Er möchte nicht nur mit einer Person eine Beziehung führen können, sagt Nick. Sondern mit mehreren Menschen gleichzeitig. Der 29-Jährige erzählt, wie er polyamorös datet. Und wie das mit der Eifersucht ist.

„Zusammenleben mit nur einem Partner, einer Partnerin“ – so erklärt der Duden die Monogamie, unser konventionelles Beziehungsmodell. Wer einen Schritt aus der Konvention zurücktritt, erkennt: Es geht auch anders. Nick hat das getan. In seinem Fall heißt dieses „anders“ Polyamorie. Diese beschreibt die Möglichkeit, Liebesbeziehungen zu mehr als einer Person zu führen.

UnAuf: Nick, was bedeutet Polyamorie für dich?

Nick: Ich würde es so beschreiben: Ich habe einen ganz großen Topf voller Liebe und ich mag diesen Topf auf ganz viele Menschen verteilen dürfen. Vielleicht auch nur auf eine Person. Oder auf dreißig. Die Erwartung in der Monogamie, dass du deine Liebe nur auf eine Person ausschütten darfst, das funktioniert für mich nicht. Weil ich Menschen einfach zu sehr mag.

UnAuf: Mehrere Personen – bedeutet das, dass alle die gleiche Portion Liebe abbekommen?

Nick: Ich denke, es gibt immer einen Unterschied, was die Bindung angeht. Denn es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass du eine Person findest, die alle deine Bedürfnisse abdecken kann. Und noch unwahrscheinlicher, dass es umgekehrt genauso ist. Manche brauchen zum Beispiel mehr Abstand als andere. Es gibt meistens eine Hauptbezugsperson, dann daneben noch weitere Personen. Oder aber nicht, es geht ja nur um die Möglichkeit.

UnAuf: Wie sieht das konkret bei dir aus?

Nick: In meiner letzten Beziehung, die etwa drei Jahre ging, hatte meine Partnerin mehrere Partner. Das war zuerst ein Dreiergespann – zu ihr hin eine romantische Beziehung und zwischen dem anderen Partner und mir eine Freundschaft. Bei dem Konzept blieb es auch. Zeitweise hatte sie noch mehr Partner.

UnAuf: Mal ehrlich: Ist das nicht alles ein unglaublicher Zeitaufwand?

Nick: Je mehr Leute das werden, desto schwieriger wird es auf jeden Fall. Gehen wir vom theoretischen Konstrukt aus, dass du jede Person gleichberechtigt behandeln möchtest, dann wird es sehr schwierig, auf alle Bedürfnisse einzugehen. Mittlerweile ist es in der Poly-Community sehr Gang und Gebe, die Kalender miteinander zu teilen. Man guckt halt in den jeweiligen Kalender – „kann ich den Termin bei dir haben?“

UnAuf: Klingt wie das Buchen von Zeitslots.

Nick: Das ist tatsächlich so. Aber irgendwann notwendig. Weil man sich nicht darauf einstellen kann, dass es der „Default-Zustand“ ist, Zeit miteinander zu verbringen. Dass man abends nach Hause kommt und einen Film miteinander guckt. Das muss man organisieren.

UnAuf: Theoretisch klingt das polyamoröse Konzept sehr durchdacht. Praktisch stellt man sich von außen schon vor, dass in so einer Beziehung sehr viel Eifersucht entsteht.

Nick: Erstmal: Eifersucht ist etwas, das es sehr wahrscheinlich in jeder Beziehung einmal gibt, auch in freundschaftlichen. Die Eifersucht ist ja nur der Wunsch, dass du gerne Zeit mit der Person, die diese gerade anderweitig verbringt, für dich hättest. Ich selber habe in meiner letzten Beziehung das erste Mal mit Eifersucht kämpfen müssen. Hier kam zum Beispiel das Thema auf, dass ich nicht wollte, dass sie mit anderen Sex in meinem Bett hat. Aber weil das auch ihre Wohnung war, wollte sie, wenn ich weg war, mit dem anderen Partner schlafen. Das war super schwierig für mich. In dem Fall musste ich lernen, dass das nicht schlimm ist. Es war meine Chance, daran zu wachsen.

UnAuf: Aber dass sie überhaupt Sex mit anderen hatte, das war ok für dich?

Nick: Bei einem Partner, den sie kennengelernt hat, kam bei mir Unsicherheit auf. Denn als der Sex bei uns weniger wurde, dachte ich, ich mache irgendwas falsch. Damit ging eben die Eifersucht einher.

UnAuf: Wie bist du damit umgegangen?

Nick: Der beste Counter ist Offenheit und Kommunikation. Es ist super witzig: Eben dieser Partner meiner damaligen Freundin hat bei mir sehr viel Eifersucht ausgelöst. Denn ich kannte ihn zuerst nicht. Als ich ihn dann kennengelernt habe – da war er einfach nur ein Mensch. Ein Teil des Beziehungskonzepts. Vielleicht ist Eifersucht in Poly-Beziehungen sogar weniger ein Problem. Denn du kannst eine monogame Beziehung führen ohne totale Offenheit, das geht irgendwie. Eine polyamoröse Beziehung funktioniert nicht ohne Kommunikation, sonst kannst du keine Beziehung mit mehreren Menschen aufrechterhalten.

UnAuf: Gibt es Fremdgehen in einer Poly-Beziehung?

Nick: Schon. Weil Fremdgehen per se ist ja nicht der Akt, mit jemand anderem zu schlafen, sondern das Ganze nicht zu kommunizieren. Lügen ist das Problem, das bricht Beziehungen – Überraschung! (lacht) Aber indem die Offenheit in der Polyamorie da ist, entsteht das Bedürfnis weniger, fremdzugehen. Man kann ja darüber quatschen, dass man mit einer anderen Person schlafen will.

UnAuf: Hast du schon einmal aktiv polyamorös gedatet?

Nick: Ja. Ich kenne bisher eine Poly-Dating-App, das ist OkCupid. Da kannst du nach allem filtern – jedes Geschlecht, jedes Sex, jede Vorliebe. In meinem Fall konnte ich nicht direkt nach polyamorös, sondern nur nach ‚nicht-monogam‘ suchen. Getroffen habe ich mich dann mit zwei Personen.

UnAuf: So ein Dating stellt man sich irgendwie entspannter vor, freier.

Nick: Als ich noch monogam gelebt habe, habe ich nie gedatet. Da habe ich Menschen einfach kennengelernt, deshalb kann ich das nicht so richtig vergleichen. Ich glaube aber, dass Poly-Dating einfacher ist. Weil ich sagen kann: Ich lerne auch andere Menschen neben dir kennen. Aber wenn du während eines monogamen Dates droppst, dass du noch jemand anderes datest, hast du eigentlich schon verloren.

UnAuf: Wenn du – außerhalb des Poly-Datings – eine Person kennenlernst, an der du romantisches Interesse hast, wie eröffnest du ihr, dass du polyamorös lebst?

Nick: Das musste ich noch nie machen. Das ist ein bisschen der Veganer-Effekt.

UnAuf: Der Veganer-Effekt?

Nick: Wenn du vegan bist, ist das super schnell Thema, weil es anders ist, als das, was die meisten Menschen machen. Weil nachgefragt wird. Mit Polyamorie habe ich das gleiche Gefühl. Oder ich stoße das Thema selbst an, weil ich mich für die Beziehungskonzepte der anderen interessiere. In den meisten Fällen ist das direkt auf dem Tisch. Also kommt der Punkt nicht, dass ich jemanden interessant finde und dann noch sagen muss: Ich lebe polyamorös.

UnAuf: Was für ein Beziehungskonstrukt wünschst du dir momentan?

Nick: Ich habe ein gewisses „Idealkonstrukt“. Aber das ist auch nur Wunschdenken und verändert sich ziemlich oft. Witzigerweise war ich am Anfang meiner polyamorösen Reise voll gegen ein, ich nenne es mal, familiär-polyamoröses Zusammensein. Quasi ein Gemisch von Menschen, die untereinander romantische Beziehungen haben. Und viel vom Leben teilen. Diese Vorstellung finde ich mittlerweile sehr schön.


Foto: Patrick Große

2 KOMMENTARE

  1. Hallo, „Markus Eckbert“!

    Bitte nennen Sie doch einfach die Quelle der von Ihnen erwähnten Metaanalyse.
    Davor haben Sie sich vermutlich gescheut, weil diese sich auf Polygamie, nicht Polyamorie bezieht.

    Und: Inwiefern es eine Rolle spielt, dass die Autoren der Metaanalyse an einer Universität im muslimischen (!) Malaysia angesiedelt sind und somit gegebenenfalls von einem ganz anderen Setting der Polygamie ausgehen, als das im Westen der Fall ist (in dem Poly_gamie_ strenggenommen gesetzlich verboten ist), mag der Leser selbst beurteilen.

    Bitte belegen Sie auch die von Ihnen als „Tatsache“ bezeichneten Behauptungen.
    Ansonsten entsteht schnell der Eindruck, dass sie nur geschwollen über etwas schwadronieren wollen, von dem Sie keine Ahnung haben.

    Schöne Grüße!

  2. Warum Polygamie anfangs gut klingt und sich danach rächen kann:

    Polygamie erzeugt psychische Schäden (Tatsache):

    Die Ergebnisse von 24 Studien zur Polygamie („Psychological impact of polygamous marriage on women and children: a systematic review and meta-analysis“) besagen Folgendes: Frauen haben ein doppelt so hohes Risiko, an Depressionen zu erkranken. Auch die Kinder haben dadurch signifikant(!) höhere persönliche Problemraten (siehe Global Severity Index), weil sie keinen Halt haben. Weil Polyamorie ist kein Halt. Es erzeugt eine ständige Kognitive Dissonanz: „Wir sind ein Paar und doch keines“. „Wir sind uns treu und doch nicht“. Alle polygamen Frauen die ich kenne, kämpfen hinter ihrem Lächeln und geschauspielerten Glücklichkeit in ihrem inneren Kern mit Depressionen. Polygamie ist keine sinnvolle Lösung für die Gesellschaft, sondern verstärkt Probleme langfristig und das in eine schlechte Richtung, und das sagen 24 Studien.

    Polygamie ist eine Ausnutzung des männlichen Partners (Tatsache):

    Die Polyamorie ist insofern im Verhältnis unfair, da Frauen im gleichen Zeitraum wesentlich mehr männliche Partner anziehen als Männer. Zehnmal mehr Partner als der Mann ist leicht zu erreichen, zum Beispiel durch Tinder, Bars oder Partys. Ob die Frau dem Mann davon erzählt oder eine Ausrede erfindet ist die andere Frage. Polyamorie in der westlichen Welt als Vorschlag kommt aus Egoismus, aber verpackt in schöne Harmonieworte und einen falschen „Wir“-Ton, der weiche Mann erkennt dies nicht und wird somit stark ausgenutzt. Sobald ein „besserer“ Mann gefunden ist (laut Zufriedenheitsstudien einer mit höherer Kompatibilität, geringerem Neurotizismus und höherer Gewissenhaftigkeit; und besserem Verdienst), wird er nicht selten gegen den aktuellen Polygamie-Hauptpartner ausgetauscht, die Ursache ist der natürliche Hypergamietrieb. Habe ich persönlich schon öfters gesehen bei Polygamen „Paaren“ (der Begriff allein schon ist Widersprüchlich).

    Es besteht die Möglichkeit zur Zeugungsunfähigkeit (Tatsache):

    Je mehr Sexualpartner eine Frau im Leben hat umso unzufriedener wird sie und umso höher die Wahrscheinlichkeit zum Griff zu Drogen (Marihuanna oder Hartes). Das sagen meine Beobachtungen und um nicht subjektiv zu sein, auch diverse Studien aus verschiedenen Ländern. Durch viele Sexualpartner besteht die hohe Gefahr von Chlamydien, die sogar allein durch Oralverkehr übertragen werden können. Chlamydien können Unfruchtbarkeit durch Schädigung (Verklebung/Verstopfung) der Kanäle in den Sexualorgane (Hoden und Gebärmutter) erzeugen. Wenn Sie einmal Kinder wollen, dann sollten sie auch darum Abstand von der Polygamie nehmen. Selbst wenn sie nur 5 Personen in der Polygamie sind, glauben sie wirklich, dass diese 3 anderen Personen keinen Sex mit externen Personen haben, unabhängig davon was diese sagen? Nehmen Sie doch den Taschenrechner, mit wie viel zusätzlichen Sexualpartner-Keimen Sie in Kontakt kommen von denen Sie nichts wissen, Sie werden negativ überrascht sein. Lesen Sie über Safer-Sex nach und sie werden auch lesen, dass Verhütungsmittel doch nicht bei jedem Mal so schützend sind wie man es sich wünscht. Keine Kinder zu haben, erhöht übrigens auch für etwa die Hälfte der Frauen im hohen Alter die Chance hoch depressiv zu sein (Studie aus Amerika).

    Wollen Sie wirklich ausgenutzt, depressiv und zeugungsunfähig sein?

    Überlegen Sie sich den Schritt zur Polyamorie gut, denn außer dem modernen neugierigen Depressions-Escapismus inklusive Schöngerede und Wunschdenken, zeigen der überwiegende Teil vieler Studien aus diversen Gebieten klar gegen diese Entscheidung, die negativen seelischen und körperlichen Folgen sind nicht zu unterschätzen. Wie kommen Sie aus der Polyamorie dann noch raus? Sie werden aufgrund den sehr engen Beziehungen, den Hormonen, dem Oxytocin, dem Vertrauen, etc. dann nicht nur Streit mit einer einzigen Person dann haben. Es werden mehr sein, und seelisch umso härter.

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