Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit, hab eigentlich zu spät angefangen und keine Ahnung, wie genau das funktioniert. Damit es euch nicht irgendwann genauso geht, teile ich in dieser Kolumne meine Erfahrungen.

„Berufserfahrung ist wichtiger als dein Abschluss.‟ Das habe ich in den letzten Monaten immer wieder von Journalist*innen gehört. Vor neun Monaten habe ich entschieden, selbst Journalist zu werden, aber bis dahin hatte ich quasi keine Erfahrung in dem Bereich. Mein Studium näherte sich da bereits dem Ende, also habe ich nahezu all meine Zeit und Energie genutzt, um genau das zu ändern.

Mittlerweile arbeite ich beim Campusradio couchFM, schreibe für die UnAufgefordert und bin Teil der Online-Redaktion von Capital. In den letzten Monaten habe ich recherchiert, Interviews geführt, Meldungen, Artikel und Kommentare geschrieben, Radiobeiträge erstellt und eine Video-Reportage gedreht. Die nötige Erfahrung habe ich also gesammelt. Allerdings ist dadurch meine Bachelorarbeit viel zu kurz gekommen. Ich glaube, das ist produktives Prokrastinieren. Um diese Neigung von mir zu meinem Vorteil zu nutzen und mir einen kleinen Arschtritt zu verpassen, schreibe ich diese Kolumne, in der ich regelmäßig über den Fortschritt meiner Bachelorarbeit berichten werde.

Dass mich Journalismus begeistert, steht also fest. Mein Philosophiestudium bietet mir außerdem die Möglichkeit, mich mit so ziemlich jedem Thema in meiner Bachelorarbeit auseinanderzusetzen. Die grobe Themenwahl fiel mir dementsprechend leicht. Aber was genau? Im Studium habe ich mehrere Seminare zu Verschwörungstheorien belegt und dazu Hausarbeiten geschrieben. Ein Thema, für das Quellen, Fake News, und Berichterstattung auch relevant sind. Aber ich wollte nicht schon wieder über Verschwörungstheorien schreiben. Vielleicht also Fake News oder journalistische Ethik? Um mir Rat zu suchen, vereinbarte ich einen Zoom-Call mit der Dozentin, bei der ich die Seminare besucht hatte. Da sie selbst ein Buch über Fake News geschrieben hat, war sie die ideale Ansprechpartnerin. Und weil es zu journalistischer Ethik kaum Literatur gäbe, empfahl sie mir, mich auf Fake News zu konzentrieren.

Lesen, sehr viel Lesen

Meine Dozentin hat mir außerdem ein Buch empfohlen: “The Epistemology of Fake News” – gab’s zum Glück im Onlineportal der Unibibliothek. Für alle, die klug genug gewesen sind, sich von der Philosophie fernzuhalten: Epistemologie oder auch Erkenntnistheorie ist die Lehre des Wissens – Descartes lässt grüßen. Da mich immer mehr das Gefühl beschlichen hat, die Zeit würde mir davonrennen, habe ich den Entschluss gefasst, das komplette Buch an einem Wochenende zu lesen. Also zwei Tage für 15 philosophische Paper oder anders gesagt 450 Seiten Philosophie – auf englisch: Das hat mein Vorhaben nicht unbedingt leichter gemacht. Und Philosophen haben die leidige Angewohnheit, ihre Sätze bisweilen doch recht umständlich zu formulieren. Natürlich mit dem Ziel, Missverständnisse zu vermeiden.

Um den heimischen Ablenkungen und der berühmten fallenden Decke zu entkommen, habe ich draußen vor der Bibliothek oder im Lustgarten, in der Nähe des Berliner Doms, gelesen. Schon in den ersten zwei Stunden war klar, dass mein Zeitplan nicht aufgehen würde. Ich brauchte knapp zweieinhalb Minuten, um eine Seite zu lesen. Ich hätte also fast 19 Stunden für alle Texte gebraucht – und ja, ich habe die Zeit gestoppt. Da ich leider keine neuneinhalb Stunden am Tag konzentriert lesen kann, versuchte ich, mein Lesetempo zu steigern. Ich scannte die Texte mehr oder weniger und markierte interessante Stellen. In einem Buch hatte ich mal gelesen, dass es beim schnellen Lesen helfen soll, mit einem Stift die Zeilen entlang zu fahren. Ich saß also am Späti gegenüber vom Grimm-Zentrum und ließ den Stift über tausende Zeilen fliegen. Tatsächlich bin ich dadurch mehr als doppelt so schnell vorangekommen und hatte dennoch den Eindruck, es würde genauso viel hängen bleiben. Trotz schnellen Lesens habe ich leider nur zwölf der fünfzehn Texte geschafft und noch kein konkretes Thema gefunden, aber das wird schon. Ganz sicher. Hoffe ich.

Mein erster Tipp: Übt euch im schnellen Lesen – oder fangt einfach früher an.


Illustration: Klara Heller

Dieser Text ist in der UnAufgefordert #261 zum Thema „www.journalistische-verantwortung.de“ im Juni 2022 erschienen.