Auf zum Sportforum in Hohenschönhausen. Hier liegt das Schul- und Leistungssportzentrum Berlin (SLZB), eine der größten Sportschulen Deutschlands. Sie ist der Ausgangspunkt vieler olympischer Karrieren. Doch wie gehen Studium und Leistungssport zusammen?
Vor allem während der Schulzeit ist eine Zukunft im Leistungssport das Ziel vieler junger Talente. Damit das Training ja nicht zu kurz kommt, ist es in den schulischen Alltag integriert. Das heißt: Die Schüler*innen starten meist mit einer Trainingseinheit in den Tag und beenden ihn auch wieder mit einer. Am Wochenende warten weitere Einheiten und Wettkämpfe.
In der Oberstufe dringt die Frage, was man nach Abschluss der Schule eigentlich wirklich machen möchte, in den Vordergrund. Nicht jeder wird eine Karriere als Sportler*in in Betracht ziehen. Aber nicht wenige machen weiter und gehen zur Bundeswehr oder Bundespolizei. Das ist eine Möglichkeit, um in Deutschland Geld mit dem Sport zu verdienen. Viele beenden ihre sportliche Laufbahn und entscheiden sich für eine Ausbildung oder ein Studium. Auch, weil es als sehr schwer gilt, Sport und Studium zu vereinen.
Für Steffi* stand nach Abschluss des Abiturs ganz klar die sportliche Karriere im Mittelpunkt. „Man kann nicht international auf hohem Niveau sein, wenn das Studium oder der Beruf einen ähnlich hohen Stellenwert einnimmt. Die Zeit für die Trainingslager und Wettkämpfe muss zur Verfügung stehen. Da kann ich nicht nach Urlaubstagen oder Semesterferien rechnen“, sagt sie. „Bei mir hatte sich alles dem Sport untergeordnet. Das war nicht immer leicht, aber möglich und auch einer der Schlüssel zum sportlichen Erfolg.“
Mit dieser Einstellung wurde sie Weltmeisterin und Silbermedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen 2012 in London. Während ihrer sportlichen Laufbahn entschied sie sich dazu, ein Studium zu beginnen. Den Studiengang wählte sie damals unabhängig vom Sport aus.
In den Semesterferien geht es zu den Olympischen Spielen
Auch Anne* legte ihren Fokus zunächst voll auf die sportliche Laufbahn und folgte ihrem Traum von den Olympischen Spielen. Mit Erfolg. Trotzdem merkte sie schnell, dass sie neben dem Sport einen Ausgleich brauchte, weshalb sie sich entschied, parallel zum Sport zu studieren. Da eine Ausbildung zeitlich nicht möglich gewesen wäre, war das Studium die beste Option, um ihren Berufswunsch und ihren sportlichen Traum parallel zu verfolgen.
Da die HU mit dem Berliner Olympiastützpunkt kooperiert, fiel ihr die Universitätssuche nicht ganz so schwer wie manch anderem. Auch bei Bundespolizei und Bundeswehr werden studierende Spitzensportler*innen dabei unterstützt, Training und Studium zu vereinen. Finanzielle Zuschüsse liefern Stipendien oder auch die Deutsche Sporthilfe. Die Uni kommt während einer aktiven sportlichen Karriere tendenziell eher kürzer: „Als ich noch Leistungssport gemacht habe, hatte ich acht bis zehn Trainingseinheiten die Woche, im Durchschnitt jeweils zweieinhalb Stunden. Da war ich meistens nur ein bis zwei Mal in der Woche an der Uni“, sagt Anne.
Viel wird sich dafür in Heimarbeit angeeignet. Anne trug sich meist bewusst in nur wenige Kurse pro Semester ein: An Tagen, an denen nur ein Mal trainiert wurde oder wenn die Einheiten körperlich nicht so fordernd waren. „Ich wollte immer sicherstellen, dass das Training nicht leidet und dass ich auch etwas aus der Uni mitnehme.“
Fehlzeiten gehören zur Normalität
Regeneration für Körper und Geist ist Pflicht. Regelmäßige Fehlzeiten allerdings auch. In den Vorbereitungsmonaten vor den Wettkämpfen stehen mehrere Trainingslager an. Während der Wettkampfsaison hingegen Wettkampfreisen, die teilweise in weit entfernte Länder führen. Gute Kommunikation ist auch wichtig, vor allem zu dem Studierendensekretariat und dem Prüfungsbüro, aber auch zu den Dozent*innen sollte ein guter Draht bestehen, da sich so vieles klären lässt, was sonst problematisch werden könnte.
Außerdem gibt es Laufbahnberater*innen an den Olympiastützpunkten und Ansprechpartner*innen an den Universitäten, die man im Fall der Fälle kontaktieren kann. Es gibt also Möglichkeiten für Spitzensportler*innen, sich in ihrem Studium unterstützen zu lassen, die den anderen Studierenden nicht zur Verfügung stehen.
Dafür werden natürlich auch Opfer gebracht. „Ich hatte früh Training, bin dann in Uni gehetzt, habe meine Vorlesung oder mein Seminar besucht und bin dann wieder zurück zum Training. Das typische Unileben ist mir bis jetzt fremd gewesen. Der Kontakt zu Mitstudierenden ist leider nicht so eng wie es die ‚normalen‘ Student*innen wohl erleben.“
Das Studium als Ausgleich zum Sport
Einen Zusammenhang zwischen sportlichen Leistungen und denen des Studiums gibt es nicht direkt, dennoch kann das Studium als Ausgleich dienen und dabei helfen, den Fokus immer wieder neu zu setzen. Zeitmanagement und die Disziplin sind von vornherein ausgeprägt und müssen sich nicht erst angeeignet werden.
Sowohl Steffi als auch Anne haben inzwischen ihre sportliche Karriere beendet und widmen sich nun voll ihrem Leben außerhalb des Sports. Für Steffi steht fest: „Ich bin und bleibe bei der Bundespolizei und gehe dort meinen Weg weiter.“ Anne möchte ihr Studium erfolgreich beenden und später vielleicht als Lehrerin arbeiten. Vorher liegt der Fokus aber erstmal darauf, Erfahrungen „außerhalb der leistungssportlichen Blase“ zu sammeln.
Was bleibt, ist das Bewusstsein darüber, dass jeder Studierende Probleme hat, die er oder sie bewältigen muss, aber individuell auch eine Vielzahl an wunderbaren Erfahrungen machen kann. Schlussendlich gilt für alle: „Man muss für seine Ziele kämpfen.“ Ob im Studium oder im Sport muss jeder selbst entscheiden.
*Namen geändert