Gewaltandrohung, Handgreiflichkeiten: Nach einer jahrelangen Rufmordkampagne hat der Streit zwischen Jörg Baberowksi und der studentischen Trotzkisten-Gruppe IYSSE einen traurigen Höhepunkt erreicht. Seit Anfang Februar verbreitet sich an der HU ein Video, auf dem Baberowski IYSSE-Vertreter Sven Wurm das Handy aus der Hand schlägt, ihn sogar bedroht. Alles Kalkül? Und wie konnte es so weit kommen? 

Ein Video geht um an der Humboldt-Universität. Darauf zu sehen ist Jörg Baberowski, Professor am Institut für Geschichtswissenschaften. Aufgenommen hat es Sven Wurm von der kleinen, aber einflussreichen Studierendenorganisation IYSSE. Deren Mutterorganisation, die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) taucht in Berichten des Verfassungsschutzes auf, polemisiert gegen die EU, ist davon überzeugt, dass die Große Koalition den nächsten großdeutschen Imperialismus vorbereitet, verehrt Leo Trotzki und setzt auf die sozialistische Weltrevolution. 

Baberowski zählt zu den renommiertesten Historikern seines Faches, der Geschichte Osteuropas. Regelmäßig legt er bei C.H. Beck und der Bundeszentrale für politische Bildung dicke Bände zum stalinistischen Terror oder über Herrschaftslogiken in Gewalträumen vor. Auch ausgehend davon vertritt Baberowski die als sogenannte Nolte-These bekannte Überlegung, dass die Explosion der Gewalt des „Dritten Reichs“ in Mittel- und Osteuropa ohne den vorausgehenden Terror der Sowjets unwahrscheinlich, wenn nicht sogar undenkbar sei. Manchen gilt das bereits als Relativierung der Verbrechen der Deutschen, den meisten Historiker*innen eher als streitbare These zu deren (partiellen) Erklärung.

Als ausgesprochener Konservativer ist Baberowski, zumindest in Berliner Hochschulkreisen, der sprichwörtliche schwarze Schwan. Seine Befürchtungen im Zusammenhang mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ von 2015, wonach eine hohe Zahl zu integrierender Flüchtlinge vor allem eine Bedrohung für den innerdeutschen Zusammenhalt darstelle, muss man nicht teilen; ihre öffentliche Artikulierung darf man angesichts damals und heute an Zugkraft gewinnender rechtsextremer Kräfte sogar für unklug oder gefährlich halten. Zur demokratischen Debatte über den Umgang mit steigenden Flüchtlingszahlen gehören solche Bedenken dazu; ob sie weiterhelfen, steht auf einem anderen Blatt.

Gefährliche Nähe zum braunen Think Tank

Deutlich mehr Fragen wirft dagegen Baberowskis augenscheinliche Nähe zum neurechten Thinktank „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK) auf. Neben dem sogenannten „Institut für Staatspolitik“ von Götz Kubitschek ist die BdK einer der wichtigsten Knotenpunkte rechtsintellektuellen Denkens in Deutschland. Dort finden sich, mit Ausnahme einiger heterodox-konservativer Standpunkte, die innerhalb der Grenzen des in einer Demokratie Zulässigen liegen, alle Schattierungen braun angelaufenen, völkisch-esoterisch bis menschenverachtenden Gedankenguts.

An der BdK hat Baberowski einen Gesprächskreis mit initiiert, aus dem die „Erklärung 2018“ hervorgegangen ist, die sich gegen die vermeintliche „illegale Masseneinwanderung“ nach Deutschland richtete. Dass es diese „illegale Masseneinwanderung“ nie gegeben hat und einen modernen rechtsextremen Mythos darstellt, liegt auf der Hand. Baberowski selbst hat die Erklärung nicht unterzeichnet und ist seitdem, zumindest öffentlich, nicht mehr im Umkreis der Bibliothek in Erscheinung getreten. Mit seinem Gesprächskreis an der BdK hat er sich aber zumindest freiwillig in die fragwürdige Gesellschaft von Nazis und „Neurechten“ begeben. Die Unterzeichner*innen der Erklärung hat der Autor und Journalist Patric Seibel im NDR damals als „erstaunliche Allianz bürgerlicher und nationaler Konservativer und neurechter Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet.

Baberowski: Im Zweifel konservativ  

Wohin gehört Jörg Baberowski in diesem Spektrum? Wer Baberowskis Bücher studiert, seine Vorlesungen hört oder andere Veröffentlichungen aufmerksam liest, wird ihn zum bürgerlich-konservativen Lager rechnen, ihn aber vor allem als einen um schlüssige Darstellung bemühten Historiker respektieren müssen. Eine Einschätzung, die auch im Umfeld des Instituts für Geschichtswissenschaften zu hören ist, dessen Fachschaftsiniative bereits mehrfach zu mehr differenzierter Gesprächsbereitschaft aufgerufen und sich gegen eine vorschnelle Verurteilung Baberowskis ausgesprochen hat. Der ZEIT sagte Baberowski 2017, er finde es grässlich, wohlwollend von AfD-Vertretern zitiert zu werden. 

Zwar kann man von einem derart geschulten Historiker mehr kritische Distanz zu Institutionen wie der BdK erwarten; das Label des „Rechtsextremen“, das IYSSE, SGP und Teile der verfassten Studierendenschaft Baberowski aufdrücken wollen, wird durch diese Nähe aber nicht gerechtfertigt. Weder ist Baberowski offiziell mit rechtsextremen Parteien beziehungsweise solchen, die entsprechende Personen und Flügel hofieren, verbunden; noch lässt er in Wort und Schrift entsprechendes  Gedankengut durchblicken. Und obwohl kaum zu erwarten ist, dass ein Angehöriger des bürgerlich-konservativen Spektrums zum Sympathieträger einer größtenteils linksliberalen bis weit linksaußen stehenden Studierendenschaft wird, erklärt das kaum, wie er zu dem „rechtsextremen Professor“ werden konnte, als der er seit geraumer Zeit gezeichnet wird. Woher kommen also die Anfeindungen, denen Baberowski an der Humboldt-Universität seit Jahren ausgesetzt ist? 

Alles begann damit, dass Baberowksi 2014 den Russland-Historiker Robert Service, der dem US-Thinktank Hoover Institution nahesteht, in ein Seminar an die Humboldt-Universität eingeladen hat. Service ist vor allem bekannt für eine so umfassende wie kritische Biografie Leo Trotzkis. Das wiederum rief seinerzeit David North, den Chef der US-Version der Sozialistischen Gleichheitspartei auf den Plan, der neben seinem Amt als Parteichef auch als Vorsitzender der trotzkistischen Vierten Internationale und als oberster Verantwortlicher von deren Online-Plattform World Socialist Website (WSWS) fungiert. Würde man die Überreste des globalen Trotzkismus als Kult beschreiben, North wäre so etwas wie dessen Oberpriester.

Und obwohl dieser Kult in seiner parteiförmigen Ausprägung weder in den Vereinigten Staaten noch in Deutschland bislang auch nur annähernd genügend Wähler*innen gewinnen konnte, um überhaupt als Splitterpartei gelten zu können, scheint er finanziell ziemlich gut dazustehen. Davon zeugten hochwertige und zahlreiche Wahlplakate der SGP in Berlin einerseits; andererseits ist kaum zu übersehen, über welche Mittel deren hochschulpolitischer Arm, die IYSSE, verfügen muss, die regelmäßig ganze Plakat- und Flyerfluten über die verschiedenen Berliner Hochschulen ergießt. 

Die „Causa Baberowksi“ als PR-Trick

Spätestens seit 2015 ist Jörg Baberowski ein Dauerbrenner auf diesen Plakaten. Im Jahr 2014, zur Stunde Null der „Causa Baberowski“, verweigerte dieser North, der eigens für den Vortrag von Service nach Berlin gereist war, den Zutritt zum Seminar. Das geschah auf Bitte von Service, der statt akademischer Debatte wohl eher interessengeleitete Sabotage vonseiten Norths erwartete. North ließ es nicht darauf beruhen, und verbreitete von da an wütende Schriften gegen Baberowski, die damals beinahe täglich erschienen. Norths Anhänger*innen in Berlin reagierten entsprechend; seitdem folgen die bekannten Attacken ad hominem, die  Baberowskis Ruf nachhaltig beschädigen, vor allem aber die Bekanntheit der IYSSE steigern sollten. Auf der Klaviatur der Desinformation hat die IYSSE dabei wenig ausgelassen. Seit Jahren reitet sie etwa auf sinnentstellten Zitaten Baberowskis herum, die Podiumsdiskussionen am Deutschen Historischen Museum entnommen wurden. Demnach erforsche Baberowksi nicht die Gewalt, sondern fordere sie geradezu ein; eine Anschuldigung, die sich seitdem Personen über IYSSE und SGP hinaus zu eigen gemacht haben. 

Dabei müsste mit Blick auf die bereits vielerorts aufgearbeteite Entstehungsgeschichte der „Causa Baberowksi“ mittlerweile eigentlich allen klar sein, dass sie nichts anderes als einen so offenkundigen wie im Kern populistischen PR-Trick einer kleinen Gruppe HU-Studierender darstellt, die sich größer machen will, als sie tatsächlich ist. Über die Jahre hinweg hat die IYSSE es geschafft, ausgehend von Jörg Baberowski und natürlich Herfried Münkler nicht nur eine rechtsextreme Verschwörung und die gedankliche Vorbereitung eines neuen deutschen Militarismus an der Humboldt-Universität heraufzubeschwören, sondern sich auch gleich als das einzige Bollwerk gegen diese vermeintliche Gefahr in Szene zu setzen. Zulauf bei entsprechenden thematischen Veranstaltungen sowie  Stimmen bei den Wahlen zum HU-Studierendenparlament konnte den wichtigsten Vertreter*innen der IYSSE Berlins, Katja Rippert und Sven Wurm, so sicher sein. 

Reiten auf der Welle der Empörung

Dass die „Causa“ trotzdem die Ausmaße angenommen hat, die sie mittlerweile einnimmt, ist nicht zuletzt auf eine Dynamik zurückzuführen, die untrennbar mit der allgegenwärtigen Direktkommunikation über soziale Medien zusammenhängt und die vermutlich der US-Journalist Noah Rothman als Erster als outrage economy, als Ökonomie der Empörung, bezeichnet hat.

„Empörungsökonomie“ bedeutet, dass das eigene Ansehen besonders dadurch gesteigert werden kann, wenn man die oder der Erste ist, der oder die das Subjekt der nächsten großen Empörungswelle identifiziert, aber viel öfter: konstruiert hat. Zum Beispiel: Wer als Hochschulgruppe auf die wachsende Gefahr von rechts durch die AfD hinweist, hat vielleicht Recht, aber damit nichts wirklich Neues gesagt, geschweige denn eine einzigartige Legitimation ihrer selbst geschaffen. Anders die Gruppe, die eine unmittelbare Gefahr von rechts direkt inmitten der Hochschulgemeinschaft ausmacht: Damit wird sie zur Avantgarde, in der Analyse wie in der Verteidigung. Geläufiger sind Beispiele von Twitter, wo der Begriff wahrscheinlich am ehesten hingehört: Wer gestern noch traditionelle Geschlechterrollen in Disney-Rollen kritisierte, fällt heute hinter die zurück, die dort Relikte des US-Imperialismus, besser noch: intersektional verschränkte Diskriminierungsdynamiken ausmachen können.

Will man nicht zurückfallen, reitet man besser auf der aktuellen Empörungswelle mit, und das erklärt die steile Karriere der These vom „rechtsextremen Professor“, katalysiert von der Assoziierung Baberowskis mit der Bibliothek des Konservatismus, vermutlich teilweise. Erschwerend hinzu kommen dessen Hang zur streitbaren These und Ambiguität, die ihn als zwar als Public Intellectual auszeichnen, aber ebenso angreifbar machen in einer Welt, die Sachverhalte möglichst auf 280 Zeichen, in Echtzeit und nach den Regeln der Empörung diskutieren will.

Aber dass sich die Eskalationsspirale der „Causa“ in den vergangenen Monaten derart weitergedreht hat, liegt nicht nur an den Social-Media-immanenten Empörungslogiken. Dafür hat Baberowski auch selbst mit seinem extrem unbeholfenen Umgang mit diesen sozialen Medien, namentlich Facebook, gesorgt. 

Das Zentrum für Diktaturforschung

Zum Hintergrund: Im Sommer vergangenen Jahres war Baberowski mit der Einrichtung eines interdiszplinären Diktaturforschungszentrums gescheitert, das im Vorfeld von der IYSSE mit einigem Aufwand als rechtsgerichteter Quasi-Think Tank verunglimpft worden war. Auch hier blieb Schmutz, zumal aus früheren Kampagnen der IYSSE hängen, der eine sachliche Debatte behinderte.                

Insbesondere die damaligen studentischen Vertreter im Akademischen Senat (AS) der HU, darunter Bafta Sarbo, Juliane Ziegler und João Fidalgo, traten über das gesamte Jahr 2019 hinweg als Gegner*innen des Vorhabens auf. Bereits im Januar des vergangenen Jahres stellte Fidalgo Passagen aus Fachgutachten der Öffentlichkeit bereit, die den Sinn eines solchen Zentrums anzweifelten. Zwei von vier renommierten Gutachter*innen, darunter der Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, übten scharfe Kritik, etwa an konzeptioneller Unschärfe des Zentrums, während unter anderem die Dekanin der Philosophischen Fakultät, Gabriele Metzler, das Vorhaben ausdrücklich unterstützt hat.            

Für die Studierendenvertreter*innen im AS wogen am Ende aber politische Gründe schwerer als Fachargumente. Ihren anhaltenden Widerstand, an dem das Zentrum letztlich gescheitert ist, begründeten sie unter anderem im August im Deutschlandfunk dezidiert mit der politischen Haltung Baberowksis, dem sie vorwarfen, sich in der Vergangenheit flüchtlingsfeindlich geäußert zu haben. Gemeint war damit vermutlich auch die viel verbreitete Falschmeldung, nach der Baberowski Gewalt gegen Flüchtlinge in Deutschland vor einigen Jahren als „eher harmlos“ bezeichnet habe. 

Wie der Tagesspiegel bereits 2017 berichtete, wurde Baberowski hier immer wieder durch die IYSSE und andere grob verzerrt wiedergegeben, indem wichtige Teile seiner Aussagen ausgelassen worden sind. Dem Tagesspiegel zufolge habe Baberowksi im vollständigen Zitat gesagt, dass die Brandanschläge schlimm genug, aber angesichts der Probleme Deutschlands mit der Einwanderung ja eher noch harmlos seien: Gott sei Dank sei in Deutschland noch niemand umgekommen.

Baberowksi beleidigt Studierende auf Facebook     

Am selben Tag, an dem die studentischen AS-Vertreter*innen im Deutschlandfunk zu Wort gekommen waren, veröffentliche Barberowski einen Beitrag auf Facebook, in dem er Ziegler und Sarbo als „unfassbar dumm“ und „linksextreme Fanatiker“ bezeichnete. Das war dumm, keine Frage; als Professor, aus einer Machtposition heraus, hätte Baberowski sich souveräner verhalten müssen. Eine öffentliche Entschuldigung ist überfällig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beitrag nach Darstellung der Betroffenen danach weitere Verbreitung in rechtsextremen Foren fand und beide deswegen massiv bedroht worden seien. Fraglich nur, ob die beiden auf eine Entschuldigung warten: Im Oktober 2019 wurde Anzeige erstattet, zudem eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht; in einem öffentlichen Statement implizierten die Betroffenen, die Folgen des Facebook-Beitrags – also Hassnachrichten und Gewaltandrohungen – müssten, wenn nicht kalkuliert, so doch zumindest vonseiten Baberowskis vorhersehbar gewesen sein. Die Universitätsleitung unternahm in der Sache nach außen hin nichts, was der Rede wert wäre, nur Dekanin Gabriele Metzler kritisierte den Beitrag im Tagesspiegel.

Das ist der Ton, der an der Humboldt-Uni herrscht: Beleidigungen, Zivilklagen, Kommunikation nur vor Medienpublikum, immer verbunden mit der Unterstellung der schlechtmöglichsten Absichten. Ein Mindestmaß an gegenseitigem Verständnis und Gesprächsbereitschaft würde wohl beiden Seiten gut tun, zumal die Studierenden im AS ursprünglich nichts weiter als ihre Kontrollfunktion ausgeübt hatten und die IYSSE in der verfassten Studierendenschaft sicher keinen bedingungslosen Rückhalt erfährt. 

Das Video: Es musste so kommen

Und jetzt also: ein Video. Zu sehen ist Jörg Baberowski, nicht zu sehen, aber zu hören, ist Sven Wurm von der IYSSE, der ersterem ein Handy ins Gesicht hält und fragt, was er da gerade tue. Auftritt Baberowski, er trägt ein Bündel offenkundig abgerissener IYSSE-Plakate in der Hand. Stracks geht er an Wurm vorbei, um noch mehr Plakate abzureißen, die die Anschlagwand im Eingangsbereich bedecken. Auf einem davon steht: „Nein zur Verharmlosung von Nazi-Verbrechen an der HU.“ Es ist klar, wer damit gemeint ist. Was dann passiert, ist so vorhersehbar wie einkalkuliert: Baberowski, der Wurm auffordert, ihn nicht zu filmen, schlägt ihm kurzerhand das Handy aus der Hand. Die Situation eskaliert weiter, Baberowski droht mit Schlägen in die „Fresse“, Wurm sagt, er sei angegriffen worden. Am Ende ist nicht mehr alles zu sehen, das Handy liegt am Boden. Ein Trauerspiel, in der Hauptrolle die Debattenkultur an der HU. Die Reaktion Baberowskis: Wieder dumm, keine Frage, als Professor hätte er souveräner reagieren müssen. Nicht zu entschuldigen, aber nachvollziehbar?

Baberowski konnte hier nur verlieren. Niemand sieht aus wie ein lupenreiner Demokrat, wenn er dabei gefilmt wird, wie er Plakate abreißt, egal, ob die von einer Gruppe aufgehängt wurden, die seit Jahren den eigenen Ruf und die akademische Integrität angreift, oder die dreitägige Wahl, auf die sie sich beziehen, beinahe vorüber ist. Und wenn er am Ende wirklich handgreiflich wird, umso besser. Der Titel des Videos lautet: „Rechtsradikaler Professor Baberowski greift linke Studierende tätlich an.“ 22.000 Aufrufe and counting. Auch hier ist eine öffentliche Entschuldigung von Baberowksi überfällig, sie würde Größe beweisen und ihn nahbarer wirken lassen, als es sein Image als überlebensgroße Koryphäe seines Faches zulässt. Fraglich nur, ob Wurm überhaupt nach einer verlangt, denn er hat schon bekommen, was er wollte: Den nächsten großen Aufreger. Das ist schäbig, und insofern die Universitätsleitung diesmal tatsächlich über ebenso längst überfällige Konsequenzen nachdenkt, sollte sie die Rolle Wurms und seiner IYSSE in dieser Tragödie dabei nicht vergessen.

Die Universitätsleitung hält sich raus

Alle Beteiligten in dieser „Causa Baberowski“, das zum Schluss, können einem leidtun: Jörg Baberowksi, weil ihn eine trotzkistische Splittergruppe erfolgreich zum Vehikel der eigenen Profilierung gemacht hat; die Verantwortlichen aufseiten von IYSSE und SGP, weil sie mittlerweile zu tief drin stecken, um jemals wieder auch nur einen Millimeter von ihrer Position abzurücken; die Vertreter*innen der verfassten Studierendenschaft, die sich in dieses Theater haben einspannen lassen und dann wieder Jörg Baberowksi, der sich in einer mentalen Wagenburg zu verschanzt haben scheint, aus deren Perspektive alles nach dem Freund-Feind-Schema geordnet werden muss. Über allem steht eine Universitätsleitung, die sich weitgehend raus hält. Wie viel Eskalation es noch braucht, bis HU-Präsidentin Sabine Kunst öffentlich auf den Plan tritt, bleibt vorerst offen.  

Die Tragik darüber hinaus besteht darin, dass es so vieles Anderes gegen echte Rechtsextremist*innen oder für bessere Studienbedingungen zu tun gäbe, was die verfasste Studierendenschaft im Allgemeinen und der RefRat im Speziellen auch tun: Zum Beispiel läuft gerade die Einklageberatung auf Hochtouren. Solange, während in Neukölln Neonazis Autos von Politiker*innen anzünden, im Bundestag weiterhin die echt rechtsextreme AfD sitzt und, kleiner gedacht, der HU-Mittelbau weiterhin unzureichend finanziert ist, Teile der Studierendschaft sich aber die Empörungslogiken der IYSSE aufzwingen lassen und in den eigenen Reihen rechte Phantome bekämpft, ist unsere Aufmerksamkeit jedenfalls bemerkenswert schlecht verteilt.


Kommentare geben stets die Meinung der jeweiligen Autor*innen wieder, nicht die der gesamten Redaktion. (Anm. d. Red.)

2 KOMMENTARE

  1. Jakob, weil Jan halt die Fehler von Baberowski und seine Gewalt immer nur „dumm“ nennt, und glaubt nach Entschuldigungen wäre alles wieder gut. Der Täter schlägt, ist dumm und darf sich entschuldigen, weil es auf die post-faktische Entschuldigung mehr ankommt als auf Leid der Betroffenen, weil es mehr auf die Entschuldigung ankommt, als auf das vorige Handeln oder die Intentionen der Täter. Insofern schreibt Jan Geschichte in einer Art die Baberowski und Nachkriegsdeutschland auch gefallen hätte.

    Zudem sind für Jan jene 20000 Klicker_innen, die Gewalt von Profs gegen Studis nicht akzeptabel finden, jene „Mitläufer“ oder Motten der IYSEE, die mit verantwortlich gemacht werden für die 190 Neonazi Anschläge in Neukölln, impliziert er doch, dass unsere Aufmerksamkeit, die Aufmerksamkeit der polis, und die der Studis dort in Neukölln (wo wir leben und antifaschistisch aktiv sind) besser aufgehoben wäre, als bei Gewalt gegen Studis an Hochschulen (wo wir leben, arbeiten und studiert haben).

    Für Jan und die Unauf scheint es nur eine Sache in 280 Zeichen zu geben, die zur selben Zeit im Kopf behalten werden kann. Mein Vorschlag: statt das Konzept „Täter schlägt, entschuldigt sich und alles ist gut“ zu unterstützen und als „pinned Tweet“ in diesem Artikel zu verbreiten, wie wäre es damit als UnAuf Journalist ganz unaufgefordert journalistisch tätig zu werden, mit Betroffenen zu sprechen und vielleicht bei Personalrat, Frauenbeauftragten etc. zu fragen, ob es Übergriffe von Profs auf Studis gibt und wie die Unileitung generell damit umgeht.

    Ich bin jedenfalls in einer migrantisch-arbeiter_innen Nachbarschaft aufgewachsen in der wir einander keine Dinge aus der Hand schlagen und drohen einander die Fresse zu polieren, vielleicht bin ich dadurch nicht akademisch genug um zu wissen, dass Entschuldigungen alles wieder gut machen.
    Vielleicht bin ich auch nicht Journalist genug um zu wissen, dass es nicht nötig ist eine Stellungnahme von jemanden der angegriffen worden ist einzuholen, um einen Artikel zu schreiben in dem ich dann impliziere, dass die „Trotzkisten und Bolschewisten“ durch ihre Provokation ja selbst Schuld an der Gewalt die sie erfahren wären.

    Aber ich bin kein Journalist und frage mich daher nun lediglich: Wo ist der Folgeartikel?

  2. Es wird behauptet: „Baberowski, der Wurm mehrfach auffordert, ihn nicht zu filmen, schlägt ihm kurzerhand das Handy aus der Hand.“
    Das stimmt nicht. Baberowski hat Wurm nicht „mehrfach aufgefordert, ihn nicht zu filmen“ und ihm dann erst das Handy aus der Hand geschlagen. Tatsächlich sagt Baberowski nur einmal „Sie filmen mich nicht, ist das klar“ (das ist eher eine Drohung als eine „Aufforderung“) und schlägt dem Studenten gleich danach das Handy aus der Hand. Daraufhin sagt er: „Soll ich dir was in die Fresse hauen“, wiederholt den Satz „Sie filmen mich nicht, ist das klar“ und ergänzt: „Sie verschwinden jetzt, aber ganz schnell“. Aus dem Video geht ganz klar hervor, von welcher Seite die Gewalt ausgeht.
    Warum stellt der Bericht diese Szene falsch dar?

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