Mert Cengiz (19, Rechtswissenschaft) ist Landessprecher der Studierendenorganisation Die Linke.SDS Berlin. Bei der Wahl für das Studierendenparlament der Humboldt-Universität am 23./ 24. Januar 2019 wurde er mit 52 Stimmen für eine weitere Legislaturperiode gewählt. Die UnAuf hat mit ihm über seine Arbeit im StuPa gesprochen*

UnAuf: Wie genau sieht euer politisches Programm aus?

Mert: Wir sehen uns als eine gesellschaftskritische, radikaldemokratische und sozialistisch organisierte Vereinigung und vor allem in Berlin sind wir sehr aktivistisch. Wir setzen uns dafür ein, dass sich grundsätzlich in dieser Gesellschaft etwas ändert. Wir setzen uns dafür ein, dass die Politikverdrossenheit bekämpft wird und das machen wir gerade auch mit Veranstaltungen an den Universitäten. Im Jahr 2018 waren das zum Beispiel Veranstaltungen zu Medienkritik, zu feministischen Tabu-Themen und gerade im Dezember hatten wir einen Kongress, der an die Zeit der 1968er erinnerte. Dort haben wir insbesondere die Emanzipation der Frau und die Frauenbewegung thematisiert. Genauso sprachen wir über die Spaltung der Bevölkerung in verschiedene Klassen und die verschiedenen Demokratiedefizite innerhalb unseres politischen Systems.

Bei der StuPa-Sitzung  Ende Oktober hast du zu einem Rundumschlag gegen manche StuPa- und RefRat-Mitglieder ausgeholt. Was war deine Intention dahinter?

Es gibt seit längerer Zeit eine Personengruppe, die mich auch persönlich angegriffen hat. Der Grund dafür ist, dass wir diesen Menschen aufgrund unserer Arbeit unangenehm sind. Die UnAuf hatte mit dem Artikel Solange keiner hinschaut bereits erste Probleme in der Hochschulpolitik und im RefRat aufgedeckt. Ich stehe grundsätzlich für Veränderung in der Politik und habe gesehen, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr viele und oft dieselben konservativen Menschen ins Studierendenparlament gewählt worden sind. Es gibt teilweise Menschen, die seit mehr als 14 Legislaturperioden für das Studierendenparlament kandidieren. Die UnAuf hatte bereits aufgezeigt, dass einige dieser Studierenden keine progressive Arbeit machen. Im RefRat fehlt die Öffentlichkeitsarbeit fast vollständig, statt Wahlankündigungen werden allgemeinpolitische Statements ge macht. Es ist außerdem oft so, dass Stellen im RefRat falsch ausgeschrieben werden. Es gibt für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse oder Mini-Job-Stellen im RefRat aus meiner Sicht zwar verhältnismäßig hohe Stundenlöhne, aber keine guten Ausschreibungen. Es gibt deshalb meistens nur einen einzigen Kandidierenden für diese Stellen und das sind meistens Freund*innen der aktuellen Referent*innen. In der Wirtschaft und Politik sind solche Verfahren üblich – hier würde man das als Vetternwirtschaft bezeichnen, das ist ganz klar. Was wir momentan zum durch die Studierendenschaft finanzierten RefRat sagen ist, dass es einfach eine unzureichende Öffentlichkeitsarbeit gibt. Ob das nun der richtige Ausdruck dafür ist – das weiß ich nicht. Aber es muss sich auf jeden Fall etwas ändern. Mit fairem demokratischem Wettbewerb hat das für mich nichts mehr zu tun.

Warum gab es deiner Ansicht nach bisher keine Veränderungen?

Theoretisch ist eine Reform des Verfahrens durch Mehrheiten im Studierendenparlament möglich. Das StuPa funktioniert aber, eigentlich wie viele andere Parlamente auch, im Endeffekt nur wie ein Politzirkus. Der RCDS spricht von einer linksextremen Mafia, die IYSSE spricht von einer rechtsextremen Verschwörung und es gibt sehr viele Listen, und gerade auch der RCDS und die IYSSE, die mittlerweile den Boden des gesunden Menschenverstandes verlassen haben und sich auf eine ganz andere Ebene begeben haben. Ich selbst identifiziere mich als politisch links und Linkssein bedeutet für mich in erster Linie Veränderung. Linkssein bedeutet, kritisch zu sein und zu diskutieren. Und gerade das habe ich im StuPa vermisst – oft haben linksgerichtete Listen nämlich nur kleinere Punkte angesprochen, die sich verändern müssen, an kleineren Stellschrauben gezogen, aber sie haben das Große und Ganze nicht im Blick. Stattdessen widmen sich viele allgemeinpolitischen Statements und äußern kaum Kritik. Das sind Zustände, die nichts mehr mit Linkssein zu tun haben und auch Zustände, die kritisiert werden müssen.

Auf einer Sitzung im Mai 2018 wurde die AG Partizipation gegründet. War das für dich nicht ein Schritt in Richtung Veränderung?

Wenn Listen wie die Jusos und die LGV eine AG leiten, dann heißt das für mich im ersten Moment, dass sie in jedem Fall Lobby-Arbeit für den RefRat machen werden und nicht die Veränderungen angehen werden, die die Studierenden gerne sehen würden. Das wäre zum Beispiel, dass man ganz genau weiß, welchen Stundenlohn ein*e Referent*in im Monat bekommt. Für eine höhere Bewerber*innenanzahl wäre das sehr nützlich. Momentan läuft das RefRat-System darauf hinaus, dass Menschen persönlich angeworben werden müssen. Es wäre natürlich wichtig, auch neue Gesichter im RefRat und im Studierendenparlament zu sehen, um für eine höhere politische Aktivität am Campus zu sorgen. Und deshalb muss man zum Beispiel dafür sorgen, dass einzelne Studierende nicht über 14 Legislaturperioden im Studierendenparlament sitzen. Wenn jemand 14 Legislaturperioden im Studierendenparlament sitzt, dann werden auch immer dieselben Argumente und Ansichten eingebracht. Ich glaube jedenfalls nicht, dass die AG Partizipation es schaffen wird, das zu verändern. Ich denke, dass sie durch ihr Verhalten in den letzten Monaten eindringlich gezeigt haben, dass sie das eigenständige Denken verlernt haben. Mittlerweile vertreten sie viele Positionen, die sie vom RefRat vorgegeben bekommen. Manche Positionen vertreten sie aus Solidarität zum RefRat, weil dieser vom HU-Präsidium und von rechts angegriffen wird. Ich lehne die menschenverachtende Politik der AfD und die Handlungen des HU-Präsidiums ab, was aber nicht bedeutet, dass ich die Position der Referent*innen unkritisch übernehmen muss. Ich sehe mich ausdrücklich nicht in der Verpflichtung, bestimmte Positionen zu vertreten, nur weil sie von bestimmten Kräften angegriffen werden.

Was müsste sich deiner Meinung nach in der studentischen Selbstverwaltung ändern? Was sind deine Ziele, die du im StuPa verfolgst?

Erstens sollten neugewählte Referent*innen, sofern sich aus dem Amt keine politischen Ansichten ableiten lassen, namentlich bekannt sein, damit die Studierenden ihre eigenen Vertreter*innen kennen. Ich kann zwar verstehen, dass Referent*innen, die satzungsbrüchig geworden sind, ihren Namen nicht freigeben wollen, weil das im Grunde zu einer Rufmordkampagne der AfD führen würde. Das ist mir bewusst. Aber es muss dafür gesorgt werden, dass die Studierenden wissen, wer sie vertritt. Diese Namensproblematik ist allerdings im Vergleich zu anderen Problemen im Refrat ein marginales. Es geht vielmehr darum, dass die Studierenden auch wissen, wie man die Angebote des RefRats wahrnehmen kann. Und, dass man rechtzeitig weiß, wie die Referent*innen arbeiten und wann Neuwahlen für eine Stelle stattfinden. Damit sage ich nicht, dass das alles nicht öffentlich ist – es ist einfach nicht transparent genug. Es ist bisher für die Studierenden nicht leicht einsehbar und es besteht eine große Hemmschwelle, bis man zum Beispiel die aktuellen StuPa-Protokolle aufrufen kann. Solche Informationen sollten auch über das Internet und die sozialen Medien verbreitet werden. Zweitens sollten die Ausschreibungen zukünftig nicht nur mit einem Zettel vor dem RefRat-Gebäude in der Ziegelstraße hängen, sondern sie müssen deutlich sichtbar für alle Studierenden an der Universität, aber auch im Internet einsehbar sein. Diese Defizite in der Öffentlichkeitsarbeit müssen dringend behoben werden. Im 27. StuPa möchte ich mich für diese Reformen einsetzen.

 

*Dieses Interview erschien in gekürzter Form unter der Rubrik “Drei Fragen an…” im Heft #248, wurde also vor der StuPa-Wahl im Januar 2019 geführt.