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Performative Linke – Würde Karl Marx heute Matcha trinken und Labubus kaufen?

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Der Performative Trend hat nun vollständig Deutschland erreicht. Nicht zuletzt die Universitäten, die zum Austragsort des wohl wichtigsten linken Grabenkampfes werden: Wer ist am performativsten links? Und wer entscheidet das? 

„Du bist für mich nicht links“, hört jede linke Person mindestens ein Mal in ihrem Leben. Besonders die, die neben marxistischer Gesinnung und sozialer Arbeit nicht mindestens ein Karabiner an der Jeans baumeln haben und ihre Achseln rasieren. Es scheint fast so, als müsse der ganze Lebensstil auf die politische Gesinnung ausgerichtet sein. Und das ist kein neuer Gedanke.

Im Zuge der Frauenrechtsbewegung um die 1970er Jahre schreibt die Feministin Carol Hanisch einen Essay mit dem Namen: „The personal is the political“. Damit ist grundsätzlich gemeint, dass sich politische Strukturen in persönlichen Lifestyle-Fragen zeigen. Wenn ein Unternehmer also meint, es wäre eine persönliche Entscheidung, fünf Autos zu kaufen, dann ist das eigentlich eine politische. Warum? In der Entscheidung zeigt sich das auf Besitz ausgerichtete System des Kapitalismus. Immer mehr Menschen nehmen diese Beobachtung zum Anlass, politische Meinungen in alltäglichen Handlungen zu manifestieren. Einige feministische Bewegungen leben in FKK – Wohngemeinschaften. Andere hören auf, sich zu schminken. Im Persönlichen soll die Revolution beginnen.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet in den 1970er und 80er Jahren der Begriff der „Performativität“ in der Soziologie und Philosophie immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Judith Butler und Michel Foucault benutzen den Begriff unabhängig voneinander, um politischen Diskurs zu analysieren. Bei vielen Student*innen sollten beim Namen Foucault bereits sämtliche Alarmglocken geschrillt haben. Aber keine Angst: Wir halten es simpel. Was alle Deutungen des Begriffs gemeinsam haben, ist der Hinweis auf handelnde Menschen. Wir alle handeln und drücken uns so aus. Wer wir sind, zeigt sich in unseren Handlungen.

Soweit so gut. Was hat es aber mit der modernen Form der Performativität auf sich? Der Neoliberalismus hat ihn uns eingetrichtert. Er sagt, dass du entweder ein Niemand bleibst oder durch deine Handlungen zum Jemand wirst. Der Niemand ist das Mainstream-Schaf in der Herde und der Jemand ist ein individueller und erfolgreicher Marketing Manager. Also sei Jemand! Handle so, dass du am Ende des Spiels zu den Gewinnern gehörst.

Ironischerweise waren die, die sich zu den Jemands zählten, immer schon die größten Verlierer. Denn wer seine Identität nur inszeniert, wird nie wirklich eine Identität haben. Diejenigen, die sich für besonders individuell und einzigartig halten, erkennen also hoffentlich früh genug, wie wenig individuell und einzigartig sie tatsächlich sind. Zumindest nicht mehr als alle anderen Menschen.

Doch auch die politisch linken Sphären wissen sich gegenüber der Selbstinszenierung nicht zu schützen. Hier geht es zwar nicht um das Gewinnen im ökonomischen Sinne, aber man sollte doch möglichst schon beim Betreten des Raumes erkennen, welche politische Gesinnung man pflegt. Das kommunistische Manifest im Tote-Bag schreit: „Ich habe eine Identität, ich bin links, ich bin einzigartig! Dein Links ist eigentlich gar nicht wirklich links, denn wusstest du, dass die sozialistischen Tendenzen der antideutschen Bewegungen bla bla bla…“ Alle sind sich ganz sicher, dass die eigene politische Identität die richtige ist und davon müssen die anderen natürlich mitbekommen. Am besten auf Instagram, da sehen es noch mehr Leute. Und urplötzlich haben wir einen ganzen Mob an Menschen, die schon in ihrem Modestil, ihrer Sprache und in ihrem Auftreten ganz weit links sind.

Und ehrlich gesagt ist das auch nicht verwerflich. Denn sind wir nicht alle performativ? Erwischen wir uns nicht alle bei der Kleiderwahl oder der Art zu sprechen, klammheimliche politische Intentionen zu haben? Wollen wir nicht alle durch unsere Handlungen die besten Ziele erreichen? Zum Problem wird es eigentlich erst, wenn man über seine tatsächlichen Absichten lügt Wenn man(n) zum Beispiel lackierte Fingernägel trägt, um einer Frau feministisches Gedankengut vorzugaukeln, obwohl es eigentlich nur um Sex geht. Wenn man sich 20 Labubus kauft und gleichzeitig Konsumverhalten kritisiert. Wenn es einem nur um soziale Anerkennung geht und nicht um politische Überzeugungen.

Wo man da die Grenze zieht, bleibt allen selbst überlassen. Den Meisten, denen es nur um soziale Anerkennung geht, werden es sowieso nicht merken. Sie werden zu sehr damit beschäftigt sein, ihre Mate zwischen Tag-Stiften und linken Stickern in ihrer Umhängetasche zu suchen.


Foto: Maximilian Scheffler