Nach monatelangem Starren auf Zoom Kacheln, haben sich die meisten von uns nichts sehnlicher gewünscht, als wieder in die Uni zu gehen. Es sieht gut aus: „blended learning”, „hybrid” und die „Präsenzstrategie” der HU machen’s möglich.

Doch wie wird das, wenn wir uns wieder an der Uni treffen? Der beliebte Schnack und die Kippe vorm Institut vor den Veranstaltungen wird vielleicht zum Social-Anxiety-Marathon. Wir sind es nicht mehr gewohnt, mit Menschen zu sprechen, die wir kaum kennen. Die Kommilitonin ist zwar bekannt für ihre schlauen Sätze zur Foucaultschen Diskurs-Analyse, aber Hilfe, wie geht nochmal Smalltalk?

Der Stuhl, der so lange darauf gewartet hat, Studierenden auf sich Platz zu bieten, ist nicht vergleichbar mit dem bequemen Vorlesungsplatz im Bett. Die lange vernachlässigte Jeans zwickt überall und ist viel enger als die vollgekleckerte Jogginghose. Aber den gequälten Gesichtsausdruck sieht wenigstens niemand dank der Maske. Die Studentin in der ersten Reihe ist noch nicht bereit, die Gemütlichkeit des heimischen und virtuellen Seminarraums aufzugeben und zieht ihre Schuhe aus. Sehr zum Leid ihrer Sitznachbarin, deren Maske dem käsigen Geruch nicht genug entgegensetzen kann. Plötzlich zucken alle im Raum zusammen, aufgeschreckt durch einen lauten Aufprall: Der Typ hinten hat seine Beine aus Gewohnheit auf den Tisch gelegt und ist dabei mit dem Stuhl umgekippt.

Die Diskussion startet nur langsam, während ein paar Leute apathisch dreinblickend überhaupt nicht zuhören, mit dem Gedanken, dass das eh alles als Audiodatei noch online verfügbar sein wird. Ganz rechts meldet sich jemand. Der Dozent nimmt ihn dran, aber die Person fängt nicht an zu sprechen, sondern sucht verzweifelt den Mikrofon-Button auf dem Laptop. „Sie können einfach loslegen“, fordert der Dozent auf.

Bis zum Ende des Seminars sind einige Teilnehmende aufgestanden, um sich noch einen Kaffee zu machen, nur um nach zwei Metern festzustellen, dass ihre WG-Küche sich nicht im Gebäude befindet. Andere gähnen laut und wieder anderen grummelt vor Hunger der Bauch. Letzteren ist trotz Maske anzusehen, dass sie leicht genervt sind und gerne schon während des Seminars angefangen hätten, ihr Mittagessen zu kochen.

Vorm Institut nach dem Seminar ist viel erleichtertes Schnaufen zu hören und nicht nur einmal der Satz: „Zu Hause ist’s doch am schönsten.“


Dieser Text ist in der UnAufgefordert #258 zum Thema „Back to old school“ im November 2021 erschienen. 

Illustration: Dorothea Müller