Die Berge, Flüsse und Wälder in Homolje im Osten Serbiens gehören zu den artenreichsten Europas. Dort leben Luchse, Braunbären, Wölfe und Steinadler, die in den meisten anderen Gegenden Europas bereits ausgerottet wurden. Jedoch plant das kanadische Unternehmen Dundee Precious Metals (DPM) in dieser Region den Abbau von Goldvorkommen.

Während der geplante Lithiumabbau im Jadartal im Westen Serbiens zu großen Protesten innerhalb Serbiens führte und internationale Aufmerksamkeit auf das Projekt gelenkt hat, steht der geplante Goldbergbau in Homolje bisher wenig im Fokus. Ivan Milosajević, Mitgründer der Rangerorganisation RIS, die sich gegen das Bergbauprojekt einsetzt und Umweltverschmutzungen durch Bergbaukonzerne dokumentiert, sieht die periphere Lage und die demographische Situation der Region als Hauptgründe für den geringeren Widerstand an. Die Einkommen liegen deutlich unter dem serbischen Durchschnitt, die Infrastruktur ist in schlechtem Zustand und das Durchschnittsalter ist höher als im Rest des Landes. „Die jungen Leute ziehen nach Westeuropa oder in die Großstädte, während die alten Menschen zurückbleiben“, erklärt Milosajević. Hinzu kommt, dass in Homolje viele Walach*innen leben, eine ethnische Minderheit, die walachisch, eine dem Rumänischen ähnliche Sprache, spricht und über keine politische oder linguistische Repräsentation verfügt. 

Dennoch ist es ihm und seinen Mitstreiter*innen gelungen, Menschen zu mobilisieren, die gegen die Pläne der Regierung und der Unternehmen protestieren. „Wir haben herausgefunden, dass DPM bei Probebohrungen Trinkwasser aus der lokalen Wasserversorgung entnommen hat, was gesetzeswidrig und entgegen den Auflagen der Regierung ist“, empört sich Milosajević. „Wir haben mehr als 20 Klagen eingereicht, ohne dass es Konsequenzen hatte. Das hat viele Menschen mobilisiert.“

Inzwischen hat die serbische Regierung mehr als 200 Explorationsgenehmigungen an private Unternehmen erteilt. Die Hälfte davon für Regionen im Osten Serbiens. „Die Bevölkerung hier ist durch die Kupfermine in Majdanpek an Bergbauaktivitäten gewöhnt“, erklärt Milosajević. „Die Menschen sind beunruhigt, weil sie mitbekommen, welche Folgen der Bergbau dort hat.“ In Majdanpek, nahe der rumänischen Grenze, wurde bereits zu Zeiten Jugoslawiens Kupfer abgebaut, was der Region damals zu Wohlstand verhalf. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden die Bergbauaktivitäten zurückgefahren, bis 2019 das chinesische Unternehmen ZiJin die Mine kaufte und erweiterte. Seitdem ist zwar die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, gleichzeitig ist allerdings die Luft- und Wasserverschmutzung in den umliegenden Bächen und Flüssen deutlich gestiegen. In Bor, wo ZiJin ebenfalls eine Mine betreibt, ist die durchschnittliche Lebenserwartung nach Angaben des Nachrichtenportals nova.rs, zehn Jahre niedriger als im Rest des Landes. 

Milosajević und seine Mitstreiter*innen befürchten, dass ZiJin plant, die Lizenzen von DPM nach Abschluss der Erkundungen aufzukaufen und die Minen in Homolje mit den Minen in Majdanpek und Bor zu einer riesigen zu vereinen. Auch wenn es sich bisher nur um Explorationsbohrungen handelt, ist die lokale Bevölkerung bereits negativ davon betroffen. So haben Aktivist*innen von RIS dokumentiert, dass DPM Abwässer in einen Bach geleitet hat und Landwirte beklagen sich, dass Vieh ihrer Herden aufgrund von Wasserverschmutzung gestorben sei. 

Rohstoffausbeutung als Außenpolitik

Das Thema Wasserverschmutzung verbindet neben dem Kampf gegen die weit verbreitete Korruption viele verschiedene Proteste in Serbien. Auch im Jadartal, wo das britisch-australische Unternehmen Rio Tinto Lithium abbauen will, fürchten Aktivist*innen, dass sie mit der Umweltzerstörung zurückgelassen werden, während die Gewinne nicht bei der lokalen Bevölkerung ankommen. Nachdem das Projekt 2022 nach Protesten pausiert wurde, werden die Planungen seit dem vergangenen Jahr auch auf Druck der Europäischen Union wieder vorangetrieben. So reiste der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Juli 2024 nach Belgrad, um mit Aleksandar Vučić ein Abkommen über die Nutzung des Metalls zu unterzeichnen. 

Iva Marković, Mitgründerin der Umweltschutzorganisation Polekol und der Initiative Pravo na vodu, Recht auf Wasser auf deutsch, sieht in der Vergabe von Bergbaulizenzen für ausländische Unternehmen eine geopolitische Strategie der serbischen Regierung. „Serbien wird zu einer Bergbaukolonie“, klagt die Aktivistin. Vučić versuche die Beziehungen zu den Großmächten zu verbessern, indem er die wertvollen Rohstoffe des Landes unter ihnen aufteile. So erhielt das chinesische Unternehmen ZiJin die Abbaulizenz für die Kupferminen in Majdanpek und Bor und die EU das Recht zur Nutzung der Lithiumvorkommen im Jadartal. Der Öl- und Gassektor in Serbien wird vom russischen Konzern Gazprom dominiert. In allen genannten Fällen würden korrupte Politiker*innen an der Vergabe der Lizenzen mitverdienen. Marković ist vor allem von der EU enttäuscht. Viele Serb*innen haben in den Annäherungsprozess die Hoffnung gesetzt, dass die EU Serbien unter Druck setzen würde, die Korruption zu bekämpfen und das politische System zu demokratisieren. Stattdessen beschränke sie sich darauf, ihre Sorge über die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit, der Pressefreiheit und die grassierende Korruption zu äußern, um anschließend Rohstoffdeals mit der Regierung abzuschließen. 

Marković sieht eine enge Verbindung zwischen den Protesten gegen die Bergbauprojekte und den aktuellen Studierendenprotesten. „Die Proteste gegen Rio Tinto haben viele junge Menschen politisiert. Auf diese Mobilisierung können die aktuellen Proteste aufbauen“, erklärt sie. Auch die Repressionsmaßnahmen der Sicherheitskräfte, wie willkürliche Verhaftungen von Aktivist*innen, seien bereits bei den Protesten gegen den Lithiumabbau zum Einsatz gekommen. Bei den Studierendenprotesten seien diese Praktiken ausgeweitet, und zunehmend in den urbanen Zentren eingesetzt worden, während zuvor nur vereinzelte Aktivist*innen in den Bergbauregionen betroffen gewesen seien. Marković ist es allerdings wichtig, ökologische Themen nicht zu offensiv in die Bewegung hineinzutragen. „Die meisten Student*innen unterstützen unser Anliegen und waren schon bei den Protesten gegen Rio Tinto aktiv.“ Dennoch wolle sie nicht versuchen, die Protestbewegung zu kapern, sondern sich auf die gemeinsamen Ziele fokussieren, die das breite Spektrum der Demonstrant*innen  zusammenhalte: den Kampf gegen die Korruption und den unter Präsident Vučić immer weiter voranschreitenden Autoritarismus.

Ivan Milosajević, der Ranger aus Homolje, blickt trotz der schwierigen Lage optimistisch in die Zukunft. Die Proteste im Jadartal und die aktuellen Studierendenproteste hätten das Bewusstsein für die Gefahren solcher Bergbauprojekte bei vielen Menschen erhöht. Ende Juli fand ein einwöchiges internationales Protestcamp in Homolje statt, zu dem auch Aktivist*innen aus anderen europäischen Ländern anreisten. Milosajević und seine Mitstreiter*innen haben das Ziel, die Gegend um Homolje zu einem Nationalpark erklären zu lassen, um die einzigartige Landschaft und Biodiversität vor weiteren Eingriffen in die Natur zu schützen. Bis dahin ist es für die Aktivist*innen allerdings noch ein sehr weiter Weg.

Foto: Vladimir Patkachakov / Unsplash.