Da ist sie, die gute Nachricht: Berlin bekommt eine halbe Million Bäume mehr. Warum wir hoffen sollten, dass das auch umgesetzt wird.

Kaum war die Entscheidung gefallen, da ging es schon los. „Schwarz-Rot verliert aus Wahltaktik jedes Maß”, titelte etwa Christian Latz im Tagesspiegel. Und Ann Kristin Schenten fragte sich auf tagesschau.de, ob das jetzt ein „Gewinn für die Demokratie” sei oder doch ein „populistischer Schachzug”.

Anfang November hat Berlin nun plötzlich ein neues Baumgesetz. Es ist aus der Initiative BaumEntscheid hervorgegangen, deren Forderungen praktisch eins zu eins übernommen wurden. Das überrascht. Sonst fällt der Berliner Senat eher damit auf, dass er die Torstraße lieber vierspurig umbauen will oder gleich Gelder für die Baumpflege streicht. Und plötzlich das: ein Anpassungsgesetz, vor dem das Wort Klima steht, und eine halbe Million Bäume mehr, die auch von den Bürger*innen selbst gepflanzt werden dürfen. Wow. Scheinbar war der schwarz-roten Koalition zu heikel, über dieses Thema bei der nächsten Wahl mit abstimmen zu lassen. Vielleicht war auch die Angst vor einer Klage der Initiative groß.

140 Menschen sind in Berlin im vergangenen Sommer an den Folgen des Klimawandels gestorben. Die Zahl basiert auf einer Schätzung des Imperial College London und der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Die beiden Unis hatten dieses Jahr ein Paper veröffentlicht, in dem sie die Folgen von Hitzewellen als „silent killer” beziffern. Untersucht wurde ein Zeitraum im Juli, mit Daten aus 854 europäischen Städten. Das Ergebnis: Zwei Drittel der unter der Hitze Verstorbenen scheint auf das Konto des Klimawandels zu gehen.

Während uns also Ex-Springer-Chefredakteure die Klimapolitik als Meinungsmache gegen das Grillen im Garten verkaufen, ist unsere ältere Nachbarin in der Betonwüste akut gefährdet. Es ist klar, an wen sich die Polemik richtet. Wie soll die Durchschnitts-Berliner*in auch grillen, in ihrer Wohnung ohne Garten?

Also, Kosten hin oder her: Das neue Gesetz lohnt sich, trotz bröckelnder Brücken und kaputter Kulturszene. Die Hitze ist hier, um zu bleiben. Auch wenn das Gesetz nur Wahltaktik ist, schützt es langfristig die Bewohner*innen. Ein lebenswertes Berlin muss wieder kühler werden, und da sind eine Million Bäume eine passende Vision. Wollen wir nur hoffen, dass die Pflanzen ernster genommen werden als die Mobilitätswende (R.I.P. Radweg in der Kantstraße). Unsere älteren Mitbewohni*s werden es uns jedenfalls danken; und wir müssen auf unseren Paar-Quadratmeter-Hedonismus nicht verzichten.


Foto: Gunnar Ridderström