
Ann Felkes erstes Wort war „Anhänger“. Im Interview mit der UnAuf erzählt sie von ihrer Karriere als Rallyefahrerin, Beifahrerin und Kfz-Mechatronikerin.
Fast wäre Ann Felkes Traum schon nach dem ersten Versuch – ganz wörtlich – in Flammen aufgegangen. Aber die 23-Jährige aus Saarbrücken blieb dran. Heute ist sie eine von fünf Rallyefahrerinnen in Deutschland, gibt als Beifahrerin Anweisungen, wo es lang geht, und kümmert sich in zwei Tourenwagen-Rennteams um die Technik. Zudem macht sie eine Ausbildung als Kfz-Mechatronikerin –, nachdem sie sich an einem dualen Studium mit Aussicht auf einen Bürojob versucht hatte. Dass ein Werdegang nicht immer schnurgerade, sondern kurvenreich verlaufen kann und wie es ist, sich in der Männerdomäne Motorsport zu bewegen, erzählt sie im Gespräch mit unserer Autorin.
UnAuf: Ann, was sind deine ersten Erinnerungen ans Thema Autofahren, gab es da Berührungspunkte in deiner Kindheit?
Ann Felke: Ein bisschen Faszination war schon immer da. Mein erstes Wort war „Anhänger“.
UnAuf: Wie ging es dann weiter?
AF: Ich war anfangs immer eher so ein Pferdemädchen. Später habe ich dann Fußball gespielt. Ich habe als Kind eher blau und „Jungenkleidung“ getragen. Für die Mütter meiner Freundinnen war ich schon sehr burschikos.
UnAuf: Dann also Autos. Wie kam das?
AF: Mich haben Autos immer interessiert. Dann habe ich Rallyefahren im Fernsehen gesehen und fand das voll cool. Also wollte ich unbedingt selbst Autofahren. Da war ich aber erst 15 Jahre alt.
UnAuf: Autofahren kam also noch nicht infrage.
AF: Ja. Deshalb bin ich aufs Beifahren gekommen: Beim Rallyefahren braucht man einen Beifahrer, der dem Fahrer im Renntempo vorliest, wo es lang geht. Und das fährt man nicht auf der Rundstrecke, sondern über gesperrte Waldwege oder kleine Feldwege. Der ADAC bietet viertägige Lehrgänge für Lizenzen zum Rallyefahren an. Meine Eltern haben mir diesen Lehrgang damals geschenkt. An einem Wochenende habe ich also sehr kompakt alle Regeln und Dinge, die man beim Rallyefahren beachten muss, gelernt.
UnAuf: Wann warst Du zum ersten Mal als Beifahrerin dabei? Wie war Deine erste Rallye?
AF: Lustigerweise hat mich zwei Wochen nach dem ADAC-Lehrgang jemand von den Organisatoren angerufen, ob ich nicht Lust und Zeit hätte, bei der Deutschen Rallyemeisterschaft einzuspringen.
UnAuf: Wieso das?
AF: Weil ein Beifahrer krank geworden ist. Da war ich dann 16 Jahre alt.
UnAuf: Und wie lief es?
AF: Naja, die erste Rallye war ein bisschen katastrophal. Kurz vor dem Ziel hat nämlich das Auto angefangen zu brennen.
UnAuf: Wieviel Gefahr steckt im Rallyefahren? Hast Du Dich mit dem Auto jemals überschlagen?
AF: Ja, das gehört leider dazu. Das geht manchmal schneller, als man denkt.
UnAuf: Wie war das genau?
AF: Da sitzt du dann halt einfach so und denkst dir: Mist! Dann rumpelt es ein bisschen und dann ist es vorbei. Das war im Winter, da lagen Schnee und Eis, wir waren ein bisschen zu schnell in einer relativ scharfen Linkskurve. Dadurch sind wir einen Hang hinuntergerutscht, das Auto ist auf die Seite gefallen und hat sich dann zweimal überschlagen. Aber die Autos heutzutage sind echt ziemlich sicher, das kann man nicht mit einem normalen Auto vergleichen. Man hat da so einen richtigen Käfig drin.
UnAuf: Deine ursprüngliche Berufswahl war da ja weniger gefährlich.
AF: Stimmt. Ich habe eine Ausbildung zur gestaltungs- und medientechnischen Assistentin gemacht. Das hat mir Spaß gemacht, weil die Ausbildung sehr handwerklich war. Danach habe ich mich entschieden, dual zu studieren, habe also in einer kleinen Agentur gearbeitet und war zwei Tage in der Woche in der Universität.
UnAuf: Warum hast Du Dich dann entschieden, abzubrechen?
AF: Dieser Bürojob hat mir nicht so viel Spaß gemacht, das war nicht, was ich mir darunter vorgestellt hatte. Ich habe gemerkt: Das ist jetzt der richtige Moment, meinen Karriereweg zu ändern. Seitdem mache ich die Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin.
UnAuf: Und wie sieht nun Dein Alltag – ohne Bürojob – so aus?
AF: Ich war zum Beispiel letztes Wochenende in Südfrankreich zum 12h-Rennen auf der Rennstrecke Paul Ricard in Le Castellet. Das Rennteam hat ein GT3-Auto. Mit so einem Auto fährt man bei den Deutschen Tourenwagen Masters. Normalerweise sind mein Team und ich für das Tanken zuständig, dieses Wochenende war ich das erste Mal im Reifenteam, wo wir beispielsweise nach jedem Boxenstopp die abgefahrenen Reifen abnehmen, sie ins Reifenzelt bringen, reinigen und für die nächste Montage bereit machen. Dann bin ich noch in einem Team am Nürburgring. Da sind wir nur Mädels und betreuen den technischen Bereich eines Autos.
UnAuf: Siehst Du einen Unterschied bei so einer Zusammensetzung?
AF: Die Hilfsbereitschaft in dem Mädchen-Team ist ein bisschen größer. Während im Jungs-Team oft Aufgaben alleine erledigt werden, arbeiten wir im Mädchen-Team manchmal zu dritt an einer Sache. Das liegt aber auch daran, dass es im Männer-Team in den letzten zwei Rennen oft darauf ankam, innerhalb von zwei Stunden das halbe Auto zu reparieren. Bei den Frauen war das bisher ein bisschen entspannter. Zum Glück.
UnAuf: Auch wenn statistisch gesehen in Deutschland ungefähr genauso viele Frauen wie Männer den Führerschein haben, ist das Interesse an Autos wohl bei Männern größer. Was hast Du da im Motorsport oder im technischen Bereich erlebt?
AF: Also ich muss sagen, dass eigentlich alles weniger schlimm ist, als ich es gedacht hatte. Natürlich werde ich manchmal bei der Arbeit mit Vorurteilen konfrontiert. Ich hatte zum Beispiel einen Kunden, für den ich eine Glühbirne wechseln sollte. Der ist dann dauernd neben dem Auto auf und ab gelaufen und hat gefragt, ob es denn irgendwelche Probleme gebe oder warum das so lange dauert. Sowas erlebe ich manchmal.
UnAuf: Wie reagierst Du auf sowas?
AF: Ich habe dem Kunden ganz ruhig geantwortet, dass ich weiß, was ich tue, und habe das weitestgehend ignoriert.
UnAuf: Ich bin bei meiner Recherche auf ein Interview mit Sophia Flörsch gestoßen, der deutschen Formel 3 Rennfahrerin. Sie sagt, gegenüber Frauen gebe es in ihrer Branche Vorbehalte: Sie würden weiterhin verortet in einem Umfeld aus Freund, Familie, seien emotional und nicht stringent. Sie sagt, es sei unmöglich, was man sich so anhören muss. Begegnest Du auch solchen Vorurteilen?
AF: So stark spüre ich das eigentlich nicht. Aber es sind zum Beispiel durch Kolleginnen Unfälle passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Und natürlich wird bei denen dann schneller gesagt: Boah, natürlich waren das Mädchen.
UnAuf: Was müsste sich im Motorsport beim Thema Gleichberechtigung ändern?
AF: Es wäre cool, wenn es noch mehr Frauen gäbe, die das machen. Wenn es normaler wäre. Ich finde, man muss nicht immer herausstellen: Das ist jetzt ein Mädchen, das ist etwas Besonderes. Man kann ruhig davon ausgehen, dass ein Mädchen etwas genauso gut kann wie ein Junge. Wenn das irgendwann akzeptiert ist, guckt auch keiner mehr und fragt ständig: Oh, da ist ein Mädchen. Und: Macht die das auch richtig?
UnAuf: Was denkst Du: Ist Dein Umfeld von diesem Wandel noch weit entfernt?
AF: Wie ich es erlebe, eigentlich nicht. Ich glaube aber, es müssen erstmal noch deutlich mehr Mädchen dazukommen. Solche, die richtig ausgebildet sind. Und dann sind es irgendwann so viele, dass man nicht mehr darüber nachdenkt, ob da ein Mann arbeitet oder eine Frau.
UnAuf: Hast Du noch einen Rat für Mädchen und junge Frauen, die an Autos arbeiten oder in den Motorsport wollen?
AF: Ja, ich denke, die sollten das einfach mal machen, fragen, ob man zugucken kann. Und dann dabeibleiben und Einsatz zeigen. Also nicht um 21 Uhr sagen: Okay, es ist mir jetzt zu spät, ich gehe nach Hause und lege mich hin. Sondern bis zum Ende dabeibleiben.
Foto: Sylvain Henry