Ausgelöst durch akute Überforderung am feministischen Kampftag am 8. März hat sich unsere Autorin zu diesem, wohl auch das übrige Jahr relevanten Kommentar veranlasst gesehen.

Feminismus: Die Definitionen zu diesem Begriff, der in aller Munde ist, scheinen teilweise haarsträubend auseinanderzuklaffen, die mehreren Wellen immerzu aneinander vorbei zu schwappen. Die Frau steckt in dem Wort, nur scheint es heute viel zu einfach gedacht, Feminismus schlichtweg als Synonym für eine einheitliche Bewegung von Frauen für Frauen zu sehen. Als eine Bewegung, die sich gegen die strukturelle Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen weltweit einsetzt. Schließlich ist Feminismus nicht gleich Feminismus und heute nennt sich zwar von Jung bis Alt, von Links bis Konservativ, von Hausfrau zu „working mom“ und immer öfter auch von Frau zu Mann so ziemlich jede*r feministisch, der nicht als Patriarch oder Profiteur*in des Patriarchats gelten will.

Aber was in den Siebzigern als sonderbar, aufmüpfend und überaus neu galt, wird heute als viel zu exklusiv kritisiert. Für viele junge Feminist*innen in Deutschland dürfte etwa Alice Schwarzer kein unangefochtenes Vorbild mehr sein. Feminismus soll intersektionaler gedacht werden, transfreundlich und migrantisch etwa. Inklusiv und offen für alle, wir alle gemeinsam gegen das Patriarchat: Ob glattrasierte Mädels mit aufgespritzten Lippen (die eigene Weiblichkeit sollte frau nicht verstecken, so ein Argument, gleichzeitig ist Geschlecht natürlich eine rein soziale Kategorie), der Ethnologie-Felix mit seinen schwarzlackierten Nägeln oder eben eine Großmutter, die nach 50 Jahren immer noch traumatisiert ist von einer ungewollten Schwangerschaft und dem anschließenden Sitzengelassenwerden von einem Patriarchen, der sich komplett aus der Affäre zog. Sie alle sollen gleichermaßen Feminist*innen sein dürfen – eine süße Vorstellung, nur geht das irgendwie nicht ganz zusammen. Konflikt und Spaltung sind also zwangsweise Teil des Ganzen.

Unter anderem aus dem Grund bietet der achte März in Großstädten wie Berlin eine üppige Auswahl an Demos und Anlass dazu, sich genau zu überlegen, auf welcher von ihnen man mitläuft. Dabei scheint es wichtiger zu sein, mit wem man läuft, als wofür – oder wogegen. Mit wem identifiziere ich mich am meisten? Mit den feministischen Fahrradfahrerinnen, mit Bengalozünder*innen gegen sexualisierte Gewalt an Frauen oder treffe ich mich doch lieber auf ein Aperölchen mit Sabine auf der Love and Peace-Demo? Stellung beziehen und zeigen, zu wem man gehört, wem man sich anschließt, das scheint das Wichtigste zu sein am achten März. Ein besonders überfordernder Faktor dieses Jahr: Zum Krieg im Nahen Osten bitte auch klipp und klar positionieren, sonst hat Frau keine Berechtigung, überhaupt auf die Straße zu gehen (die natürlich immer bestens informierten Cis-Männer stehen mit diesem Vorwurf im Mund schon in den Startlöchern). Also, schwenken wir heute Palästina- oder Israel-Fahnen?

So wichtig es ist, zu differenzieren, so wichtig es ist, verschiedenen marginalisierten Gruppen von FLINTA* ihren Raum zu geben und außerdem immer alles aus einem historischen, politischen und soziokulturellen Blickwinkel zu betrachten (denn der Kampf der Frauen muss eingebettet werden): Manchmal ist es auslaugend und manchmal will ich mich auch nicht positionieren. Der ständige Drang, sich immer einer bestimmten Gruppe zuzuordnen, sich mit einem bestimmten Namen zu schmücken, um ernstgenommen zu werden, mehr darüber nachzudenken, zu wem ich mich geselle als was überhaupt mein Ziel ist, ist ein sinnloser Energieverlust, der am Ende tatsächlich wieder nur dem Patriarchat in die Hände spielt. Die  neue Offenheit ist notwendig, aber wirklich einfach ist sie nicht. Wichtiger als die Frage nach der „Art“ von Feministin, sollte die Frage nach den Gründen sein. Denn warum ich Feministin bin, werde ich immer wissen.


Illustration: Lucia Maluga