Horváths Jugend ohne Gott lädt zu stumpfen Parolen ein. Eine Einladung, die das Deutsche Theater dankend annimmt. Hier steht das Stück auch diese Spielzeit wieder auf dem Programm und rührt die Werbetrommel gegen Faschismus.
Es ist ein Wirrwarr. Auf der Bühne des Deutschen Theaters steht ein massiver Taubenschlag. In bunten Federkleidern stolzieren zwölf Tauben umher, stoßen hymnenartige Parolen aus und spielen Ödön von Horváths Jugend ohne Gott.
Eine Schulklasse im Dritten Reich, die sich gegen ihren Lehrer verbündet. Der Schüler namens N schreibt, dass die Weißen zivilisatorisch und kulturell über den Ausländern stehen. Der Lehrer wagt sanften Widerspruch, muss aber augenblicklich um seinen Job fürchten.
Immer wieder senkt sich ein Halbtransparent über die Bühne und zeigt Aufnahmen aus den 30er Jahren. Dann plötzlich eine Rakete. Hier eine moderne Schaufensterpuppe. Dort die Abholzung des Regenwaldes. Wohin soll das führen? Anscheinend in ein Jugendlager, in dem die Klasse unter dem Kommando eines Feldwebels der Wehrmacht steht. Hier wird die Jugend kriegstauglich gemacht.
„Was wird das für eine Generation? Eine harte oder nur eine rohe?“ Eine Frage, um die sich die Inszenierung dreht. Was außen vor gelassen wird: die konfliktreiche Figur des Lehrers. Im Jugendlager wird dieser eigentlich zum Brecher der eigenen Moral und so folgt eine Auseinandersetzung mit dem unausweichlichen Mitläufertum. Da können die Grundeinstellungen noch so liberal sein. Erst Gott höchstpersönlich kann ihn zur Wahrheit treiben. Was auch immer diese Wahrheit ist.
Doch nicht so in der Inszenierung von Emel Aydoğdu. Denn hier bricht das Stück ab, bevor es Fahrt aufnehmen kann. In Gedanken ist das Publikum noch beim Sinn der Taubenkostüme, da entkleiden sich die Schauspieler*innen auch schon. Aus dem Nichts umarmen, streicheln und tätscheln sie sich und beginnen, progressive Ideale zu predigen.
Die ehemaligen Tauben erzählen von Diskriminierungserfahrungen. Eine Mutter wird zusammengeschlagen, weil sie ein Kopftuch trägt. Ein anderer traut sich als Mann geschminkt nicht vor die Tür. Im nächsten Moment dann Bilder von Widerständlern aus dem Dritten Reich, die es abseits vom Stück ja auch gegeben habe. Moment mal, gibt es die nicht auch in Horváths Jugend ohne Gott? Im Original meldet sich doch ein Teil der Klasse heimlich bei ihm, um zu helfen. Egal, weiter gehts: Forderungen nach Umweltschutz, mehr Geld für Bildung, Kultur und Gesundheit. Als wäre das noch nicht genug, solle man nun auch noch gegen Waffenlieferungen sein. Abschließend stellen zwei Schauspieler aus dem Nichts Fragen an das Publikum: „Für was bist du so richtig dankbar? Wann bist du das letzte Mal aus deiner Bubble ausgebrochen?“
Es ist ja das Jugendprogramm des Deutschen Theaters. Da will man nicht nach der Nadel im Heuhaufen suchen. Es ist schön, dass sich junge Menschen bei all dem Aufschwung rechtspopulistischer Kräfte mit Minderheiten solidarisieren. Doch das hat erstens wenig mit Jugend ohne Gott zu tun und verfehlt zweitens seinen Zweck.
Einfach zu sagen, dass die doofe rechte Jugend keinen Gott habe, greift zu kurz. So wird die Bühne zur Echokammer, überall liegen Kissen und alle sind sich einig. So sieht die Welt aber nicht aus. Menschen sind unterschiedlich, haben unterschiedliche Weltanschauungen und genau da wird es spannend. Da, wo wir uns uneinig sind. Wo sich streiten lässt. Erst da fühlt sich auch eine immer rechter werdende Jugend angesprochen.
Foto: Jasmin Schuller