die vielleicht noch unsicher sind oder sich noch nicht trauen, mal bei euren Veranstaltungen vorbeizuschauen?

Lea: Wir sind offen für alle Menschen. Klar benutzen wir das Label „Queer“, aber es gibt auch Leute, die das nicht als Selbstbezeichnung wählen und sich trotzdem bei uns wohlfühlen. Auch Leute, die unsicher oder „questioning“ sind, also sich noch orientieren, sind bei uns herzlich willkommen. Wir fragen auch nicht nach irgendwelchen Labels. Ich glaube, wir haben persönlich außerhalb von unseren Pronomen noch nie groß über unsere Bezeichnungen gesprochen.

Marie: Es ist auch überhaupt nicht schlimm, wenn man nicht alle Abkürzungen oder Hochschulstrukturen kennt. Das kann am Anfang schnell einschüchtern. 

UnAuf: Was bedeutet die Gruppe für euch selbst und was treibt euch an? 

Lea: Für mich ist die Gruppe ein Ort geworden, an dem ich mich einfach wohlfühle. Wir sind ein eingespieltes Team und es macht Spaß, zusammen zu überlegen, was wir als Nächstes organisieren können. Man braucht keine Vorerfahrung und es wird auch nicht erwartet, dass Aufgaben sofort übernommen werden.

Marie: Unser Wunsch ist es, eine Community zu schaffen, die alles kann, aber nichts muss. Ein Ort, der als Einstiegspunkt für Aktivismus dient, aber vor allem auch einfach Menschen zusammenbringt.


Illustration: Lucia Maluga