Hilal Moshtaris Buch “Hässlichkeit” ist erschienen. Darin setzt sie sich mit gesellschaftlichen Normen der Ästhetik auseinander. Eine Lesung dieses Werkes fand am 13. September im Rahmen des Literaturfestivals in Berlin statt. Hilal selbst hat lange Zeit versucht, dem Ideal der Schönheit zu entsprechen. In ihrem Buch, das im Hanser Verlag erschienen ist, stellt sie dieses Streben in Frage.
Es ist ein lauer Mittwochabend und vor dem Haus der Berliner Festspiele in Charlottenburg versammelt sich eine Vielzahl von Menschen, darunter zahlreiche junge Besucher*innen. Die Lesung war innerhalb weniger Stunden ausverkauft – eilig musste ein zusätzlicher Saal hergerichtet werden, der ebenfalls umgehend ausverkauft war.
Das Bühnenbild ist schlicht: Zwei in Schwarz gekleidete Frauen sitzen an entgegengesetzten Enden der Bühne. Letztere ist abgedunkelt, bis auf die Plätze der beiden Frauen, die von zwei Scheinwerfern an der Decke punktuell beleuchtet werden. Es sind Hilal Moshtari, bildende Künstlerin, Kuratorin und Autorin des Werkes “Hässlichkeit” und die Schauspielerin Susana AbdulMajid. Mit langen Haaren, die über ihre Rücken fallen, richten die beiden Frauen ihre Blicke aufeinander. In ihren Händen halten sie Auszüge aus dem Werk “Hässlichkeit”, die sie abwechselnd dem Publikum vortragen.
Die wahre Bedeutung von Schönheit, so Hilal, entfaltet sich erst im Kontrast zu ihrer Gegenspielerin, der Hässlichkeit. Diese Erkenntnis zwingt die Lesung sowohl inhaltlich als auch stilistisch dazu, das Spektrum zwischen Schönheit und Hässlichkeit zu erkunden, ebenso wie die Furcht vor Hässlichkeit und dem Streben nach Schönheit. Das reicht von der Darstellung beleidigender Aussagen wie “Nur eine Mutter konnte ein hässliches Kind lieben” bis hin zu poetischen Beschreibungen wie “Mein Gesicht formte ich herzförmig, (…) mit Augen wie Mandeln und Lippen wie samtweiche Kissen”.
Auch Geschichten über Nasen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Abend: Hilal berichtet von ihrem zwiespältigen Verhältnis zu ihrer eigenen Nase – lange Zeit mochte sie diese überhaupt nicht. Während die Erzählungen fortschreiten, erscheinen im Hintergrund auf einer Leinwand Fotos von Hilal als Kind, die sie mit markanten Augenbrauen und von ihr selbst als “kurdisch” bezeichneter Nase zeigen. Hilal nimmt das Publikum mit auf eine persönliche Reise, in der sie sich mit ihrem eigenen Empfinden von “Hässlichkeit” auseinandersetzt. Dabei fallen auch Äußerungen aus ihrer Kindheit, die ihren Hass auf sich selbst und das eigene Gesicht widerspiegeln: “Pferdefresse. Was hast du dir gedacht, so freundlich zu grinsen, aus meinem Gesicht?”.
Die Autorin Jina Khayyer führt durch den Abend. Im Gespräch über Schönheitsoperationen zieht Khayyer einen Vergleich zu einem ihrer Lieblingslieder der Sängerin Beyoncé, “Pretty Hurts”. In diesem Lied singt Beyoncé: “It’s the soul that needs a surgery”, um damit auszudrücken, dass nicht unser Äußeres, sondern vielmehr unsere inneren Qualitäten mehr Aufmerksamkeit und Pflege benötigen.
Zum Abschluss des Gesprächs möchte die Moderatorin Jina Khayyer über das Ende des Werkes sprechen, das sie persönlich am meisten berührt hat. Es behandelt die Darstellung des Todes als die ultimative Form von Hässlichkeit und thematisiert die Frage, wem unser Körper eigentlich gehört – dem Tod oder der Geburt? Hilal reagiert darauf mit einer nachdrücklichen Gegenfrage: “Wer kann es sich leisten, seinen Körper wie einen Tempel zu hüten?”. Dadurch wird betont, dass Gesundheit und Schönheit eine Art Luxusgut sind.
Moshtari Hilal ist eine faszinierende Persönlichkeit, die ihre Worte mit Bedacht wählt. Mit den abschließenden Worten: “Im Schatten meiner Nase befindet sich ein Garten. Ein Garten, in welchem schwarze Gräser wachsen (…)”, findet sie zur Thematik der Nase und damit zum Ursprung ihrer Auseinandersetzung mit sich selbst zurück.
Foto: Schirin Moaiyeri