Sie filmen, schreiben und protestieren. Die Redaktion der Studierendenzeitung Student ist Nachrichtenquelle für Student*innen und Teil der Protestbewegung zugleich. Ein Einblick in einen Newsroom, in dem journalistische Objektivität und politisches Engagement dicht beieinanderliegen.
Katarina Stanić begleitet im April eine Gruppe protestierender Student*innen auf einer rund 2000 Kilometer langen Laufstrecke von Novi Sad nach Brüssel. Sie dreht Videos, schreibt Artikel für Student, dokumentiert die Erfolge und Rückschläge auf dem Weg zum Europäischen Parlament. Doch die Grenze zwischen Beobachterin und Beteiligter verschwimmt, als sie zunehmend organisatorische Aufgaben im Protest übernimmt. Unerwarteterweise plant Stanić Routenabschnitte, organisiert Verpflegung und Unterkünfte für die Teilnehmer*innen und kommuniziert mit der Polizei bei Grenzübergängen.
Seit 2024 ist sie bei Student, um trotz abgebrochenem Journalismusstudium als Reporterin Erfahrung zu sammeln. Wie alle anderen neuen Mitglieder beginnt sie somit als „Journalist*in“ bei der Zeitung. Viele Mitglieder haben zuvor nie journalistisch gearbeitet, nur wenige haben vor, danach eine Karriere im Journalismus anzustreben.
Isidora Nedić ist die derzeitige Chefredakteurin. Sie begann 2021 als Reporterin, ein Jahr später übernahm sie das Ressort Gesellschaft. Sie ist die erste Chefredakteurin seit Langem, die aktiv Journalismus studiert. Ihr Ziel ist es, neben dem forschungsbasierten Studium praktische Erfahrung zu sammeln. Vielleicht ist es dieser Hintergrund, mit dem sie einräumt: „Aus dieser Perspektive waren wir nicht völlig objektiv, da wir von Anfang an aktiv an den Aktionen der Studierenden beteiligt waren. Trotzdem versuchen wir immer, die Situation so darzustellen, wie sie tatsächlich ist, ohne Voreingenommenheit.“
Zukunftsorientierter Journalismus
Nina Čolić vom Zentrum für Investigative Recherchen Serbiens (CINS) betont, dass Journalist*innen keine Aktivist*innen sein sollten: „Als Student sei ein Aktivist. Aber wenn du im journalistischen Bereich Karriere machen möchtest, solltest du ein paar Schritte vorausdenken. Versuche, so objektiv wie möglich zu sein.“ Sie stützt sich dabei auf eine zentrale Vertrauensfrage des Journalismus, denn wenn Journalist*innen bei Demonstrationen mitprotestieren, können die Leser*innen ihre Berichte als tendenziös wahrnehmen. In ihrem Berufsalltag gilt daher: „Als Journalisten können wir nicht an den Protesten teilnehmen. Wenn wir von den Menschen erwarten, dass sie uns als objektiv wahrnehmen, dann können wir nicht mitmachen.“ Eigene Meinungen müssen zurückgehalten werden, um die Glaubwürdigkeit der Medien zu sichern.
Die Redaktion von Student sieht das entschieden anders. Elena Gligorijević, stellvertretende Chefredakteurin und ebenfalls Ressortleiterin des Ressorts Gesellschaft, argumentiert, dass objektive Berichterstattung und Solidarität mit den Protesten in der Redaktion keinen Widerspruch darstellen: „Wir bemühen uns, objektiv und professionell zu bleiben. Aber als Studierende stehen wir natürlich auch hinter unseren Kommiliton*innen. Weil ihre Forderungen grundlegend sind, unterstützen wir ihren Aktivismus.“
Erbschaft der Schrift und des Protests
Das Spannungsfeld zwischen Schreiben und Mitmachen ist kein neues Phänomen bei Student. Bereits seit der Gründung am 15. März 1937 setzte sich die Redaktion kritisch mit dem jugoslawischen Regime sowie dessen diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen auseinander. Im Juni des Jahres 1968 kommt es zu Student*innenprotesten gegen Josip Broz Titos Regierung. Student ist mit 50.000 Exemplaren eine zentrale Anlaufstelle für Informationen zum Student*innenleben und darüber hinaus. Doch mehrere Ausgaben werden temporär, einige permanent verboten.
Heute hängt ein Porträt Titos im Redaktionsraum in der Balkanska 4 und erinnert an die Geschichte des Raumes. Eine Etage darunter befindet sich das älteste Studierendenwerk des Balkans („Savez studenata Beograda“), dessen Teil die Redaktion ist.
Gligorijević sieht Parallelen zwischen damals und heute: Student*innen und Professor*innen werden festgenommen oder kollektiv bestraft. Während Tito teilweise Fehler eingestand und einige Forderungen erfüllte, scheint Vučić weit davon entfernt zu sein. Etwa, wenn es darum gehe, die Untersuchungen des Unglücks in Novi Sad zu unterstützen.
Hoffnungslos sei die Lage des Magazins dennoch nicht. Die Redaktion vertraue darauf, weiterhin auf der Website und auf ihren sozialen Medien über die Student*innenproteste zu berichten. Die Mitglieder spüren, dass sie Teil einer Tradition sind. „In solchen schwierigen Zeiten glaubt man leicht, dass das Böse überwiegt“, sagt Stefan Šajkarević. Er trampte nach Straßburg und verarbeitete seine Erlebnisse in Reportagen. Von seinen Reisen bleiben vor allem die Interaktionen mit den Menschen in Erinnerung: „Gerade in diesen Momenten merkt man, wie sehr die Menschen ihre Hoffnung auf uns setzen.“
Stanić und Šajkarević begleiteten die Proteste nach Brüssel, Straßburg und in weitere Städte Serbiens. Für Mitglieder wie Anđela Jovanović, die Medizin studiert, ist Student eine seltene Chance, mit Worten zu arbeiten. Seit zwei Jahren betreut sie das Wissenschaftsressort. Auch Stanić, die inzwischen Informatik studiert, nutzt die Zeitung, um ihrer Leidenschaft für Journalismus als Hobby nachzugehen. „Wir sind stolz auf sie und froh, dass sie Teil unseres Teams sind“, sagt Gligorijević über das Engagement der Mitglieder.
Pressefreiheit in Serbien
Im Gespräch wird klar, dass, wenn die Redaktion über „wir“ redet, sie sich als Nachwuchsjournalist*innen und Protestant*innen gleichzeitig meint. Und auch wenn Čolić für eine schärfere Trennung plädiert, kann sie es ihnen nicht ganz verübeln: „Die Studierendenproteste der letzten neun Monate haben uns gezeigt, dass wir uns nicht immer zurückhalten können, aber wir sollten es so oft wie möglich tun.“
Für die Redaktion von Student ist die Nähe zur Bewegung unvermeidlich. Sie sind Student*innen, die für Student*innen recherchieren, Erlebtes erklären und auch selbst auf die Straße gehen. Die Linie zwischen Bericht und Beteiligung wird in diesem Rahmen ständig neu verhandelt.
„Man kann keine gesunde politische Debatte führen, wenn man sich in unserer Situation befindet“, sagt Šajkarević. Die Einschätzung von Reporter ohne Grenzen bestätigen diesen Eindruck: Pressefreiheit in Serbien ist stark gefährdet. Während viele regierungsnahe Medien gegen journalistische Standards verstoßen, sind investigative Journalist*innen von Propaganda und politischem Druck bedroht. Verbrechen gegen Medienschaffende werden kaum geahndet. Vor Ort wird klar, dass die Student*innen traditionelle Medien satt haben. „Am konsequentesten wird der studentische Protest in Jugendmedien dargestellt, weil sie von denen gemacht werden, die selbst an vorderster Front stehen“, sagt die Chefredakteurin Nedić.
Ihre Perspektive sei einzigartig. Die jungen Medienschaffenden vermitteln, wie Student*innen verstanden werden wollen, ohne reißerisch zu berichten. Sie sind die ersten, die Zugang zu Orten und Plena haben, die professionellen Journalist*innen wie Nina Čolić oft verschlossen bleiben. In der Untrennbarkeit von Bericht und Protest liege die Stärke ihrer Berichterstattung.
Foto: Emely Stache







