Naturräume werden zerstört, Arten sterben aus. Johannes Vogel, Generaldirektor des Naturkundemuseums, ist aber überzeugt: Mit der richtigen Strategie können wir diesen Trend stoppen. Mit einer fetten Finanzspritze soll sein Museum für diese Herausforderung fit gemacht werden

Der Welt geht es immer schlechter, das Artensterben nimmt zu. 30 Prozent der bekannten Tier- und Pflanzenarten könnten in naher Zukunft von der Erdoberfläche verschwunden sein. „Wo ist am Ende eigentlich der Unterschied zu sagen, es gibt keinen Klimawandel oder zu sagen, es gibt Klimawandel, aber in unserem Handeln schlägt sich das nicht nieder?“, fragt Johannes Vogel. Der Chef des Naturkundemuseums will, dass sein Haus in Zukunft eine aktivere Rolle im Kampf gegen Klimawandel und Artensterben einnimmt.

Sanierungsfall Naturkundemuseum

Mit über 700.000 Besucher*innen im Jahr 2018 zählt das Naturkundemuseum zu den meistbesuchten Museen Deutschlands. „Und das auf nur 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in einer Kriegsruine”, sagt Vogel. Seitdem das Museum 1917 im Krieg stark beschädigt wurde, sei an dem Gebäudekomplex in der Invalidenstraße praktisch nichts mehr gemacht worden. Über hundert Jahre später seien weiterhin nur 85 Prozent der Gebäudeflächen für Besuchende zugänglich.

Vogel und sein Team arbeiteten sieben Jahre daran, die Politik davon überzeugen, dass das Naturkundemuseum dringend gefördert werden müsse. Im November 2018 haben Senat und Bundestag dann endlich zugestimmt, das Haus über die nächsten zehn Jahre mit 660 Millionen Euro zu unterstützen.

„So einen gordischen Knoten zu zerschlagen, das führt zu einer Mischung aus Euphorie und Schock”, sagt Vogel und lacht. Der überwiegende Teil der Förderung, etwa 500 Millionen Euro, wird dabei für die Renovierung veranschlagt, damit Haupt- und Nebengebäude in Stand gesetzt werden können. Das übrige Geld wird für die Digitalisierung der Sammlung eingesetzt: Die Wissenschaft soll dadurch transparenter und zugänglicher werden.

Die Sammlung geht online

„Die Bürgerinnen und Bürger werden an allen Schritten des Prozesses teilhaben“, sagt Vogel. „Mit der Digitalisierung der Sammlung soll vor allem die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden“, sagt er. Nicht nur Naturkundler, sondern auch Wissenschaftler*innen aus anderen Disziplinen sollten Zugriff auf die Sammlung haben und von diesem Wissensschatz profitieren können. Darüber hinaus soll das Naturkundemuseum, das die ungeheure Artenvielfalt der Erde dokumentiert, in Zukunft stärker als Impulsgeber in die Zivilgesellschaft hineinwirken.

„Wir wollen einen Wissenschaftscampus zu Natur und Gesellschaft, Lebenswissenschaft und Innovation in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität zu Berlin, der Leibniz-Gemeinschaft und weiteren internationalen Partnern entwickeln“, sagt Vogel.

Es gibt Lösungen für die Probleme auf der Erde“

Schon jetzt arbeitet das Museum unter diesen Vorzeichen. Die Sonderausstellung ARTEFAKTE zeigt, wie der Mensch in die Umwelt eingreift, etwa im Kohle-Tagebau Hambach. Fotografien von Henry Fair dokumentieren die zerstörerischen Hinterlassenschaften menschlichen Handelns aus der Vogelperspektive. In Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Dienst der Europäischen Kommission (Joint Research Center, JRC) werden im Zusammenspiel mit den Bildern umweltschonende Lösungsvorschläge präsentiert, die die Besucher*innen in ihren Alltag integrieren können.

Darüber, dass die Mitarbeiter*innen des Naturkundemuseums hier Pionierarbeit leisten, ist sich Vogel bewusst. „Wir haben keine Patentrezepte und es wird auch Teil der Herausforderung, nicht zu sagen, ich weiß wie es geht, sondern lasst uns mal gemeinsam an einem Konzept arbeiten”, sagt er.

Trotz allem blickt Vogel zuversichtlich in die Zukunft: „Ich bin fest davon überzeugt, dass es sowohl die technischen, wissenschaftlichen, wie auch sozialen Lösungen für die derzeitigen großen Probleme auf der Erde gibt.“ Doch der Geldbetrag, so gewaltig er auch sei, reiche noch lange nicht aus, um die gesellschaftlichen Herausforderungen zu lösen, sagt Vogel. „Da fehlen wenigstens noch zwei oder drei Nullen. Die jetzt zu mobilisieren, ist die nächste Herausforderung.“

 

Die Sonderausstellung ARTEFAKTE läuft im Naturkundemuseum Berlin noch bis zum 08. September 2019. Weitere Infos gibt es hier.

 

Foto: Annie Spratt