Im September 2025 hat die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen (DWE) ihren Gesetzentwurf zur Vergesellschaftung von Wohnraum veröffentlicht. Die Initiative bietet damit einen grundlegend anderen Lösungsansatz für die Mietenkrise.
Wohnen ist ein Menschenrecht. In deutschen Großstädten zeigt sich allerdings ein immer stärker werdender Trend: die stetige Erhöhung der Mieten. In Berlin sind die Mieten heute im Durchschnitt doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Zum Vergleich: Der Anstieg der Nominallöhne lag im gleichen Zeitraum bei knapp 20 Prozent. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Berliner*innen entweder knapp die Hälfte ihres Einkommens für die Miete zahlen oder ganz aus ihren Kiezen verdrängt werden. Doch wie kommt es dazu?
Die Entstehung der Wohnungs- und Mietenkrise
Es ist nicht zu leugnen, dass immer mehr Menschen in Großstädte ziehen und die Nachfrage nach Wohnraum entsprechend steigt. Dennoch greifen Erklärungen à la „hohe Nachfrage bedeutet hohe Mieten” zu kurz. Einerseits spielt die neoliberale Wende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der 1980er Jahre eine große Rolle, infolgedessen die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft wurde. Also das Prinzip, nach dem sich gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften gegen Steuererlass verpflichteten, Mietpreise und Gewinne zu beschränken und ihr Vermögen in neue Wohnungsbauprojekte zu reinvestieren. Diese Verpflichtungen für soziale Mieten gibt es heute nicht mehr. Hinzu kommt, dass öffentliche Immobilienbestände seit den 2000er Jahren – vor allem in Berlin – massiv von Investoren aufgekauft wurden und nun dem Prinzip der Profitmaximierung unterliegen.
Die Folgen für bezahlbaren Wohnraum sind verheerend: Während es 1987 deutschlandweit noch knapp vier Millionen Wohnungen im sozialen Wohnungsbau gab, sind es heute nur etwa eine Million. Aufgrund der Privatisierung von Sozialwohnungen und der steigenden Nachfrage nach Wohnraum in Großstädten ist es für Immobilienkonzerne ein Leichtes, Mieten regelmäßig zu erhöhen.
Die Lösungsansätze der Politik
Auch der Politik ist seit Jahren bekannt, dass sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt immer weiter zuspitzt. Die Lösungsansätze könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. Während wirtschaftsliberale Parteien für mehr und schnelleren privaten Neubau plädieren, wirbt die Linkspartei für einen Mietendeckel. Auch die Umnutzung von Bürogebäuden wird immer wieder als Vorschlag eingebracht, denn während Wohnraum immer knapper wird, stehen laut einer Studie des Maklernetzwerks German Property Partners knapp acht Prozent der Berliner Büroflächen leer.
Das Ziel, mehr Wohnraum zu schaffen, setzt sich seit Jahren jede Regierung. Wirklich erfolgreich war bislang keine. Erst kürzlich hat die schwarz-rote Bundesregierung das Gesetz für den sogenannten „Bau-Turbo” beschlossen, das schnellen und bürokratiearmen Wohnungsbau ermöglichen soll. Dadurch will sie privaten Bauunternehmen Anreize setzen und Baukosten senken. Ob die Kostenersparnisse an Mieter*innen weitergegeben werden, ist allerdings zweifelhaft. Zudem entsteht ein Großteil der Wohnungen in einer Preisklasse, die sich Normalverdiener*innen kaum leisten können. Und Geringverdiener*innen bleibt dann lediglich der jährlich schrumpfende Bestand an Sozialwohnungen. Marktverhältnisse sind eben immer auch Machtverhältnisse.
Wohnraum ist keine Ware wie jede andere. Einerseits, weil Marktmechanismen hier schlecht funktionieren, da der Wohnungsbau viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt. Auf der anderen Seite ist Wohnraum kein Luxusgut, sondern existenziell. „Der Markt regelt” ist erfahrungsgemäß keine Strategie, die auf dem Wohnungsmarkt funktioniert. Und offensichtlich wurde auch in der Vergangenheit in Zeiten von Wohnungsnot nicht ausschließlich auf den Markt gesetzt, wie die oben beschriebene Wohnungsgemeinnützigkeit zeigt.
Gleichzeitig wohnen in Deutschland vergleichsweise viele Menschen zur Miete, anstatt in Wohneigentum. An diesen Eigentumsverhältnissen ändern die beschriebenen Maßnahmen nichts. Und genau da kommt die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen (DWE) ins Spiel. Die Initiative behauptet, genau hier müsse angesetzt werden, um die Mietenkrise langfristig zu bewältigen – und fordert, Immobilienkonzerne zu enteignen und deren Wohnbestände in Gemeineigentum zu überführen.
Deutsche Wohnen & Co enteignen
2021 stimmten bereits knapp 60 Prozent der Berliner*innen per Volksentscheid für die Vergesellschaftung von Wohnraum. Außer einer Expert*innenkommission, die die Möglichkeiten eines Vergesellschaftungsgesetzes ausloten sollte und die Vergesellschaftung für rechtlich möglich befand, ist jedoch nichts passiert. Nun hat DWE selbst die Initiative ergriffen und in einem zweijährigen Prozess mit aktiven Jurist*innen, einer renommierten Kanzlei und einem wissenschaftlichen Beirat einen eigenen Gesetzentwurf formuliert. Dieser legt Schritt für Schritt vor, wie die Enteignung der Immobilienkonzerne und Überführung der Wohnbestände in Gemeineigentum umzusetzen ist.
Die Vergesellschaftung soll ausschließlich private, profitorientierte Immobiliengesellschaften treffen, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen. Genossenschaften sind davon ausgeschlossen. Die Entschädigung der Konzerne soll unter Marktwert erfolgen und aus den Mieteinnahmen abbezahlt werden, sodass das Land Berlin keine Schulden aufnehmen muss. Dann soll eine Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffen werden, in der Stadtgesellschaft, Mieter*innen, Beschäftigte und Senat zusammenkommen. Sie soll die Mietbestände demokratisch verwalten und eine Re-Privatisierung verhindern.
Das Gesetz soll 220.000 Wohnungen der Profitlogik entziehen, in Gemeinwirtschaft überführen und somit langfristig bezahlbaren Wohnraum sichern und die Mietpreisspirale durchbrechen. „Wir stoppen damit den Trend der weiteren Finanzialisierung des Wohnungsmarktes”, erklärt Justus Henze im Podcast Future Histories.
Nun geht es aber erst einmal darum, den Gesetzentwurf mit Verbänden, Parteien und der Fachöffentlichkeit zu diskutieren und Feedback einzuholen. Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Isabel Feichtner bezeichnet den Gesetzentwurf schon jetzt als „Meilenstein in der juristischen Debatte über Vergesellschaftung”. Gleichzeitig arbeitet die Initiative am zweiten Teil des Gesetzes, der die Verwaltung der Mietbestände durch eine Anstalt öffentlichen Rechts konkretisiert. Bevor es wieder zu Haustürgesprächen, Unterschriftensammlung und einer Volksabstimmung kommt, wird es daher noch eine Weile dauern. Sollte der Gesetzesvolksentscheid dann erfolgreich sein, so würde Artikel 15 des Grundgesetzes erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Anwendung finden – ein historischer Moment. Die Initiative will den Berliner Senat so zum Handeln zwingen. Denn dieser müsste sich vor Gericht verantworten, sollte er die Umsetzung des Volksbegehrens nach Vergesellschaftung dann weiterhin blockieren.
Natürlich wird es durch die Vergesellschaftung erst einmal „keine einzige neue Wohnung” geben, wie Kritiker*innen gerne betonen. Dennoch würde die Vergesellschaftung von Wohnraum für unzählige Berliner*innen eine enorme finanzielle Entlastung bedeuten. Auch die Mieten nicht vergesellschafteter Wohnungen würden sinken – und Wohnen in Berlin kein Luxus mehr sein.
Illustration: Nora Ali






